Staatsstreich durch den Staatsanwalt
Für den selbsternannten Monarch Peter Fitzek dürfte es ein unangenehmes Erwachen gewesen sein: Am Dienstag vergangener Woche wurde seine Reichsbürgergruppe »Königreich Deutschland« (KRD) verboten, am frühen Morgen fanden 15 Hausdurchsuchungen in sieben Bundesländern und der Schweiz statt. Vier Personen wurden festgenommen, darunter Fitzek selbst.
Der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) begründete das Verbot unter anderem mit dem virulenten Antisemitismus der Gruppierung. In der Verbotsverfügung wurde jedoch auch ihre »dezidiert profitorientierte Ausrichtung« betont.
Die Reichsbürgersekte »Königreich Deutschland« hatte 2023 mehrere Schlösser im Wert von insgesamt fast zehn Millionen Euro gekauft.
Seit der Ausrufung seines »Königreichs« im Jahr 2012 versucht Fitzek, eine parallele Wirtschaft mit einer eigenen Phantasiewährung aufzubauen. Dafür betrieb er sogar eigene Banken und Versicherungen – ohne Genehmigung der Bundesrepublik, versteht sich. Auch durch teuer bezahlte Mitgliedschaften – Voraussetzung war unter anderem der Besuch kostenpflichtiger Seminare mit dreistelligen Teilnahmebeiträgen – wurde den Anhänger:innen das Geld aus der Tasche gezogen.
In der Berichterstattung wird das KRD meist als Reichsbürgergruppe beschrieben. Das ist richtig, wird aber dessen Anziehungskraft nicht ganz gerecht. Durch ein wildes Konglomerat aus Esoterik, christlichen Versatzstücken und Endzeitrhetorik gelang es Fitzek, eine Strahlkraft bis weit in esoterisch geprägte Alternativmilieus hinein zu entfalten.
Zum Zeitpunkt des Verbots hatte das KRD allerdings schon seinen Zenit überschritten. Der Beginn der Covid-19-Pandemie hatte für einen Zuwachs an Anhänger:innen gesorgt, doch in den vergangenen Jahren kämpfte die Gruppe mit juristischen Problemen.
Seit Jahren häuften sich Prozesse gegen Fitzek: Beleidigung und Körperverletzung, unerlaubte Finanzgeschäfte, Veruntreuung bis hin zu Fahren ohne Führerschein – schließlich erkannte Fitzek die Bundesrepublik nicht an und damit auch nicht die Führerscheinpflicht. Im März war nach langen Berufungsverfahren eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung rechtskräftig geworden.
Zenit überschritten
Fitzek zog alle Prozesse in die Länge, indem er in riesigen Schriftstücken oder in stundenlangen Monologen vor Gericht immer wieder darlegte, warum die Gerichte gar nicht berechtigt seien, ihn anzuklagen – schließlich sei er der Souverän eines eigenen Staats. Wenn die Finanzaufsichtsbehörde Bafin seine potemkinschen Versicherungs- und Bankinstitute verbot, reagierte Fitzek darauf, indem er sein informelles Finanzimperium neu ordnete und unter anderem Namen weiterbetrieb.
Doch mehrere Razzien, Gerichtsprozesse und Beschlagnahmungen zogen Fitzeks Inszenierung allmählich in Mitleidenschaft. Fitzek hatte 2023 mehrere Schlösser im Wert von insgesamt fast zehn Millionen Euro gekauft, doch zuletzt hatte sich das »Staatsgebiet« verkleinert. Ende 2023 war unter anderem der Standort in Wittenberg versiegelt worden, wo das »Königreich« lange Zeit seinen Hauptsitz hatte. Bei den damaligen Razzien in dem Anwesen in Wittenberg und zehn anderen Objekten war auch die Bafin beteiligt gewesen. Es wurden etwa 35.000 Euro Bargeld, mehrere Goldbarren im Wert von etwa 360.000 Euro sowie 60 Schuss Munition beschlagnahmt.
Fitzek selbst wirkte in seinen Videobotschaften in den vergangenen zwei Jahren immer deutlicher angeschlagen. Sein triumphales Sendungsbewusstsein wich immer öfter verbitterten Tiraden über die staatliche Verfolgung. Manchmal vergaß er sich sogar und nutzte statt seinem üblichen royalen »Wir« das profane »Ich«.
Fitzek wirkte angeschlagen
Das Königreich Deutschland wirkt kurios und oft unfreiwillig komisch, doch es bestehen enge Verbindungen zur extremen Rechten. So war beispielsweise der wegen Holocaustleugnung verurteilte Videostreamer Nikolai Nerling, bekannt unter dem Pseudonym »Der Volkslehrer«, ein gerngesehener Gast im »Königreich«. Dem MDR zufolge trat ein AfD-Mitglied, das gleichzeitig Mitglied im »Königreich Deutschland« war, vergangenes Jahr im sächsischen Weißwasser als Kandidat zur Wahl des Oberbürgermeisters an.
Aus der rechtsextremen Szene wurde das Verbot des »Königreichs« scharf kritisiert. Das Magazin Compact schrieb zu dem Anlass: »Es dürfte wahrlich schlechtere Gemeinschaften geben als das KRD, das beispielsweise leerstehende Gehöfte und Schlösser saniert, um diese später durch seine Anhänger wieder zu beleben.«
Das Königreich Deutschland wirkt kurios und oft unfreiwillig komisch, doch es bestehen enge Verbindungen zur extremen Rechten. So war beispielsweise der wegen Holocaustleugnung verurteilte Videostreamer Nikolai Nerling (»Der Volkslehrer«) ein gerngesehener Gast im »Königreich«.
Der Gründer der rechtsextremen Freien Sachsen, Martin Kohlmann, schrieb in seinem Telegram-Kanal von einem »Blitzkrieg gegen das Königreich«. Der rechtsextreme Szeneanwalt teilt mit Fitzek das Faible für Sezession – immerhin fordert seine Partei den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik.
Dass sich das »Königreich« von diesem Schlag erholt, ist unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu dem bisherigen kleinteiligen Vorgehen der Behörden wurde mit dem Vereinsverbot die umfänglichste Maßnahme ergriffen. Nun ist es Fitzek und seiner Gefolgschaft nicht mehr wie in der Vergangenheit möglich, neue juristische Grauzonen und Schlupflöcher auszunutzen. Der König dürfte damit endgültig entthront worden sein.