25.09.2025
The Diskery ist der älteste Plattenladen Birminghams

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Ein Kleeblatt im Turban

Wie auf allen Reisen besuche ich auch in Birmingham einen Second-Hand-Schallplattenladen. »The Diskery« ist der älteste Plattenladen der Stadt, er eröffnete 1952 in der Bromsgrove Street und zog nur einmal – 1973 – ein paar Türen weiter in die Bristol Street. Als ich am Vormittag dort ankomme, scheint die Sonne. Drinnen sind schon ein paar Kunden, hauptsächlich typische alte weiße Plattenmänner, aber auch zwei US-amerikanische Touristinnen, die nach den Supremes fragen, und Danny, der drahtige alte karibische Mann aus dem Diskery-Team, der gerade kratzende Reggae-Platten auflegt.

Ich gehe wieder raus, um den Laden zu zeichnen. Eilig werfe ich ein paar Striche aufs Papier, denn so viel steht fest, irgendwann regnet es plötzlich wieder. Dann kommt ein weißhaariger Mann heraus und guckt sich um. Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu und spreche ihn an. Liam ist einer des vierköpfigen Diskery-Teams und schon seit 1973 dabei. Ich sage, dass ich zwei Tage vorher schon mal da war und noch einmal gekommen sei, um die 40.000 Singles im Keller zu durchstöbern. Dann frage ich ihn, ob ich den Laden zeichnen darf, und zeige ihm mein Skizzenbuch. Er freut sich, bietet mir Tee und Kaffee an und sagt aufmunternd: »Very nice! Keep up the good work.«

You Can Always Tell a Brummie by the Shamrock in His Turban

Ich beeile mich und bin eine halbe Stunde später im Keller. Leider stehen rund die Hälfte der Platten, Singles im picture sleeve, also mit Cover, ungeordnet in den Regalen an der Wand. Der Rest, Singles ohne Bildhülle in sogenannten company sleeves, also einfachen Firmenlochhüllen, ist bereits nach Labels in Kisten sortiert.

Beides ist nervig. Wer sucht schon nach Labels? Die Kisten lasse ich liegen und gehe zu den picture sleeves. Nach zwei Stunden habe ich nur ein Regal geschafft. Erschöpft gehe ich mit rund 40 Platten nach oben in den Laden. »Most of these are one quid each«, meint Liam in breitestem Brummie-Akzent. Die für zwei Pfund legt er auf einen separaten Stapel.

Als er nochmal durchrechnet, weise ich ihn auf die Single »The Car Worker’s Anthem / You Can Always Tell a Brummie by the Shamrock in His Turban« von Don Maclean hin: »This is exactly what I was looking for. A novelty ­record and a local record. From Birmingham.« Leider ist es die einzige Platte aus Birmingham, die ich in der Kürze der Zeit finden konnte.

Liam erklärt mir, dass der Fernsehmoderator und Komiker Don Maclean zu Ruhm und Ehre gekommen und mittlerweile sogar ein Sir Maclean sei. Gelegentlich besuche Maclean aber immer noch The Diskery, wenn er mal wieder nach Birmingham komme.

Mann, ich war diggen im Keller der Diskery! Ist doch klar, dass ich da nur Trash ausgrabe.

Zu Hause präsentiere ich meinen Plattenfund »You Can Always Tell a Brummie by the Shamrock in His Turban« den anderen. Das skurrile Cover und der witzige sozialpolitische Text finden sofort Anerkennung. Der Song aus dem Jahr 1978 thematisiert die modernen urbanen Identi­täten der Birminghamer: Einen Brummie erkenne man am Kleeblatt im Turban. Iren und Inder sind große Einwanderergruppen in Birmingham. Auch viele andere Minoritäten werden im Text erwähnt.

Da kein Plattenspieler zur Verfügung stand, mussten wir uns das Lied leider auf Youtube anhören. Die Enttäuschung der anderen darüber, keinen coolen Punksong zu hören, überraschte mich dann doch. Was hatten sie denn gedacht? Mann, ich war diggen im Keller der Diskery! Ist doch klar, dass ich da nur Trash ausgrabe.

Plattencover