Mittwoch, 04.07.2018 / 18:22 Uhr

Kafka im Transitzentrum

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Es gibt einen berühmten ägyptischen Film, der, soweit ich mich erinnere, in den 70er Jahren gedreht wurde und sich über die irren Grenzen zwischen den Ländern der Region lustig macht. Da reist ein Araber aus einem Land aus und wird im nächsten nicht eingelassen, will zurückkehren und erleidet das selbe Schicksal. So fährt er dauernd durch das Niemandsland, dass die beiden Staaten trennt, bis er schlussendlich aufgibt und dort einen kleinen Laden eröffnet und als de facto Staatenloser zu leben beginnt, später dort irgendwie auch heiratet und einfach bleibt.

Die Moral von der Geschichte wäre so einleuchtend wie einfach: Es gibt keine Lösung der so genannten Flüchtlingskrise.

Ein ähnliches Skript könnte man schon jetzt über die von der Union geplanten TZs, also so genannte Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze schreiben.

Asylbewerber, für deren Verfahren andere EU-Länder zuständig sind, sollen an der deutsch-österreichischen Grenze an der Einreise in die Bundesrepublik gehindert werden. Sie werden den Unionsplänen zufolge in Transitzentren gebracht, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden können.

Wer also in so einem TZ landet ist, so die Logik, gar nicht in Deutschland eigereist, befindet sich eigentlich noch in Österreich und soll deshalb auch den Rest der Alpenrepublik jederzeit wieder betreten können:

Die Union argumentiert, dass die Transitzentren nach Österreich offen seien. Jeder dort aufgenommene Migrant hätte die Möglichkeit, sobald er den Wunsch äußert, sofort nach Österreich zurückzukehren, wo er sich ja rechtlich auch noch befände.

Nun finden nachvollziehbarerweise die Österreicher diese Idee gar nicht großartig und erklären, es gäbe von ihnen keinerlei Zusage irgendwen wieder zurück nehmen zu wollen.

Lebte Franz Kafka noch und schriebe heute Drehbücher, ich denke etwas ähnliches würde er verfassen:

Die Österreicher bauen einfach auf der anderen Seite ebenfalls TZs und erklären sie für eigentlich deutsches Territorium. Und allabendlich schieben dann die Deutschen Flüchtlinge aus ihrem österreichischem TZ-Territorium über die Grenze in das österreichische TZ, das eigentlich deutsches Territorium ist. Der Held der Geschichte wird also jeden Tag von Deutschland nach Österreich und gleichzeitig von Österreich nach Deutschland abgeschoben. Befindet er sich in Deutschland, erklären ihm die Polizisten, er sei eigentlich in Österreich und umgekehrt. Leider nur gibt es zwischen beiden Ländern, anders als in der arabischen Welt, nicht diesen Streifen Niemandsland, er kann also nicht einmal dort seine Zelte aufschlagen und ein neues Leben beginnen. So bleibt ihm nichts, als jeden Tag erneut auf den Grenztransfer zu warten, der ja angeblich gar keiner ist.

Die Moral von der Geschichte wäre so einleuchtend wie einfach: Es gibt keine Lösung der so genannten Flüchtlingskrise, wenn erst Dutzende von Millionen Menschen als de facto Staatenlose irgendwo unterwegs sind und die überwältigende Mehrheit von ihnen, selbst wenn man es noch so wollte, nirgendwohin abgeschoben werden kann, einfach weil niemand diese Menschen haben will oder sie aus kluger Voraussicht ihre Papiere vernichtet haben, und nicht einmal bekannt ist, aus welchem Land sie eigentlich stammen.

Die einzige Lösungen bestünden darin, die Verhältnisse abzuschaffen bzw. zu ändern, die Millionen Menschen zu Flüchtlingen und Staatenlosen machen. Oder aber in letzter Konsequenz, sie schlicht irgendwo wegzusperren wie Kriminelle oder gleich zu vernichten. 

Glücklicherweise sind diese Transitzentren nur ein zahlenmäßig völlig irrelevanter Nebenkriegsschauplatz, der einzig die ganze Absurdität der ganzen Angelegenheit demonstriert, denn laut Polizeiangaben passieren maximal 15 Personen täglich ohne gültige Papieren diese Grenzen.