Dienstag, 27.11.2018 / 16:37 Uhr

»Knud gegen Böse«, Teil dreizehn- Kurze Tage

Von
Knud Kohr
November

November, Symbolbild

Eigentlich wäre es am einfachsten, wenn der Autor dieser Zeilen sich ungefiltert von der Realität leiten ließe. Denn draußen vor dem Fenster ist gerade Ende November. Einer der kürzesten Tage des Jahres mithin.

Bereits um kurz nach drei Uhr am Nachmittag scheint irgendjemand das Kommando gegeben zu haben, das Licht zu dimmen.

Am leichtesten wäre es nun also, auf den Balkon zu rollen, um sich am Nachmittag schon vom Tag zu verabschieden. Wenn das noch nicht ausreicht, könnte sich Ihr Blogger einfach per Handrollstuhl unten an die Straße begeben. Spätestens, wenn er sich da wieder einmal klar macht, dass er an einer unheilbaren Krankheit leidet und nie wieder aufstehen wird, um neben den anderen Spaziergängern zu flanieren. Wenn er sich dann noch vergegenwärtigte, dass seine frühere Lieblingskolumne mal „Der Flaneur“ hieß, ja dann... müsste er eigentlich nur noch kurz drücken, um für die Welt um ihn herum ein paar Tränen fließen zu lassen.

Allerdings, liebe Leserschaft, wäre das Ihrem Blogger als Kniff doch ein bisschen zu billig. Woher also eine neue Idee nehmen?

Lassen Sie mich kurz überlegen.

Und da ist auch schon eine.

Vor wenigen Jahren, als er in seine Wohnung einzog, beendete Ihr Blogger seine Nachmittage nicht selten auf der Rollstuhlrampe, die genau von der Außentür seines Wohnblocks schräg nach unten auf die Straße führt.

Die gesamte Strecke hat Ihr Blogger zugegebenermaßen nie geschafft. War vielleicht auch besser so. Denn irgendwo in seinem Hirn lauert noch immer die fixe Idee, dass er einer der wenigen Menschen sein könnte, die sich nicht nur gegen die Multiple Sklerose erheben, sondern sie vielleicht sogar besiegen können.

Liebe Leserschaft! Kann es vielleicht sein, dass Ihr Blogger gerade eben in seiner Kolumne darüber spekuliert hat, eine unheilbare Krankheit zu besiegen? Wahrscheinlich ist es dann am besten, wenn Ihr Blogger sofort und ohne weitere Überlegungen eine Pause einlegt. Sonst kommt er noch auf den Gedanken, Krebs und Aids und den Hunger in der Welt abzuschaffen. Das wäre dann doch ein wenig zu viel auf einmal.

Liebe Leserschaft, schon zum zweiten Mal in diesem Blog habe ich mir erlaubt, Sie einfach allein zu lassen. War kurz unten an der Rampe. Wo ich es tatsächlich schaffte, dreidreiviertel Meter. Zu gehen. Dabei schoss Ihrem Blogger allerdings auch die Erinnerung an ein lange zurückliegendes Weihnachtsfest in Otterndorf-Niederelbe zwischen die Ohren. In dieser Kleinstadt in Niedersachsen lebte Ihr Blogger nämlich, bevor er 1985 wenige Wochen nach seinem Abitur Richtung Berlin aufbrach. Wo er seitdem lebt. Auch jetzt, in seinem Handrollstuhl sitzend, kann Ihr Blogger die Spree fließen hören. Wenn er sich nur gehörig anstrengt.

Im Otterndorf der 80er Jahre hingegen konnte selbst gehörigste Anstrengung nichts an einem Fakt ändern: Heiligabend war der traurigste Tag des Jahres. Sobald überall Adventskränze aufgestellt wurden, sobald die ersten Kerzen irgendwo brannten, fielen drei Generationen in der Familie des Bloggers übereinander her.

Möchten Sie wirklich wissen, was in einer Familie hochkocht, die aus einer mehrfachen Kriegerwitwe, einem mehrfach wegen Vergewaltigung Minderjähriger inhaftierten Körperbehinderten besteht, erweitert um einen Nachbarn namens „Dalli-Dalli“ und dessen Frau Gottfriede, die bis zu ihrem Tod stolz war auf einen Kanon, den sie gemeinsam mit Gotthilf Fischer gesungen hatte?

Glauben Sie mir, liebe Leserschaft, das wollen Sie nicht. Gerade heute, zwischen Volkstrauertag und 1. Advent. Ob es hilft, wenn Ihr Blogger noch einen starken Kräutertee trinkt?

Wahrscheinlich nicht.