Mehr Geld, mehr Träume und weniger Hass
»Mein Bruder hatte nichts, kein Geld, keine Träume, kein Glück, der Hass war gewissermaßen alles, was er besaß.« So schreibt Édouard Louis in seinem autofiktionalen Roman »Der Absturz« über seinen mit 38 Jahren an den Folgen von Alkoholmissbrauch gestorbenen Bruder und das von Gewalt, Homophobie, Rassismus, Misogynie und Chancenungleichheit geprägte Arbeitermilieu, dem beide entstammen.
Frauenschläger und Faschisten werden nicht geboren, sondern gemacht.
Louis entkam dem Milieu wohl auch, weil er sich als Homosexueller gezwungen sah, sich daraus zu lösen. Bereits in früheren Büchern reflektierte er die eigene Familiengeschichte. Sein Bruder scheiterte an fehlender Unterstützung, verdrängten Depressionen und einem System, das sozialen Aufstieg blockiert.
In einer Zeit, in der Männlichkeitswahn und rechte Parolen mehr Anklang finden als Sozialpolitik und Armutsbekämpfung, sind Louis’ schmerzvolle Beobachtungen wichtiger denn je. Frauenschläger und Faschisten werden schließlich nicht geboren, sondern gemacht.
»Evil E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan«
Wer sich mit Klassenkampf, toxischer Maskulinität und vor allem mit einem tief eingeschriebenen Rassismus im Pop auseinandersetzen will, der kommt am HipHop nicht vorbei. In der ARD-Mediathek lohnt es sich gerade, »Evil E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan« von Jermain Raffington und Julian Brimmers anzusehen.
Die Dokumentation zeigt die Geschichte der unbekümmerten Produktmanagerin Eva Ries, die sich beim New Yorker Label Loud um den Wu-Tang Clan kümmerte. Eine Badenerin aus gutbürgerlichen Verhältnissen, die die berühmten »36 Chambers« der wohl einflussreichsten HipHop-Gruppe der neunziger Jahre enterte!
Julian Brimmers und MF Doom
Julian Brimmers, der bei der Dokumentation »We almost lost Bochum« über die Ruhrpott-AG und ihren viel zu früh verstorbenen Rapper Galla Co-Regie führte, hat gerade die deutsche Übersetzung der Biographie der 2020 verstorbenen HipHop-Ikone MF Doom vorgelegt. Das englische Original »The Chronicles of Doom: Unraveling Rap’s Masked Iconoclast« stammt von S. H. Fernando Jr. (Spitzname: Skiz), dem Musiker und Autor, den die auf Next Plateau breakenden Leser:innen vielleicht noch als den Erfinder des Illbient in den neunziger Jahren kennen.
Sein Label Word Sound veröffentlichte Alben des Rappers Sensational, über den eine sehr sehenswerte Dokumentation auf Youtube zu finden ist: »The Rise and Fall of Sensational«. Es ist jedenfalls sehr beglückend, mal wieder in die HipHop-Historie einzutauchen.