Keiner will ackern
Es läuft nicht rund für die Regierung Donald Trumps in den Vereinigten Staaten. Ende voriger Woche veröffentlichte das Arbeitsministerium eine außergewöhnliche Erklärung, die die Washington Post als »obskures Dokument« bezeichnete, das da ins Amtsblatt der Bundesregierung eingereicht worden war. Darin hieß es, »die fast vollständige Einstellung des Zustroms illegaler Einwanderer« bedrohe »die Stabilität der heimischen Lebensmittelproduktion und die Preise für US-Verbraucher«.
Wer hätte das gedacht? Trumps Landwirtschaftsministerin Brooke Rollins hatte zwar vollmundig verkündet, die Arbeitskräfte in US-Agrarbetrieben würden infolge der Massenabschiebungen in Zukunft »zu 100 Prozent amerikanisch« sein. Nix wars. Dem Arbeitsministerium zufolge sind US-amerikanische Arbeitskräfte nicht bereit, in der Landwirtschaft zu arbeiten, zudem fehlen ihnen die Fähigkeiten, um die Arbeitsplätze zu besetzen, die von undokumentier-
ten Einwanderern aufgegeben werden.
In diesem Jahr hat die berüchtigte Einwanderungs- und Zollbehörde ICE bereits etwa 150.000 Menschen abgeschoben, die sie nach brachialen Razzien und Kontrollen an den Grenzen sowie in Großstädten wie Los Angeles und Chicago eingesackt hatte.
Kurz: Nach Angaben des Arbeitsministeriums gefährdet die brachiale Einwanderungs- und Abschiebepolitik der US-Regierung die Lebensmittelversorgung und US-amerikanische Arbeiter sind nicht bereit, die – gefährlichen, körperlich anstrengenden und schlecht bezahlten – Arbeitsplätze in der Landwirtschaft anzunehmen.
In diesem Jahr hat die berüchtigte Einwanderungs- und Zollbehörde ICE bereits etwa 150.000 Menschen abgeschoben, die sie nach brachialen Razzien und Kontrollen an den Grenzen sowie in Großstädten wie Los Angeles und Chicago eingesackt hatte. Vorige Woche erschossen ICE-Agenten den 38jährigen Silverio Villegas Gonzalez in einem Vorort von Chicago, den Mitarbeiter der Behörde später als criminal illegal alien bezeichneten.
Er war das erste Todesopfer einer immer aggressiver auftretenden ICE, die in vielen Städten Proteste provoziert. Videos von Demonstranten in lustigen Froschkostümen vor einer ICE-Einrichtung in Portland machten Furore in den sozialen Medien, während Trumps Regierung sehnlichst auf bürgerkriegsähnliche Bilder aus der eher links geprägten Stadt gehofft hatte, um in immer mehr Städten ungehindert die Nationalgarde oder die Armee einsetzen zu können und ihre politischen Gegner damit einzuschüchtern.
Auch Maga-Anhänger unzufrieden
Doch auch Maga-Anhänger äußern sich unzufrieden mit der Regierungspolitik. Um einem »anhaltenden und systemischen Mangel an einer ausreichenden Anzahl qualifizierter, geeigneter und interessierter amerikanischer Arbeitnehmer« in der Landwirtschaft durch das Anheuern schlecht entlohnter Wanderarbeiter abzuhelfen, hatte die US-Regierung Anfang Oktober eine weithin kritisierte neue Regelung eingeführt, wie das Arbeitsministerium die Löhne für saisonale Wanderarbeiter, Landarbeiter mit dem sogenannten H-2A-Visum, berechnet. Diese Regelung ermöglicht es den Landwirten, Wanderarbeitern weniger Lohn zu bezahlen, und verlagert in der Regel die Kosten für die Unterbringung von den Arbeitgebern auf die Wanderarbeiter.
US-amerikanische Landwirte machen von diesem H-2A-Visaprogramm ausgiebig Gebrauch, im Geschäftsjahr 2024 registrierte das Arbeitsministerium rund 390.000 Stellen für die Landwirte. Aber die Einwanderungsgegner unter Trumps Anhängern verurteilen die neue Regelung: Sie würde dazu führen, dass Landwirte stärker auf ausländische als US-amerikanische Arbeitskräfte oder Automatisierung zurückgriffen. Gewerkschafter hingegen kritisieren, die Regelung werde die Löhne für alle Landarbeiter senken; das stehe im Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Regierung, US-Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Zudem ist die Anzahl der Neueinstellungen mit knapp 205.000 in diesem Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 2009, inmitten der Finanz- und Wirtschaftskrise nach dem Kollaps der Lehmann Brothers im Jahr zuvor; ein Minus von 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen und sollten gar, wie es sich andeutet, Nahrungsmittelengpässe auftreten, ist fraglich, ob die Regierung Trumps dies weiterhin durch Bespaßung ihrer Anhängerschaft mit Militäreinsätzen in den Städten und Terrorisierung ihrer politischen Gegner kompensieren kann.