Schweißperlen statt Regentropfen
Der Deutsche Wetterdienst prognostiziert einen heißen Sommer. Das wird die Wasserknappheit verschärfen – schon jetzt herrschen Trockenheit und Dürre, weil es im Winter zu wenig geregnet und geschneit hat. Tiere und Pflanzen sind bedroht, Flüsse und Seen fallen trocken, die Gefahr von Waldbränden steigt, die Ernten schrumpfen. Zwar bleiben langfristige Wetterprognosen mit Unsicherheit behaftet, aber im Großen und Ganzen sind sich Meteorologen einig darin, dass ein Hitzesommer ansteht. Der EU-Erdbeobachtungsdienst Copernicus kalkuliert mit ein bis zwei Grad Celsius mehr als im Durchschnitt der Jahre von 1993 bis 2016. Ein neuer Sommertemperaturrekord ist möglich.
Derzeit gilt 2024 bezogen auf die globale Durchschnittstemperatur als wärmstes Jahr weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen. In ganz Europa erlebten die Menschen »dramatische und kontrastreiche Klimabedingungen«, heißt es in der Zusammenfassung eines Berichts des Copernicus Climate Change Service und der Weltorganisation für Meteorologie. Demnach war der Osten Europas in einem »Jahr der tiefgreifenden und zerstörerischen Klimaextreme« trockener, sengender Hitze ausgesetzt, während der Westen unter starken Regenfällen und Überschwemmungen litt.
In Brandenburg sind Dürre und Trockenheit längst Normalität, das Land wird zur Steppe. Inzwischen hat das Problem aber auch den wasserreichen Süden Deutschlands ereilt.
In diesem Jahr wurde am Bodensee Mitte April der niedrigste Wasserstand seit knapp zwei Jahrzehnten gemessen; Passagierschiffe konnten nicht mehr alle Häfen anfahren. Normalerweise erreicht der Pegel seinen Tiefstand im Spätherbst oder Winter, also vor Beginn der Schneeschmelze, nicht im Frühjahr. Auf dem Rhein mussten größere Frachtschiffe bei Köln mit halber Ladung fahren. Der Niederrhein wird im Jahr von knapp 200.000 Schiffen genutzt und ist damit ein bedeutender Transportweg. In Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Thüringen wurden bereits die ersten Waldbrände gemeldet. In Bayern sind seit Ende April Aufklärungsflugzeuge im Einsatz, um Waldbrände so früh wie möglich zu entdecken.
Manche Talsperren, die als Trinkwasserreservoir dienen oder im Sommer Wasser für die Schifffahrt und Wasserkraftwerke abgeben, weisen geringe Stände aus. Die Wupper-Talsperre und die Urfttalsperre in der Eifel sind nur etwa zur Hälfte gefüllt. Der Ruhrverband versorgt mit acht Anlagen etwa 4,6 Millionen Menschen mit Trinkwasser. Seine Talsperren sind zu knapp 86 Prozent gefüllt, weniger als in dieser Jahreszeit üblich, teilte der Verband Mitte April mit. Der Februar und März seien demnach so trocken gewesen wie zuletzt im Jahr 1929. Der Pegel der Ruhr sei so niedrig, dass große Mengen Wasser aus den Talsperren in den Fluss geleitet wurden. Sorgen um die Wasserversorgung müsse sich aber niemand machen.
Inzwischen hat es mancherorts ein wenig geregnet. Aber der sogenannte Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig, der täglich Informationen über die Bodenfeuchte in Deutschland bereitstellt, verzeichnet in Norddeutschland, einem Streifen von Sachsen über Thüringen bis zum Rhein sowie Teilen Bayerns und Baden-Württembergs immer noch eine »außergewöhnliche Dürre«.
Immer häufiger fällt Starkregen
Zwar hat der Klimawandel die Niederschlagsmenge in Deutschland nur wenig verändert – dem Umweltbundesamt zufolge hat sie seit 1881 sogar um acht Prozent zugenommen –, aber deren Verteilung umso mehr. Immer häufiger fällt Starkregen, von dem wenig im Boden versickern kann, was zu Überschwemmungen führt. Hingegen fehlen der früher typische gleichmäßige und länger andauernde schwache Landregen sowie Schnee in den Mittelgebirgen und den Alpen. Die Grundwasserreservoire füllen sich im Winterhalbjahr oft nicht mehr auf, so dass manches Jahr bereits mit einem Wassermangel beginnt.
In Brandenburg sind Dürre und Trockenheit längst Normalität, das Land wird zur Steppe. Inzwischen hat das Problem aber auch den wasserreicheren Süden Deutschlands ereilt. Der Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern berichtet Ende Mai, dass mehr als die Hälfte aller oberflächennahen Grundwassermessstellen niedrige bis sehr niedrige Werte aufweisen. Während Trockenheit etwa in Unterfranken mit seinen Weinanbaugebieten immer schon auftrat, trifft es jetzt auch die Regionen südlich der Donau.
In tieferen Schichten des Grundwassers sieht es nicht viel besser aus, dort weisen nach Angaben des Informationsdiensts 47 Prozent der Messstellen wenig Wasser auf. Diese Bereiche füllen sich nur langsam auf, weil das Wasser in die Tiefe sickern muss. Die niedrigen Stände dort zeigten zwar eine »etwas bessere Situation als in den Jahren 2020 bis 2023«, von einer »nachhaltigen Erholung der Grundwasservorkommen« könne aber nicht gesprochen werden – eher kündigen sie eine herannahende Katastrophe an, denn aus diesen Schichten werden etwa 60 Prozent des Trinkwassers entnommen.
Jetstream schwächt sich ab
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte, viele Tiere, insbesondere Insekten, sowie Wiesen, Wälder, Moore und Auen seien durch die Trockenheit bedroht. Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, mochte zwar im Interview mit der Zeit noch nicht von einer landesweiten Dürre sprechen. Allerdings warnte er vor unterdurchschnittlichen Ernten mindestens bei Getreide und Raps, sollte es weiter trocken bleiben.
Er konnte auch erklären, was sich verändert hat: Der Jetstream – ein Starkwindfeld weit oben in der Atmosphäre, von welchem die Hoch- und Tiefdruckgebiete abhängen – schwächt sich ab. Deshalb bleiben Wetterlagen oft über sechs Wochen unverändert. Mal sei es zu heiß und trocken, dann wieder zu kühl und nass.
Dass Landwirte mit Dünger, Pestiziden und Monokulturen zur Umweltzerstörung und mit subventioniertem Agrardiesel zur Erderwärmung beitragen, sprach Rukwied allerdings nicht an. Man bemühe sich um wassersparende Anbaumethoden und weniger Düngergebrauch. Künstliche Bewässerung sei hingegen teuer und nur für einige Kulturen wie Obst, Gemüse und Kartoffeln rentabel.
»Transformation der Wasserstraßen«
Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) indes hatte im Landtagswahlkampf 2023 davon schwadroniert, den Bodensee anzuzapfen und Wasser in den trockeneren Norden des Freistaats zu transportieren. Das Vorhaben sollte sich nach dem derzeitigen Tiefstand erledigt haben. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Rhein wiederum will den Fluss tiefer ausbaggern.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist Ähnliches zu lesen, man werde die »Transformation der Wasserstraßen« unterstützen. Ernsthafte Bemühungen um Umwelt- und Klimaschutz sind von der neuen Bundesregierung ohnehin nicht zu erwarten. In den Koalitionsaushandlungen hat das Umweltministerium die Kompetenz für Klimaschutz vom Wirtschaftsministerium und für Klimaaußenpolitik vom Außenministerium zurückgewonnen, die an diese von den Grünen geführten Ressorts unter der vorherigen Koalitionsregierung aus SPD, Grünen und FDP abgegeben worden waren – daraus aber folgt erst einmal nicht viel.
Der neue Umweltminister Carsten Schneider (SPD) versprach zum Amtsantritt, die Kommunen bei der Klimaanpassung zu unterstützen, »damit sie sich für die schon jetzt spürbaren Folgen des Klimawandels wappnen können«. Und die neue Koalition will das »Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz« von Schneiders Vorgängerin Steffi Lemke (Die Grünen) fortsetzen, um Wälder, Moore, Auen und Grünflächen als Speicher für Wasser und Treibhausgase zu erhalten.
Ein Tempolimit auf Autobahnen würde fast nichts kosten
Aber Wirtschaftswachstum genießt wie schon unter der vorherigen Regierung höchste Priorität. Deshalb sollen Genehmigungsverfahren für Infrastruktur und Gewerbe beschleunigt und die Klage- und Beteiligungsrechte von Umweltverbänden beschnitten werden. Auch ein Tempolimit auf Autobahnen ist nicht vorgesehen, dabei könnte es den CO2-Austoß des deutschen PKW-Verkehrs einer Studie des Umweltbundesamts zufolge bei einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen und von 80 auf Landstraßen um über elf Prozent senken und würde fast nichts kosten.
Stattdessen will man die Verbrennung des fossilen Energieträgers Erdgas fördern; Letzteres durch neu zu bauende Kraftwerke, diversifizierte Importe und neue Förderanlagen im Inland, wofür etwa in Oberbayern nach Vorkommen gesucht werden darf. Um dennoch die Klimaziele zu erreichen, wolle man sich für »CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern« einsetzen, heißt es im Koalitionsvertrag, sprich: für Emissionseinsparungen im Ausland, die Unternehmen sich gutschreiben lassen können – was sich in der Vergangenheit bereits oft als Greenwashing und schwer realisierbar erwiesen hatte.
Die Regierung kann darauf verweisen, dass das unabhängige Gremium Expertenrat für Klimafragen unlängst bescheinigte, Deutschland werde seine Emissionsziele voraussichtlich bis 2030 einhalten – allerdings nur, weil dank Covid-19-Pandemie und Rezession die Produktion gesunken ist. Gleichzeitig warnten die Experten, dass die Verpflichtung, bis 2045 klimaneutral zu sein, so deutlich verfehlt werde. Vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäude werde nach wie vor zu viel CO2 emittiert. Die Prognose scheint nicht allzu gewagt, dass die Sommer künftig noch heißer und trockener ausfallen werden.