Die Rückkehr der Bomberjacken
Am 23. Mai wurde in Cottbus das linksalternative Wohnprojekt Zelle 79 erneut attackiert. Es war in den Monaten zuvor wiederholt Ziel von Angriffen und Bedrohungen durch rechte Jugendliche gewesen. Fünf vermummte Personen versuchten, die Haustür aufzubrechen, und warfen bengalische Fackeln auf den Hinterhof. Diese lösten einen Brand aus, den die Bewohner:innen jedoch schnell löschen konnten. Dazu riefen die Angreifer Parolen wie »Adolf Hitler Hooligans«.
Der Angriff wird der nicht nur in Cottbus erstarkenden Szene jugendlicher Nazis zugerechnet. Dass sich diese in ihren Aktionsformen am Auftreten gewaltbereiter Fußballfans orientiert, ist gerade in Cottbus nicht verwunderlich, sind hier doch die starke extreme Rechte, die Fanszene des lokalen Fußballclubs Energie Cottbus und das Milieu organisierter Kriminalität seit langem eng miteinander verknüpft.
»Ästhetisch ist das ein Retrotrend. Nach dem Nipster-Style ist jetzt wieder Brachialität angesagt.« Stefan Meier, Antifaschistische Recherche Südbrandenburg
Die Kleinstpartei »Der III. Weg«, die mit ihrer Jugendorganisation Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ) seit einiger Zeit eine wichtige Rolle bei der Organisation jugendlicher Rechtsextremer in Cottbus spielt, hatte vor ein paar Jahren noch kritisiert, dass es in der Cottbuser Szene allzu oft nur um das Geschäft gehe und man um des Profits willen sogar gemeinsame Sache mit arabischen Clans mache. Einen Bruch mit der kritisierten Szene hatte das jedoch nicht zur Folge.
»Der Bereichsleiter des ›III. Wegs‹ kommt aus der klassischen Cottbuser Nazi-Szene mit Verbindungen in das Fußballmilieu«, sagt Stefan Meier von der Antifaschistischen Recherche Südbrandenburg der Jungle World.
Allerdings unterschieden sich die jungen Neonazis, die den Stil der sogenannten Baseballschlägerjahre der neunziger Jahre imitieren, im Äußeren deutlich von den Kameraden, die in den vergangenen Jahren die Szene geprägt hätten. »Ästhetisch ist das ein Retrotrend. Nach dem fancy, casual Nipster-Style ist jetzt wieder Brachialität angesagt«, beobachtet Meier.
Pflege patriarchaler Männlichkeitsvorstellungen
Als Anfang April Energie Cottbus in der bayerischen Hauptstadt gegen 1860 München spielte, veranstaltete die Fanszene von Energie eine Auswärtsfahrt mit einem Neunziger-Jahre-Motto. Ein nicht geringer Teil der mehr als 1.000 aus Cottbus angereisten Fans erschien in grünen Bomberjacken, dem typischen Kleidungsstück ostdeutscher Nazi-Skins in den Neunzigern. Hier wird deutlich, dass die Szene durchaus bewusst mit dem Image der rechtsextremen Ostdeutschen und dem diesem innewohnenden Provokations- und Einschüchterungspotential spielt.
»In der Formensprache wird ganz viel mit Triggern gearbeitet«, beschreibt Meier. Dazu würden rechte Codes wie die Farbkombination Schwarz-Weiß-Rot mit aus der DDR stammenden Symbolen wie dem Emblem der Freien Deutschen Jugend, der Jugendorganisation der SED, kombiniert. Diese Aneignung realsozialistischer Symbolik dient Meier zufolge einem identitätspolitischen Zweck: »Man pflegt das Image der Kriminellen, der Nonkonformen aus dem Osten, darauf beruht die Ästhetisierung einer Widerständigkeit gegen alle.« Dass gehe einher mit der Pflege patriarchaler Männlichkeitsvorstellungen, die, so Meier weiter, für die Szene »wichtiger noch als Rassismus und der Hass auf Muslime und Linke« seien.
Dass angesichts der von den jungen Nazis ausgehenden Gewalt oft beschworene Bild einer Wiederkehr der neunziger Jahre hält Meier allerdings nur in ästhetischer Hinsicht für treffend. »Politisch ist die Situation weit gefährlicher, weil die Fundamente, von denen aus man gegen den Rechtsradikalismus agiert, selbst gefährdeter sind als damals.« Sei es in den neunziger Jahren in Ostdeutschland darum gegangen, demokratische Strukturen zu etablieren, werden diese mittlerweile durch fehlenden politischen Rückhalt, die Stärke der AfD und mangelnde finanzielle Mittel ausgehöhlt. Zu beobachten sei das beispielhaft im etwas weiter südlich gelegenen sächsischen Niesky. Dort müsse ein alternative geprägter Jugendclub mangels politischer Unterstützung schließen, während eine rechtsextreme Gruppierung mit Verbindungen zur AfD, die Schlesischen Jungs, Jugendarbeit betreibe.
Fehlender politischer Rückhalt höhlt demokratische Strukturen aus
Trotz punktueller Konflikte schwäche das vermehrte Aufkommen eher subkulturell und militant orientierter Gruppen, die sich von der parlamentarischen extremen Rechten abgrenzen, die Rechte insgesamt nicht. »Die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen rechtsradikalen Strukturen ist erfolgreicher als einst der Versuch der NPD, als eine Organisation gleichzeitig den Kampf um Straße, Köpfe und Parlamente zu führen«, konstatiert Meier.
Der Oberbürgermeister von Cottbus und die Landräte der benachbarten Landkreise Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz forderten Anfang vergangener Woche von der Landesregierung, die Polizei in die Lage zu versetzen, rechtsextreme Straftaten gezielter zu verfolgen. Gleichzeitig müssten Dorfgemeinschaften und städtische Initiativen im Engagement gegen rechtsextreme Strukturen unterstützt werden.
Die in den vergangenen Monaten bedrohten und angegriffenen linken und alternativen Projekte in der Region versuchen, genau das schon mal in Eigenregie zur tun. Im Mai gründeten sie die Initiative »Sichere Orte«, um sich gegenseitig gegen rechte Angriffe zu unterstützen.