Poschardts Neue Klasse
Seit Monaten tourt Ulf Poschardt mit seinem Anfang des Jahres erschienen Pamphlet gegen das deutsche »Shitbürgertum« durch die Podcasts und Youtube-Shows der Republik. Dort erzählt der Welt-Herausgeber von seinem sozialdemokratischen Elternhaus, seinem Bildungsweg vom fränkischen Jesuitenschüler zum Doktoranden des akademischen Außenseiters Friedrich Kittler und seinen Erfahrungen mit dem deutschen Medien- und Politikbetrieb.
Sein flott zusammengeschriebener Rundumschlag gegen sozialdemokratischen Etatismus, den Dünkel rot-grüner Akademiker sowie eine konformistische Zivilgesellschaft und Publizistik ist nicht zuletzt eine Abrechnung mit dem eigenen Milieu. Das zunächst im Selbstverlag erschienene Büchlein verkaufte sich bereits nach kürzester Zeit über 40.000 Mal, so dass der Westend-Verlag im April eine gebundene Neuauflage besorgte. Mittlerweile kann der geneigte Leser zudem im »Shitbürgertum«-Webshop Fanartikel wie Basecaps und Kaffeetassen in libertärem Gelb erwerben.
Der kurzweilige und wütende Text – der Autor möchte ihn als »Doppio Espresso ohne Milch und Zucker« verstanden wissen – hat durchaus treffende Pointen und Beobachtungen, begibt sich aber im Verlauf immer wieder auf Abwege. So liefert Poschardt zu Anfang einerseits eine treffende Kritik des Antisemitismus der linken Nachkriegsintellektuellen. Andererseits verfällt er immer wieder in hagiographische Lobeshymnen über den Tantrasex-Lehrer und »belesenen Ökonomieprofessor« Javier Milei und möchte in Elon Musk unbedingt den nietzscheanischen Nihilisten und kreativen Zerstörer erblicken.
Heutige Linke haben es Ulf Poschardt und der populistischen Rechten überlassen, die Mentalität der Mittelklasse und die typischen Ansichten der akademisch Gebildeten zu kritisieren.
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