02.10.2025
Die Union bremst beim Klimaschutz

Dem Aus droht das Aus

Langsamerer Ausbau erneuerbarer Energien, Abkehr vom Verbot des Verbrennungsmotors – die Union bremst in der Klimapolitik.

Kritik an der Uno im Allgemeinen und ihren Rolltreppen im Besonderen, wüste Tiraden, viel Prahlerei – da konnte man leicht überhören, dass US-Präsident Donald Trump in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung am Dienstag voriger Woche auch die deutsche Regierung lobte. In Europa, so Trump, stünden »viele Länder aufgrund ihres Programms der grünen Energie am Rande des Ruins«; auch Deutschland sei »in Bezug auf die Energiepolitik auf einen sehr kranken Weg geführt« worden. Doch »dann kam eine neue Führung, die wieder zu fossilen Brennstoffen und Atomkraft zurückkehrte, was gut ist«.

Wie üblich nimmt es Trump mit den Fakten nicht so genau. Die erneute Inbetriebnahme stillgelegter Atomkraftwerke hatte unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch im Wahlkampf gefordert, doch sind die Kosten schlicht zu hoch. Im Koalitionsvertrag ist daher von einer Rückkehr zur Atomkraft keine Rede. Dort heißt es auch: »Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen« – eine nur scheinbar klare Aussage, denn zu Zielen zu stehen, bedeutet nicht notwendigerweise, sie »whatever it takes«, wie es Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für die Verteidigungspolitik formulierte, auch zu erreichen.

»Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen« – eine nur scheinbar klare Aussage, denn zu Zielen zu stehen, bedeutet nicht notwendigerweise, sie auch zu erreichen.

Klimapolitisch fragwürdige Tricks wie »hochqualifizierte und glaubwürdige CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern«, also der Ankauf von Zertifikaten für Emissionsreduzierung im Ausland, die auf die deutsche Bilanz angerechnet werden, sind im Koalitionsvertrag bereits vorgesehen. Die Politik von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) verlangsamt zudem den Ausbau erneuerbarer Energien.

Mitte September stellte Reiche den Monitoring-Bericht zur Energiewende vor, dem zufolge der deutsche Strombedarf bis 2030 von derzeit 510 Terawattstunden nicht wie bislang prognostiziert auf 750, sondern nur auf 600 bis 700 Terawattstunden steigen werde – vor allem wegen des schleppenden Absatzes von Elektroautos und Wärmepumpen. Heizung und Verkehr sind jene Bereiche, in denen es mit der »Energiewende«, also der Dekarbonisierung schlecht läuft. Wer zu Klimazielen nicht nur stehen, sondern sie erreichen will, müsste eben hier ansetzen: durch Subventionierung von Wärmepumpen und Elektroautos, was ja durchaus im Rahmen einer kapitalfreundlichen Klimapolitik läge.

Reiche aber nutzte die Gelegenheit, um die »ungesteuerte Stromproduktion durch die Erneuerbaren« zu kritisieren. Der angeblich zu teure Ausbau erneuerbarer Energien soll »markt- und systemdienlich« gesteuert, also verlangsamt werden – schließlich werde ja weniger Strom gebraucht. Entfallen soll etwa die festgesetzte Einspeisevergütung für neue Solaranlagen, zudem sollen, um die Kapazitätsschwankungen bei erneuerbaren Energien auszugleichen, Gaskraftwerke gebaut werden. Investitionen in Kapazitäten und Technologien der Stromspeicherung wären sinnvoller, doch die so gerne beschworene »Innovationsfreude« und »Technologieoffenheit« ist für die Union nur da von Belang, wo mit diesen Schlagworten länger an Nutzung fossiler Brennstoffe festgehalten werden soll – wie etwa bei der CO2-Abscheidung und -Speicherung, die Reiche ebenfalls fördern will.

Verbrennerverbot aufheben

So will die Wirtschaftsministerin »Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit des Energiesystems für unseren Wirtschaftsstandort ins Zentrum rücken«. Dass Verzögerungen beim Klimaschutz sich gesamtwirtschaftlich wegen der jährlich steigenden Kosten von häufiger werdendem Extremwetter samt dazugehörigen Naturkatastrophen nicht rechnen, ist hinlänglich bekannt. Und ob man den Unternehmen mit solcher Zögerlichkeit einen Gefallen tut, ist ebenfalls fraglich, insbesondere im Fall der Autoindustrie, die sich vielleicht gerade noch rechtzeitig zu Investitionen in Elektromobilität bequemt hat.

Anfang September, kurz vor Beginn der Internationalen Automobil-Ausstellung in München, forderte Söder, das ab 2035 geplante EU-weite Verbot für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren aufzuheben. »In vielen Märkten weltweit wird es weiterhin hochmoderne Verbrenner geben«, behauptete der bayerische Ministerpräsident. Doch nicht nur auf dem für die deutsche Autoindustrie unverzichtbaren chinesischen Markt geht der Trend zur Elektromobilität, Äthiopien etwa untersagt bereits die Einfuhr von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, um die Kosten für Energieimporte zu senken und stattdessen den im Land mit Wasserkraft produzierten Strom zu nutzen.

Mitte September sekundierte Söders Parteifreund Manfred Weber, Präsident und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei, des Zusammenschlusses der konservativen Parteien im Europaparlament. Er verspreche »den Europäern das Aus vom Verbrenner-Aus«, denn die »ideologischen Fehler der vergangenen Legislaturperiode müssen korrigiert werden« – das klang schon ein wenig nach Trump. Und die versprochene Korrektur dürfte, sofern Grüne und Sozialdemokratie der Klimapolitik nicht gänzlich entsagen, nur möglich sein, wenn die EVP gemeinsam mit Parteien der extremen Rechten stimmt.

Kampf gegen den Klimaschutz Teil des »Kulturkampfs«

Für die extreme Rechte ist der röhrende Verbrennungsmotor ein unverzichtbares maskulinistisches Symbol, der Kampf gegen den Klimaschutz ist Teil des »Kulturkampfs«. Man kann darüber rätseln, ob Unionspolitiker mit derzeit noch dezenterer Rhetorik als Trump da nur mitziehen, um die AfD zu schwächen, oder Morgenluft wittern für eine Politik, die sie selbst schon immer wünschten. Und darüber, was eigentlich die SPD will, die, man bemerkt es selten, ja im Bund mitregiert.

Jedenfalls hat Trump, dem man einen gewissen politischen Instinkt nicht absprechen kann, auf seine Art den richtigen Punkt getroffen: Deutschland hat nach den USA und China das dritthöchste Bruttoinlandsprodukt der Welt, ist der Staat mit dem größten Einfluss in der EU und hat nun eine neue Führung, die geneigt sein könnte, eine klimapolitische Wende einzuleiten und auch in der EU durchzusetzen. Dies dürfte in den kommenden Jahren geschehen, auch wenn man dabei kein großes Aufsehen erregen wird wollen. Doch wenn der Klimaschutz mit dem »Aus vom Verbrenner-Aus« und anderen Maßnahmen verzögert und hintertrieben wird, läuft es genau darauf hinaus.