Es ist, als hätte ein gütiger Weltgeist dafür gesorgt, dass den Deutschen genug Zeit bleibt, ihre postnazistischen Konflikte auszutragen, durchzuwalken und zu kurieren, um sich dann, stinknormal geworden, unauffällig in den weltweiten Reigen einer allgemeinen Faschisierung einzureihen. Deutsche Nazis bestechen noch nicht mal mehr mit Originalität und die ordinären Antisemiten haben es hierzulande sogar vergleichsweise schwer. Wolfgang Schäuble durfte als Finanzminister zwar Griechenland drangsalieren, aber die EU-Integration scheint bislang nicht wie befürchtet zum Sprungbrett neuer deutscher Weltmachtphantasien zu werden. Friedrich Merz will zwar die »stärkste Armee Europas«, macht aber auf internationalem und europäischem Parkett doch nur eine blasse Figur. Gibt es also 35 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur BRD jenseits der allgemeinen Kritik an Staat und Nation wenig Grund dafür, dem deutschen Michel am Zeug zu flicken? Das wollte die »Jungle World« anlässlich der Feierlichkeiten am 3. Oktober zu 35 Jahren Deutsche Einheit wissen.