02.10.2025
‍Junta versus Islamisten – al-Qaida-Offensive in der Sahelzone

Angriff der Jihadisten

In der Sahelzone und insbesondere in Mali ist die al-Qaida-Orga­nisation JNIM auf dem Vormarsch. Im Westen Malis greift sie ­chinesische Firmen an.

Paris. Auch Militärdiktaturen sind ineffektiv bei der Bekämpfung von Jihadisten. Diese Lektion lernen derzeit gerade die drei Kernstaaten der Sahelzone – Mali, Burkina Faso und Niger –, die seit 2020, 2022 beziehungsweise 2023 von Militärregierungen geführt werden. Diese hatten sich von Anfang an dadurch zu legitimieren versucht, dass sie nur nach der Macht gegriffen hätten, um die seit dem Beginn der zehner Jahre erstarkten jihadistischen Kräfte in der Region effizienter als die Vorgängerregierungen zu bekämpfen.

Doch derzeit befinden sich die jihadistischen Organisationen auf dem Vormarsch, vor allem die »Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime« (JNIM), die dem internationalen Netzwerk al-Qaida angegliedert ist. Der September brachte ihnen neue Terraingewinne.

Durch ein Treibstoff-»Embargo« versuchen die Jihadisten, die staatlichen Organe im Westen Malis ökonomisch in die Knie zu zwingen.

In der ersten Septemberwoche kündigte die JNIM eine Blockade zweier im Westen Malis gelegener Städte an: Kayes mit 130.000 Einwohnern, gelegen na­he der Grenze zum Senegal, und Nioro-du-Sahel mit 50.000 Einwohner an der Grenze zu Mauretanien. Beide haben strategische Bedeutung, unter ­anderem weil sie an wichtigen Ausfallstraßen und Verkehrsverbindungen liegen. Zu diesen gehören im Falle von Kayes, der Hauptstadt der im Westen des Landes gelegenen Ersten Verwaltungsregion Malis, die Straße Route nationale 1 (RN1), der Zugang zur Kreuzung von RN3 und RN25 sowie die Bahnlinie von der malischen Hauptstadt Bamako nach Dakar, der am Atlantik gelegenen Hauptstadt des Senegal, die einen wichtigen Meerzugang für Mali darstellt. 70 Prozent der Importe Malis werden über den Landweg von Dakar und der Atlantikküste aus transportiert. Täglich verkehren 2,7 Millionen Tonnen Waren auf dieser Strecke.

Eine Woche lang attackierten Kämpfer der jihadistischen Organisation alle Lastkraftwagen, die auf eine der beiden Städte zusteuerten. Einwohner fürchteten daraufhin, es könnte ein Mangel an Nahrungs- und anderen Grundbedarfsmitteln eintreten.

Die JNIM fordert seitdem von der Bevölkerung im Westen Malis vor allem, ein »Embargo« einzuhalten, um die Lieferung von Treibstoff an die beiden Städte zu verhindern. Auf diese Weise versuchen die Jihadisten, die staatlichen Organe im Westen des Landes ökonomisch in die Knie zu zwingen. Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos interviewte am Montag voriger Woche einen senegalesischen LKW-Fahrer namens Birmane Ndiaye, der zu den jüngsten Opfern der jihadistischen Attacken zählt. Ihm zufolge schossen Maskierte mit Sturmgewehren auf die Reifen seines LKWs, nachdem er einer Aufforderung zum Anhalten nicht nachgekommen war, und nahmen ihn kurzzeitig gefangen, ließen ihn jedoch nach einigen Tagen wieder frei.

Ökonomische Präsenz Chinas in Mali gefährdet

Zudem griffen Jihadisten im Spätsommer ausländische Investoren an. Beispielsweise zerstörten sie syste­matisch Baumaschinen einer chinesischen Firma, die zwischen Kayes und der senegalesischen Grenze Straßenarbeiten erledigte, und nahmen auf den Baustellen indische sowie chinesische Arbeitskräfte als Geiseln.

Die Regierenden in Bamako schaffen es keineswegs, dieser neuerlichen Eskalation, die unter anderem die ökonomische Präsenz Chinas in Mali gefährdet, Herr zu werden. Von Anfang Juli bis Ende August unternahm die JNIM in den westlichen Grenzregionen insgesamt sieben großangelegte Attacken, danach begann das »Embargo«. Im Vorjahr hatte die Organisation im September bei einem spektakulären Angriff auf den Flughafen der Hauptstadt Bamako ein Präsidentenflugzeug zerstört, ein weiterer Angriff richtete sich gegen die Ausbildungsakademie der Gendarmerie (Militärpolizei) und hinterließ 70 Tote.

Zugleich treibt die JNIM, aber auch die mit ihr konkurrierende Gruppierung »Islamischer Staat im Sahel«, Geld im Namen der Armutsbekämpfung ein – beim IS-Ableger handelt es sich um reine räuberische Erpressung, während die JNIM etwas intelligenter vorgeht, mit einem gewissen Maß an Umverteilung eine lokale Klientel an sich zu binden versucht und zugleich ihren bewaff­neten Kampf finanziert.

2024 töteten Jihadisten im Sahel über 11.000 Menschen

Die jüngste Offensive hat eine neue Qualität, obwohl schon 2024 ein überaus blutiges Jahr war. Le Monde diplomatique zufolge töteten Jihadisten im Jahresverlauf im Sahel insgesamt 11.200 Menschen, die Armee sowie ihre russischen Verbündeten wiederum töteten 2.430 Zivilisten.

Dabei erweist sich der ursprüngliche Plan der Militärjuntas, durch den Einsatz von russischen Söldnern der Firma Wagner beziehungsweise – nach der Umbenennung – des »Afrikakorps« die Jihadisten zu besiegen, als Fehlschlag. In Mali sind die russischen Söldner und die nationalen Behörden sowie die malische Armee längst zerstritten, unter anderem weil die Söldner nicht so viel Profit machen konnten, wie sie es sich erhofft hatten. Wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist ihre Präsenz in Mali zudem schwächer geworden. Das Wochenmagazin Jeune Afrique publizierte Ende September einen Dokumentarfilm von zwei Stunden 40 Minuten Dauer, in dem neun frühere Wagner-Söldner offen und unverblümt über ihre in Mali begangenen Verbrechen berichten. Dabei sparen sie auch nicht mit Spott und Häme für die malischen Soldaten, die sie als »feige« und »inkompetent« abkanzeln.