Fließband, Rolltreppe, Tretmühle – Endlose Ketten
Am Anfang dieses Buches stand ein Bild, das sich mir einbrannte, als ich die Avenue de la République in Paris zum Friedhof Père-Lachaise hinauflief. Auf der linken Straßenseite befand sich ein Gebäude im Haussmann-Stil, durch dessen große, leicht beschlagene Fenster im ersten Stock man mehrere Gestalten erahnen konnte, die nebeneinander auf nicht zu erkennenden Geräten ihr Lauftraining absolvierten. Im Erdgeschoss ein auf Hightech gestyltes Geschäft, eingerahmt von zwei Schaufenstern mit Blumenkränzen und Urnen. Die Schilder beseitigten jeden Zweifel: In der oberen Etage befand sich ein Fitnessstudio, darunter ein Bestattungsunternehmen. Eine wuchtige Baumkrone ließ es nicht zu, das skurrile Duo auf einem Foto zu verewigen. Aber die Idee war geboren und holte mich immer wieder ein: ein Bestattungsinstitut, darüber ein Fegefeuer der körperlichen Ertüchtigung, in dem verblichene Seelen wie schwerelos auf der Stelle joggen.
Nachhaltig fasziniert von der Fata Morgana dieses Jenseits und der Tradition eines magischen Materialismus verpflichtet, begann ich nach und nach, für das Laufband einen Fetisch zu entwickeln, wie ich ihn für viele befremdliche Geräte pflege. Verkörperte es nicht die resiliente Morbidität des unmittelbar gegebenen Heute, seine ewige Trauerarbeit, seine Pseudofortbewegung ohne Bodenhaftung? Ich musste an den Titel eines Romans von Will Self denken: »Wie Tote leben«. Wie sollte man beim Anblick dieser Verstorbenen im Leerlauf-Sprint nicht ins Phantasieren geraten?
Die Geschichte des Laufbands verläuft weitaus holpriger, als das Credo eines geradlinigen Fortschritts uns glauben machen will.
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