Jungle+ Artikel 12.06.2025
Soziale Medien beschleunigen die Radikalisierung jugendlicher Rechtsextremer

Erben der Baseballschlägerjahre

Die vermehrten Gewalttaten rechtsextremer Jugendlicher wecken Erinnerungen an die Nazi-Gewalt der neunziger Jahre. Doch mit den sozialen Medien ist ein neuer beschleunigender Faktor in der Radikalisierung und für eine rechtsextreme Jugendkultur hinzugekommen.

Der deutsche Rechtsextremismus schien sich in den vergangenen Jahren auf den Kampf in den Parlamenten eingeschworen zu haben: Erklärtes Ziel war die Unterstützung der AfD, deren Erfolg ging mit einem neuen rechten Selbstbewusstsein in Debatten über Gender, Klimawandel, Krieg und Frieden einher. Neonazistische Demonstrationen verloren an Bedeutung. Dass eine spezifisch neonazistische Subkultur damit an Attraktivität verloren habe, erweist sich als gefährliche Fehleinschätzung: Seit vergangenem Jahr brandet eine neue Welle junger, gewalttätiger Neonazi-Gruppen auf, die nicht nur stilistisch auf den Spuren der Baseballschlägerjahre in den Neunzigern wandeln. Im Zwielicht sozialer Medien radikalisieren sich Kinder und Jugendliche, planen und begehen schwerste Gewalttaten.

Exemplarisch für dieses neue Phänomen im Rechtsextremismus steht eine Gruppe, die sich »Letzte Verteidigungswelle« nannte. Recherchen von Stern und RTL zeichneten das Bild einer primär online vernetzten Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Deren Anführer, der 21jährige Justin S., soll Kugelbomben in Tschechien beschafft haben, um einen Anschlag auf eine Asyl­­- unterkunft in Senftenberg (Brandenburg) zu verüben. In Altdöbern (Brandenburg) brannte mutmaßlich ein 15jähriger Angehöriger der Gruppe, Elias P., ein Kulturhaus nieder und brüstete sich im Chat mit einem Bekennervideo. In Schmölln (Thüringen) attackierte der 18jährige Yannik M. eine Asylunterkunft mit Silvesterraketen und verkündete online stolz: »So, ihr Juden. Ich bin Yannik … rechter Skinhead. Heil Hitler!«

Die Taten entspringen einer Dynamik, in der sich die Beteiligten gegenseitig in ihrem Hass und ihrer Gewaltbereitschaft zu übertreffen suchen, angetrieben vom Wunsch nach Anerkennung innerhalb der Gruppe und dem Wunsch, Feinde zu vernichten.

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