Die AfD soll Kreide fressen
Über 100.000 Mal sei der Video-Podcast des Kanals Schnellroda binnen eines Tages angeschaut worden, schrieb Ellen Kositza vergangene Woche auf X. Das Video, das eine hitzige Diskussion mit Maximilian Krah dokumentierte, habe, so Kositza, eine Debatte ausgelöst und unschöne Kommentare provoziert – von Beschimpfungen bis zu Tiervergleichen. Allein auf Youtube habe sie mehr als 150 davon löschen müssen, so die Redakteurin der rechtsextremen Zeitschrift Sezession.
Das Ideal »ethnischer Homogenität« will Krah nicht aufgeben. Er lehnt »Assimilation« ab, denn das bedeute »melting pot«.
Das Video hat zweifellos hohe Wellen im rechtsextremen Umfeld der AfD geschlagen. Es zeigt ein Streitgespräch, in dem Kositza und ihr Ehemann, der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek, den AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah zur Rede stellen. Der hatte in jüngster Zeit dafür plädiert, den Begriff »Remigration« nicht mehr explizit im klassisch-völkischen Sinn zu verwenden. Die AfD dürfe nicht mehr den Eindruck erwecken, dass sie auch deutsche Staatsbürger abschieben wolle, wenn diese keine »ethnischen Deutschen« seien.
Das Ideal »ethnischer Homogenität« will Krah freilich nicht aufgeben. Er lehne »Assimilation« ab, denn das bedeute »melting pot«, betont er im Gespräch mit Kubitschek und Kositza. Stattdessen träumt er davon, dass die »Ethnien« in Deutschland klar getrennt in ihren eigenen Enklaven leben würden – so ließe sich die »deutsche Identität« trotz nicht rückgängig zu machender Einwanderung noch retten.
Gegenüber Kositza und Kubitschek führte Krah zu seiner Verteidigung hauptsächlich zwei Gründe an, die ihn zu seinem Vorstoß bewogen hätten. Zum einen habe die AfD mit dem bisherigen Kurs ihr Wählerpotential bei mehr als 20 Prozent der Stimmen ausgeschöpft. Um auf 30 Prozent zu kommen, müsse man vorsichtiger auftreten und gemäßigter erscheinen.
Vermeidung eines AfD-Verbots
Sein zweites Argument scheint Krah indes wichtiger zu sein: die Vermeidung eines Parteiverbots. Dabei stützt er sich vor allem auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 2024, das damals feststellte, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf. In der Urteilsbegründung hieß es, das Gericht sehe hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die AfD ein »ethnisch-biologisches« Volksverständnis vertrete. Vor diesem Hintergrund mahnt Krah zu Vorsicht: Der Begriff »Remigration« bleibe zwar wichtig, müsse aber so definiert werden, dass er nicht eindeutig gegen die deutschen Verfassungsordnung verstoße – sonst mache man sich »massiv angreifbar«.
Mit diesen Positionen sorgt Krah seit Wochen für Empörung, zum Teil in der Partei, vor allem aber im rechtsextremen Umfeld der AfD. Kositza und Kubitschek warfen Krah vor, er übernehme die Sichtweise der »Altparteien« und argumentiere »rechtspositivistisch«. Man dürfe Zugewanderte nicht auf dieselbe Stufe stellen wie »Abstammungsdeutsche«, so Kubitschek. Die AfD dürfe sich nicht anpassen.
Zu den schärfsten Kritikern Krahs zählt der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner. Er warf Krah vor, sich »links zum neurechten Remigrationsdiskurs« zu positionieren. Sellner hatte jahrelang versucht, den Begriff »Remigration« zu etablieren, bevor dieser im Januar 2024 durch die Correctiv-Recherche größere Bekanntheit erlangte. Correctiv hatte berichtet, dass Sellner vor finanzstarken Spendern Pläne ausgemalt habe, »die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln« – inklusive »nicht assimilierte Staatsbürger«.
»Remigrations-Kraftgemeiere«
Die Funktionärsriege der AfD hingegen hält sich weitestgehend zurück. Einer der wenigen, der ihrem Parteikollegen öffentlich widersprechen, ist René Aust, der die AfD-Delegation im Europäischen Parlament anführt. »Es heißt Alternative für Deutschland, nicht Alternative für eine deutsche Minderheit in einem Vielvölkerstaat«, schrieb er auf X. Andere unterstützten Krah, darunter Hans-Thomas Tillschneider, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt. Er bezeichnete das gesamte »Remigrations-Kraftgemeiere« als »sachlich und strategisch falsch«.
Schon Anfang vergangenen Jahres, nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, war es über die inhaltliche Auslegung des Begriffs zu Konflikten gekommen. Der AfD-Bundesvorstand reagierte damals mit einem Positionspapier, wonach man »nicht zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund« unterscheide, sondern sie unabhängig von »Herkunft, Abstammung, Weltanschauung oder Religionszugehörigkeit« betrachte. Krah folgt in diesem Punkt also der offiziellen Sprachregelung der Partei, die selbst versucht, einem möglichen Verbotsverfahren keine Angriffsfläche zu liefern.
Demgegenüber warnt Philip Stein, Leiter des rechtsextremen Kampagnennetzwerks Ein Prozent, vor einem »neuen Weidelkurs« – das bezieht sich auf die Co-Vorsitzende Alice Weidel –, durch den sich die AfD einem »rechtspopulistischen Mainstream« anpasse. Diese Tendenz habe auch eine außenpolitische Dimension, betonte Stein, und kritisierte etwa, dass manche AfD-Politiker sich positiv über Israel äußerten.
»Dezidiert deutscher Standpunkt«
Noch deutlicher wird Kubitschek in einem Kommentar, den er nach dem Podcast mit Krah veröffentlichte. Dort schreibt er, er wäre bei dem Gespräch mit Krah gerne noch auf die CPAC-Konferenz in Budapest zu sprechen gekommen, bei der Alice Weidel Ende Mai aufgetreten ist. Die Konferenzreihe CPAC – die Conservative Political Action Conference – stammt ursprünglich aus den USA. Das rechtskonservative Vernetzungstreffen findet seit einigen Jahren jedoch auch regelmäßig in europäischen Städten statt. Weidel sei dort »umstellt von konservativen Israelis und jüdischen Amerikanern« gewesen, schreibt Kubitschek und warnt: Die AfD dürfe sich nicht fremden Interessen unterordnen, sondern müsse einen »dezidiert deutschen Standpunkt« vertreten.
Auch der rechtsextreme Autor Benedikt Kaiser erkennt zwar die internationale Aufwertung der AfD durch Weidels Teilnahme an, kritisiert jedoch, CPAC bekenne sich uneingeschränkt zur israelischen Politik – wer dort langfristig mitwirken wolle, müsse sich der »Generallinie« der USA unterordnen.
Noch vor kurzem galt Krah als wichtige Stimme für völkische Positionen innerhalb der AfD. Sein erstes Buch »Politik von rechts« war ein Erfolg für Kubitscheks Antaios-Verlag, ein zweites ist in Planung.
Das neurechte und völkische Parteiumfeld hat offenbar Angst davor, an Einfluss in der AfD einzubüßen. Das erklärt auch, warum dessen Protagonisten so empfindlich auf Krahs Aufrufe zur rhetorischen Mäßigung reagieren. Noch vor kurzem galt Krah als wichtige Stimme für völkische Positionen innerhalb der AfD. Sein erstes Buch »Politik von rechts« war ein Erfolg für Kubitscheks Antaios-Verlag, ein zweites ist in Planung.
Bei aller Kritik hat das Lager um Kubitschek weiterhin Interesse an der Nähe zu einem prominenten Politiker der AfD wie Krah. Wohl auch deshalb bemühte sich Kositza im Anschluss an das Gespräch um Deeskalation. Kubitschek, Krah und sie hätten nach der Videoaufnahme noch einen »sehr lustigen Abend« verbracht, schrieb sie auf X. Denn trotz aller Differenzen müsse klar sein, dass man letztlich an einem Strang ziehe.