Montag, 18.06.2018 / 07:56 Uhr

Tequila, Tacos und ein Tor

Von
Julia Hoffmann
Der entspannte Partypatriotismus ist überall gefürchtet. Auch in Mexiko.
 
 
 
WM-Blog_mexiko
Schon immer konnte ich meine mexikanischen Freunde und Freundinnen damit aufziehen, wie lausig ihre Fussballmannschaft spielt und welch schlechten und lächerlichen Fußball die Mexikaner abliefern. Stets funktionierte die Provokation und zog eine halb scherzhafte teils sehr ernste Debatte über Fußball, Politik und Nationalismus hinter sich.
 
Tage von dem Spiel Deutschlands gegen Mexiko bot mir ein Freund aus Mexiko alkoholische Getränke an für jedes Tor, das Deutschland erzielen würde. Es sei ihm ganz recht, sagte er, wenn Mexiko diesmal nicht gewinnen würde. Schon gar nicht gegen den Weltmeiseter Deutschland. Zu häßlich seien die Auswüchse nationalisten Freudentaumels, zu vorhersehbar seine Instrumentalisierung im aktuellen Wahlkampf.
 
Am 1. Juli finden in Mexiko Wahlen statt: 3.400 Mandatsträger werden bestimmt, darunter der Präsident, 128 Senatorinnen und Senatoren, 500 Abgeordnete und tausende lokale Vertreter. Die Gewalt in den vergangenen Wochen war bereits verheerend.
 
Die mexikanische Tageszeitung La Jornada berichtet von 140 Morden und mehr als 380 Angriffen auf Kandidatinnen und Kandidaten seit Beginn des Wahlkampfes. Morde an Frauen, Journalisten und Aktivisten nehmen seit Jahren zu.
Gerade jetzt vor den Wahlen fürchten viele Menschen den nationalen Taumel und seine Kraft die drängenden politischen Probleme im tequilageschwängerten Partypatriotismus zu verschleiern.
 
Als der Präsidentschaftskandidat der regierenden Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) Antionio Meade in der offiziellen Fernsehdebatte der Kandidaten kürzlich nach der ökonomischen Gleichstellung von Frauen in Mexiko gefragt wurde, antwortete er:  „In zwei Tagen wird die Fußballweltmeisterschaft beginnen. An dieser Stelle, aus der Welt der Maya, möchte ich unserer Mannschaft Glück wünschen. Auf das sie ein Turnier spielt, dass uns alle sehr stolz macht.“
 
Dass sich vor dem Keuzberger Tacoimbiss dennoch viele mexikanische Fans einfanden, um das Spiel zu sehen, ist nicht weiter verwunderlich.  Und auch der Jubel nach der gewonnen Partie war erwartungsgemäß groß. Der Besitzer gab ein paar Runden Tequila aus und es wurden Fahnen geschwungen. „Nur gut, dass ich jetzt nicht zu Hause bin,“ freut sich meine Freundin aus Mexiko City nach dem dritten Schnaps. „Die Autokorsos wären unerträglich.“