Freitag, 02.10.2020 / 18:43 Uhr

Traditionell-sportliche Feindschaft, linke Fanszenen und ein kleines Schweinchen

Von
AM
Traditionsduell des nordostdeutschen Fußballs im Alfred-Kunze-Sportpark

Traditionsduell des nordostdeutschen Fußballs im Alfred-Kunze-Sportpark

Bild:
AM / instagram.com/picke.graetsche.aus

Vor der 2:3-Niederlage bei Spitzenreiter Viktoria Berlin hatte Chemie Leipzig schon im ersten Teil der englischen Woche verloren – mit 0:2 gegen den FC Carl-Zeiss-Jena.

Ausgerechnet gegen den FCC verlor Chemie im heimischen Alfred-Kunze-Sportpark. Dieses Traditionsduell des nordostdeutschen Fußballs war natürlich von einer ganz besonderen Intensität geprägt. Die für dieses Spiel auch wieder zur Verfügung stehenden Tageskarten waren sofort ausverkauft. Jeder wollten dabei sein, wenn ein neuer Abschnitt in der gut gepflegten Feindschaft zwischen Leipzig und Jena hinzugefügt würde.

Warum wir Jena hassen? „Wegen des Schiedsrichters!“ Was historisch aus Leutzscher Sicht stimmig ist, bleibt auch heute noch wahr. Carl-Zeiss war zuletzt nach einem eher schwierigen Start als Absteiger aus der 3. Liga besser in Fahrt gekommen und Chemie nach einem guten Start etwas ins Stolpern geraten, also war mit einem Spiel auf Augenhöhe zu rechnen.

Ein Spiel, in dem die Heimmannschaft wieder einmal kämpferisch auftrat, aber das sie unglücklich herschenkte. 18:8 Schüsse aufs Tor, das zweite Gegentor fiel nur, weil Torwart Benjamin Bellot bis zum Abpfiff quasi an der Jenaer Strafraumkante verweilte. Und selbstverständlich einige äußerst strittige Schiedsrichterentscheidungen. Zwar wurde die Partie nicht abgebrochen wie in der NOFV-Oberliga-Saison 1990/91, als Schiedsrichter Siegfried Kirschen das Ausgleichstor des damaligen FC Sachsen nicht anerkannte und es deswegen Dosen hagelte. Die Lage sollte sich nicht mehr beruhigen, das Spiel wurde abgebrochen.

In der Pressekonferenz bezeichnete damals der aufgebrachte Trainer der Leipziger, Jimmy Hartwig, Schiedsrichter Kirschen als kleines Schweinchen. Hartwig wurde entlassen, das Spiel 2:0 für Jena gewertet. Einige Jahre später kam es zum Showdown in der Regionalliga-Saison 1994/95 auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld. Carl-Zeiss traf als Spitzenreiter auf den Zweitplatzierten Sachsen Leipzig. Zwei zentrale Spieler der Leutzscher waren schon auf dem Absprung – nach Jena. Den FC Sachsen trennte ein Punkt von Jena. Ein Sieg, und Leutzsch wäre in den Profifußball aufgestiegen. Stattdessen ging man in Thüringen mit 1:4 unter.

Soweit also die Begründung der eher traditionell-sportlichen Feindschaft. Aber auch die beiden Fanszenen stehen in ausgeprägter Rivalität zueinander. Was angesichts einer grundsätzlich linken Ausrichtung beider Kurven zunächst verwundern mag. Beide führenden Gruppen (Diablos Leutzsch und Horda Azzuro) entstanden zeitnah zueinander. Also, warum hassen wir Jena? „Sie sind uns halt zu ähnlich“, so eine augenzwinkernde Erklärung. Die andere: „Sie haben uns und anderen halt alles nachgemacht“. Und natürlich: wegen des Schiedsrichters!