Lieber Franz Josef Wagner,
seit Sie am 7. Oktober im Berliner Franziskus-Krankenhaus eingeschlafen sind, schreiben Sie im Himmel, teilte uns Bild in einem Nachruf mit, in dem Sie als »Poet« verewigt werden. Obwohl Sie eitel waren, glaube ich nicht, dass es Ihnen gefallen hätte, so eingeordnet zu werden. Sie waren eher ein Gossenschreiber als ein Dichter, und wenn schon ein Engel, dann ein gefallener.
Sie haben sich nie dafür geschämt, dass Ihre Karriere sich im stilistischen Pendelschwung zwischen Rolf Eden und Karl Kraus, Kurt Tucholsky und Dieter Bohlen entwickelte. Die Grenzen zwischen hoher und niederer Kultur haben Sie nie respektiert. Dem Boulevard haben Sie gelauscht wie Rilke einem umarmenden Reim, Hölderlins Dithyramben waren Ihnen nicht mehr und nicht weniger wert als die Schlager von Udo Jürgens (an dessen Autobiographie »Smoking und Blue Jeans« Sie als Ghostwriter mitwirkten).
Wer weniger arrogant und erfolgreich war als Sie, hat sein Brot damit verdient, Sie schlechtzumachen.
Sie waren überheblich banal und respektlos egalitär. Sie konnten eine Exzellenz ein Arschloch nennen und einen Idioten ein Genie. Sie wussten, dass Schmutz und Glamour unter den Geschlechtern, Klassen, Nationen und Generationen demokratisch verteilt sind.
Wer weniger arrogant und erfolgreich war als Sie, hat sein Brot damit verdient, Sie schlechtzumachen. Dass die Taz Sie »cholerisch, viril, impulsiv, reaktionär, hysterisch, zynisch, chaotisch, mithin unerträglich« nannte, war eine Auszeichnung. Als Chefredakteur von Bunte und B.Z., »Chefkolumnist« von Bild und Mitgründer von Superillu waren Sie Lieblingsfeind aller, die den Hass auf »Sensationsjournalismus« für einen untrüglichen Ausweis aufgeklärten Linksseins halten.
Dass Sie Ihre Laufbahn ohne Schulabschluss begannen, Ihnen gelungene Formulierungen nicht als Ergebnis von Inspiration, sondern von Arbeit galten, Sie 1973 aus Israel über den Yom-Kippur-Krieg berichteten – all das zählt für die Verächter der »Springer-Presse« wenig im Vergleich damit, dass Sie Kind Sudetendeutscher und Katholik waren, prominente Frauen beleidigten (Eva Herman nannten Sie »dumme Kuh«) und nichts daran fanden, sich langweilige Interviews interessantzufälschen (so eines mit Tom Cruise über dessen vermeintliche Zeugungsunfähigkeit).
Dass Sie Prominenten beim Bücherschreiben halfen, gehörte zu Ihren sympathischen Charakterzügen: Ghostwriter dürfen sich heute nicht mehr so nennen – sie heißen Lektoren oder Redakteure –, während konforme Kritiker sich ihren Sermon aus Social-Media-Versatzstücken zusammenklauben. Sie hingegen standen für alles, was Sie richtig und falsch machten, mit Ihrem Namen ein, und bedienten sich im Guten wie im Schlechten statt der Künstlichen der fehlbaren menschlichen Intelligenz.
Herzlichst,
Ihr Magnus Klaue