Sick of It All
Jetzt ist es wohl für dieses Jahr vorbei mit dem Sommer. Die lauen Nächte, die Nachmittage am See und die heißen Bürotage sind Geschichte. Es kommt der Herbst und damit die Erkältungszeit. Die ersten haben schon wieder eine Grippe oder Covid-19. Die Kinder husten und schnupfen seit vergangener Woche und voraussichtlich bis zum nächsten März.
Auch auf die Fehlzeiten am Arbeitsplatz wirkt sich die Jahreszeit aus. Gerade im Herbst führen die Atemwegserkrankungen die Statistik der Krankmeldungen an. Und die steigen genauso, wie die Lust am Arbeiten sinkt. Aber nicht häufiges Blaumachen ist der Bundesärztekammer zufolge der Grund für die Fehlzeiten, sondern vermehrte Infektionen. Auch wegen der Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU) seien die Krankmeldungen in den vergangenen Jahren gestiegen.
Wer sich am Montag bei der Vorsitzenden zum Beispiel telefonisch krankmeldet, muss sich spätestens am Donnerstag von seiner Ärztin krankschreiben lassen. Das ist, ob auf Papier oder digital, rückwirkend bis zu drei Tage möglich. Dass aber weniger Papierkram und bloße Faulheit zu mehr Krankschreibungen animieren, ist kaum vorstellbar.
Krank werden Menschen, wenn sie erschöpft, einsam und vor allem arm sind.
Friedrich Merz warnte zwar: Mit einer Viertagewoche und übertriebener Work-Life-Balance sei der Wohlstand nicht zu halten. Aber auf den Wohlstand und dessen Verteilung müsste er wohl nochmal einen genaueren Blick werfen.
Krank werden Menschen nämlich, wenn sie erschöpft, einsam und vor allem arm sind. Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status haben höhere Erkrankungsrisiken und sterben durchschnittlich früher als jene mit hohem sozioökonomischem Status.
Nach Angaben der Bundesregierung beträgt die Lebenserwartung von Männern in Sachsen-Anhalt 75,5 Jahre – das ist der bundesweit niedrigste Wert. In Baden-Württemberg seien es dagegen 79,6 Jahre. Die Befunde einer europaweiten Studie weisen darauf hin, dass sich die gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland in den zurückliegenden Jahrzehnten sogar noch weiter verstärkt hat.
Lohnarbeit hat nur bedingt etwas mit Wohlstand zu tun
Die Krankenkasse BKK stellt das in ihrem monatlichen Datenreport sehr anschaulich dar: Bayern und Baden-Württemberg weisen im Bundesvergleich unterdurchschnittliche Fehlzeiten auf, während Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bis zu 27 Prozent mehr Krankschreibungen verzeichnen als der Durchschnitt.
Was das mit Armut zu tun hat, liegt auf der Hand. Bayern und Baden-Württemberg gehören zu den reichsten Bundesländern und denen mit der niedrigsten Bürgergeldquote. In Sachsen-Anhalt sind 22,3 Prozent armutsgefährdet.
Dabei hat Lohnarbeit ja auch nur bedingt etwas mit Wohlstand zu tun. Auch wenn Leistung und Produktivität im Kapitalismus als erstrebenswert gelten – reich, glücklich und gesund machen sie jedenfalls nicht.