22.05.2025
Der Leiter der russischen ­Delegation bei den Ukraine-Gesprächen, Wladimir Medinskij, liebt Mythen

Des Kremls Diplomat

Der ultrakonservative Mittfünfziger pflegt eine genau an den derzeitigen Anforderungen des Kreml ausgerichtete Einstellung zur Vergangenheit.

Wladimir Medinskij schafft es wie kaum ein anderer im russischen Staatsapparat, bedingungslose Loyalität mit kreativem Schaffen zu verbinden. Vor allem aber pflegt der ultrakonservative und vielfach ausgezeichnete Mittfünfziger eine genau an den derzeitigen Anforderungen des Kreml ausgerichtete Einstellung zur Vergangenheit, die ihn als Diplomaten qualifiziert.

Schon 2022 wurde er mit der Leitung der russischen Delegation bei den ersten zum Scheitern verurteilten Friedensgesprächen mit der Ukraine beauftragt und auch die Gespräche in Istanbul am Freitag vergangener Woche führte er an. Einen Durchbruch brachten sie nicht, Medinskij äußerte im Anschluss trotzdem seine Zufriedenheit.

»Auch Ideen und Mythen sind Fakten. Ideen und Mythen, die von den Massen beherrscht werden, haben ein größeres historisches Gewicht als alle Kolosse und Viadukte.« Wladimir Medinskij

In der staatlichen Zeitung Rossijskaja Gaseta gab Medinskij vor einigen Jahren selbst einen Eindruck davon, was ihn aus russischer Perspektive für eine solche Position qualifiziert: »Auch Ideen und Mythen sind Fakten. Ideen und Mythen, die von den Massen beherrscht werden, haben ein größeres historisches Gewicht als alle Kolosse und Viadukte.«

Anders gesagt, historische Wahrheit ist, was den nationalen Interessen entspricht. Damit reagierte er auf Vorwürfe unsauberen wissenschaftlichen Arbeitens in seiner Geschichtsdissertation, in der er sich mit dem Problem der objektiven Darstellung russischer Geschichte des 15. bis 17. Jahrhunderts befasst hatte. Seinen Doktortitel durfte er behalten, weil in der zuständigen Wissenschaftskommission nur eine Minderheit für dessen Entziehung plädierte.

Neue Geschichtsbücher 

Die durchaus beeindruckende Karriere Medinskijs begann an der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO, an der er seinen ersten Doktortitel erwarb. Dort war er zunächst als Dozent tätig, bevor er sich für eine Karriere in der Politik entschied. Von 2003 bis 2011 war er Duma-Abgeordneter und gehört zu den führenden Köpfen bei der Hauspartei des Kreml, Einiges Russland. Anschließend bekleidete er von 2012 bis 2020 das Amt des russischen Kulturministers.

Er ist Vorsitzender der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft und leitet seit Februar außerdem den russischen Schriftstellerverband. Nebenbei war er einer der Autoren der 2023 neu eingeführten Geschichtsbücher für den Schulunterricht in Russland. In diesen heißt es, dass die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion auf der Grundlage von »neonazistischem Gedankengut« eine Feindschaft gegen Russland entwickelt habe.