02.10.2025
Cancel Culture? Die Moderatorin Julia Ruhs und die angebliche »links-grüne Meinungsmacht«

Staates Funk und Volkes Stimme

Nach drei Pilotfolgen darf Julia Ruhs das Format »Klar«, eine Gemeinschaftsproduktion des NDR und des BR, nicht mehr moderieren – zumindest nicht mehr ständig. In den vom BR produzierten Folgen darf sie bleiben. In der Bericht­erstattung erscheint die junge Moderatorin bereits als Opfer einer »links-grünen Meinungsmacht« – ganz nach dem Titel ihres »Spiegel-Bestsellers«. Eine Kolumne zur medialen Rest­mülltrennung.

Okay, da ist nun also eine Fernsehmoderatorin, die den meisten Leuten bis vor kurzem wohl noch als »Julia wer?« bekannt beziehungsweise eben nicht bekannt war, »gecancelt« worden. Nicht von irgendwem, versteht sich, sondern von der »links-grünen Meinungsmacht«.

Was man sich darunter vorzustellen hat, das erläutert uns die ausgesprochen blonde, junge und rechts gesinnte Dame (die immerhin für die ersten beiden Attribute nichts kann) in einem gleichnamigen Büchlein mit dem Untertitel »Die Spaltung unseres Landes«. Dieses – nennen wir es mal wertfrei: Druckerzeugnis war passenderweise kurz vor dem »Canceln« seiner Autorin an die Buchläden der Republik ausgeliefert und direkt mit dem Aufkleber »Spiegel-Bestseller« dekoriert worden. Da hat sie wohl mal kurz nicht aufgepasst, die sonst so repressive »links-grüne Meinungsmacht«.

Auch dass Julia Ruhs (inzwischen kennt man den Namen) überhaupt Moderatorin eines gemeinsamen Reportageformats von NDR und BR und somit cancelbar werden konnte, hatten die emsigen Zensoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) offenbar verschlafen, weshalb es erst einen Aufstand ihrer Antifa-Bodentruppen (vulgo: NDR-Mitarbeiter) brauchte, um zwar nicht das Format selbst, aber immerhin die Moderatorin abzusetzen.

Dass Julia Ruhs (inzwischen kennt man den Namen) überhaupt Moderatorin eines gemeinsamen Reportageformats von NDR und BR und somit cancelbar werden konnte, hatten die emsigen Zensoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) offenbar verschlafen.

Na ja, auch nicht so richtig. Für den BR darf sie die Sendung weiter moderieren, nur für den NDR nicht. Dort wird sie künftig durch Tanit Koch, die frühere Chefredakteurin des berüchtigten kommunistischen Kampfblatts Bild, ersetzt. Eine Frau, die als linksradikaler Wolf in flauschig-rechtem Schafspelz 2021 die Leiterin der CDU-Wahlkampfkommunikation wurde, um die Kanzlerambitionen Armin Laschets perfide zu hintertreiben (»Jetzt blöd lachen, Armin!«) und der Ampel-Diktatur so den Weg zu bereiten.

Ob die knapp 250 NDR-Angestellten, die sich über Ruhs beschwerten, mit der Neubesetzung zufrieden sind? Man weiß es nicht. In ihrer Kritik war es vor allem um den »öffentlich-rechtlichen Auftrag gemäß NDR-Staatsvertrag« gegangen. Denn in dem steht nicht etwa, er habe »die Aufgabe, auch solche Haltungen abzubilden, Stichwort: Meinungspluralität«, wie es zuletzt sogar Simone Schmollack, die das Meinungsressort der Taz leitet, halluzinierte.

Vielmehr steht darin: »Der NDR hat in seinen Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken (…), für die Friedenssicherung und den Minderheitenschutz eintreten, die Gleichstellung von Frau und Mann unterstützen und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen.«

Fieses Mobbing oder funktionierende innerbetriebliche Debatte?

Das ist ziemlich deutlich. Ebenso wie manch gegenteiliger Satz, den Ruhs in ihrer Kolumne »Regt euch doch auf« im Focus so absondert. »Mehr Gleichberechtigung verstärkt die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, sie ebnet sie nicht ein.« Oder: »Wenn ein Asylbewerber einen Menschen mit dem Messer attackiert, erwartet der Durchschnittsbürger keine wohlfeile Demo gegen ›rechts‹, die die zugewanderte Minderheit vor ›Hass und Hetze‹ schützen soll.«

Oder auch: »Vor zwei Wochen war ich auf der ›Demokratie braucht Dich‹-Demo in München. Nicht zum Mitprotestieren, versteht sich – ich war nur neugierig.« Und im Interview mit dem Cicero erklärte sie noch: »Ich sehe mich in der Mitte der Gesellschaft. Ich habe gesagt: Populismus heißt, nah am Volk zu sein – das ist nichts Schlechtes.«

Nun kann man darüber streiten, ob der Protest der NDR-Kollegen gegen Ruhs als fieses Mobbing zu betrachten ist oder als Beleg funktionierender innerbetrieblicher Debatte. Auch darüber, ob es nicht besser gewesen wäre, ihr die Sendung zu lassen, statt sie zu einer rechtspopulistischen Märtyrerin zu machen, kann man diskutieren.

»Migration – Was falsch läuft«

Was dafür spricht, ist die Berichterstattung über ihre Teilabsetzung, die meist brav Ruhs’ Anspruch rekapitulierte, mit dem neuen Sendeformat Themen anzusprechen, »die bisher ausgeblendet wurden«, um dann beispielhaft mit »Migration – Was falsch läuft«, dem Titel der ersten Folge, das nach den Ergebnissen der Fußball-Bundesliga wohl meistbeschwiegene Thema der Gegenwart zu benennen.

Besser hätte nicht mal Ruhs selbst das AfD-Gerede vom »links-grünen Staatsfunk« füttern können. Und wenn dann sogar in der Taz – die doch, nach Ansicht der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), eigentlich eine linke Version des rechtspopulistischen Portals Nius sein sollte – gemeint wird, es sei Aufgabe des ÖRR, Sendeplätze für rechte Hetze zu schaffen, weil er nur so vermitteln könne, »wie die Stimmung im Land ist und wer die Akteure sind, die welche Stimmung auch immer verbreiten« (Schmollack), dann hat kritischer Journalismus in diesem Land offenbar tatsächlich fertig.

Nicht so Julia Ruhs. Ihre Karriere als rechtspopulistische Investigativjournalistin im ÖRR hat gerade erst richtig begonnen. Ganz nah am Volk. Und auch wenn der links-grün versiffte Duden Populismus ein klein bisschen anders definiert: Das ist ja nichts Schlechtes.