Die Flotille für die Geiseln
Tel Aviv. Freitagmorgen: Kisten mit frischer Challah sind an Bord, doch sind sie heute nicht für Greta Thunberg und ihre Kumpan:innen. Deren »Selfie-Boote« wurden bereits tags zuvor, an Yom Kippur, gestoppt und werden weder in Gaza noch in Tel Aviv anlegen.
Hier in der Marina von Tel Aviv heißt es heute »Leinen los« für die Angehörigen- und Presseboote der Israeli Flotilla für die 48 Geiseln, die nach wie vor von der Hamas und mit ihr kooperierenden Terrororganisationen im Gaza-Streifen festgehalten werden. Diese Flotilla, die von den verschiedenen Gruppen zur Unterstützung der Geiseln unabhängig sei, wie ein Organisator betont, wird nicht wochenlang unterwegs sein, nicht die Schlagzeilen der Weltmedien füllen und keinesfalls von Unterstützer:innen mit teils gewalttätigen Aktionen flankiert werden.
Ein Organisator der Flotilla war der »Grüne Prinz« Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Mitgründers Sheikh Hassan Yousef; er war 1997 aus der Westbank nach Israel geflohen.
Aber von vorne. In den letzten Septembertagen tauchte auf Social-Media-Plattformen ein Aufruf des »Forum for the Promotion of Sailing in Israel« zu einer Flotilla von »echten Segler:innen« für den 3. Oktober auf. Unter dem Motto »Befreit zuerst die Geiseln und die Lage wird für alle besser sein« wolle man auf dem Wasser demonstrieren.
Diese Parole greift implizit die in Israel weitverbreitete Kritik an der Regierung Benjamin Netanyahus auf, sie konzentriere sich nicht auf die Befreiung der Geiseln, sondern auf die Fortführung des Kriegs zur Erreichung strategischer Ziele. Explizit sollte bei der Aktion am 3. Oktober unter blau-weißer Fahne Einheit für die Geiseln gezeigt werden.
Am 28. September berichtete die Jerusalem Post, der ursprüngliche Plan der Geiselbefreiungs-Flotilla habe vorgesehen, in Sichtweite der sogenannten Selfie-Boote der Sumud-Flotilla zu segeln. Diese sollten aber nicht gestoppt werden, da dies hoheitliche Aufgabe der israelischen Marine sei. Offenbar wurde für eine so weit von der Küste entfernte Segelparade keine Genehmigung erteilt, so dass die Aufrufe schließlich eine Aktion in Sichtweite der Strände Tel Avivs und der dort gelegenen US-Botschaft ankündigten. Da die Boote der Sumud-Flotilla überraschend schnell am Mittwochabend und Donnerstag gestoppt worden waren, war es rückblickend eine sinnvolle Entscheidung.
Unterstützung für Donald Trumps Vorschlag zur Freilassung aller Geiseln
Ein Organisator der Israeli Flotilla war der »Grüne Prinz« Mosab Hassan Yousef, als Kontaktpersonen für das Segelforum wurden Izzy Suissa und Ron Bermetz, für Medienkontakte Eitan Friedlander und für die Familien der Geiseln Ayelet Vaknin genannt. Yousef, Sohn des Hamas-Mitgründers Sheikh Hassan Yousef und selbst ehemaliges Mitglied der Terrororganisation, war 1997 aus der Westbank nach Israel geflohen und dort zehn Jahre lang als wichtige Quelle für den israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet tätig.
Yousef spricht, in einer kritischen Übernahme des von Edward Said bekannt gemachten Begriffs, von palestinianism als einer politisch-religiösen Ideologie, die allein auf Opfererzählungen basiere und einen Kult des Märtyrertums hervorgebracht habe. In einem Interview nach der Segelparade sagte Mosab Hassan Yousef, er lehne zurzeit die Anerkennung eines Staats Palästina ab, da nicht klar sei, »wem man diesen Staat gebe«.
Zudem sieht er einen »jihadistischen Kulturkampf« gegen den Westen als tatsächlichen Beweggrund hinter der Forderung nach einem Staat. Yousef unterstützt, wie die Mehrheit in Israel, den Vorschlag von US-Präsident Donald Trump zur Freilassung aller Geiseln und einem Ende des Kriegs. Allerdings äußerte er sich auch zustimmend zu Trumps Idee der Deportation aller Bewohner:innen des Gaza-Streifens in arabische Länder. Yousef wird wegen solcher Positionen häufig kritisiert und ist durchaus umstritten.
Rund 250 Wasserfahrzeuge folgten dem Aufruf
Die Israeli Flotilla war nicht die erste politische Aktion des Segelforums auf dem Meer. So organisierten Suissa und Bermetz 2022 einen Törn mit 35 Schiffen in die Türkei, um sich für die Vereitelung eines iranischen Terrorplans gegen israelische Touristen in Istanbul zu bedanken. Mit Eitan Friedlander war ein Segel-Olympionike von 1984 beteiligt.
1972 wurde er mit seinem Partner in Travemünde Jugendsegelweltmeister auf der 420er Jolle. Die Jugend-WM endete zwei Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in München, die wegen der Ermordung von elf israelischen Sportlern und Trainern durch die palästinensische Terrorgruppe »Schwarzer September« in Erinnerung bleiben.
Dem Aufruf zur israelischen Flotilla folgten laut Friedlander rund 250 Wasserfahrzeuge, von SUP-Boards für Stehpaddler über Kajaks, Jetskis und Jollen bis zu Segeljachten, insgesamt nahmen etwa 700 Personen teil. Angesichts der 600 Mitglieder des israelischen Jachtclubs war Friedlander sehr zufrieden. Vor allem betonte er den (Sports-)Geist aller Beteiligten und die positive Reaktion der Angehörigen.
»Hostages first«-Schilder in Hellblau-Weiß
Das aus der Marina gestartete Angehörigen-Boot traf auf die aus dem Norden, aus Tel Aviv-Reading, kommenden Fahrzeuge, wurde von ihnen begrüßt und als Zeichen der Solidarität mehrfach umkreist. Dort an Bord waren unter anderem Angehörige und Unterstützerinnen der von Hamas und Co. ermordeten Geiseln Uriel Baruch und Ran Gvili sowie der noch in Geiselhaft befindlichen Evyatar David, Guy Gilboa-Dalal, Bar Abraham Kuperstein und Avinatan Or.
Die teilnehmenden Wasserfahrzeuge hielten sich an die offenbar den Differenzen zwischen den unterschiedlichen Unterstützungsgruppen geschuldete Aufforderung, »Politik zu Hause« zu lassen. Die Boote trugen einheitliche »Hostages first«-Schilder in Hellblau-Weiß.