Montag, 13.08.2018 / 22:07 Uhr

Lira-Krise in der Türkei: “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”

Von
Silas Gudea

Wenn etablierte volkswirtschaftliche Praktiken auf anatolische Dorfvorsteherlogik prallen.

Der zehnte August 2018, hat in der  volkwirtschaftlichen Geschichte der Türkei seinen Platz als “schwarzer Freitag” eingenommen. Was war passiert? Die seit Monaten ohnehin taumelnde Türkische Lira, die aufgrund der Überschuldung von Unternehmen und der weiterhin unabsehbaren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Türkei  unter Verkaufsdruck steht, hatte durch einen Tweet des US Praesidenten Trump, wonach der Import von türkischen Stahlprodukten in die USA mit einem doppelten Zollaufschlag belastet werden würde, einen herben Verfall um bis zu 15% erlitten.

Dass sich der türkische Außenminister Çavuşoğlu demonstrativ hinter den Iran gestellt hat, kann daher eher als Grund für Trumps neuerliches anziehen der Daumenschrauben gegenüber der Türkei aufgefasst werden.

Als Begründung für diese unilaterale Aktion Trumps, wurde der Fall des weiterhin inhaftierten Geistlichen Andrew Brunson angeführt, der in seinem beruflich-heimatlichen Domizil Izmir unter Hausarrest steht. Diese Interpretation der Zeitläufe, wurde vor allem von den Medienhaeusern der sogenannten “Zİft Medya”, also aller staatlich kontrollierter und gleichgeschalteter Medien herausposaunt. Dies erfolgte deshalb, um dem eigenen Narrativ, wonach sich die Türkei in einem “unfreiwillig-offenen, international orchestrierten Wirtschaftskrieg” befände, Gehör und Gefolgsamkeit beim eigenen Volke zu verschaffen.

Es wird aber geflissentlich darüber hinweggesehen, dass die US Administration die Sanktionierung aller Staaten, die mit der Islamischen Republik Iran ihre Geschaefte treiben, schon vor einigen Tagen angekündigt hatte. Dass sich der türkische Außenminister Çavuşoğlu demonstrativ hinter den Iran gestellt hat, kann daher eher als Grund für Trumps neuerliches anziehen der Daumenschrauben gegenüber der Türkei aufgefasst werden. Praesident Erdoğan jedoch setzte seinem Narrativ eine weitere Sahnehaube auf, indem er von einer “Opferung der  türkisch-amerikanischen Beziehungen zugunsten eines Geistlichen” sprach. Ein Narrativ, das bei seiner sogenannten “davacı”-Stammklientel besondere Resonanz findet.

Kurzum: Die prekäre Situation um die Türkische Lira hat sich nicht entspannt und das generelle Vertrauen in die türkische Wirtschaft wird den tiefen Imageschaden nur schwerlich in der Kürze beheben können.

Die größte Einbuße musste das türkische Bankwesen einstecken, das zum aktuellen Zeitpunkt, bis zu 15% an Wert verloren hat.

Darüber kann auch das vermeintlich neue “3+1 Wirtschaftsprogramm” des Präsidenten Schwiegersohns nicht hinwegtrügen, welches ohne konkrete Details vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Dass eine Zentralbank ohnehin autark funktionieren muss, haette Finanz- und Handelsminister Berat Albayrak nicht erst regurgirieren müssen. Das ist ohnehin “common sense” in der Finanzwelt. Dass sich nun die verbale Aggression des Schwiegersvaters nicht mehr direkt, sondern indirekt gegen die Türkische Zentralbank richtet, konnte man einer jüngeren Rede Praesident Erdoğans entnehmen.

Bei einer Ansprache vor Unternehmensvertreterinnen und Vertretern in Trabzon (Schwarzmeer Küste) am 12.08.2018, erinnerte Erdoğan die dortigen Multiplikatorinnen und Mulitiplikatoren an ihre gesellschaftliche Verantwortung. Ferner forderte er die Anwesenden auf, ihre Geschäfte nicht mehr mit Krediten auf FOREX-Basis zu finanzieren. Andernfalls werde er auf seine ominösen "B und C Pläne" zurückgreifen.

Was er mit dieser Drohung ausdrücken resp, meinen könnte?

a.) Den Austausch des Managements durch staatlich beauftragte Kommissare,

b.) Die Enteignung der Unternehmen und Einverleibung der Unternehmensmasse in den staatlichen TMSF Fonds.

Wir erinnern uns:

Beide Maßnahmen wurden nach der Zerschlagung des Unternehmenskonglomerats von Fetullah Gülen (FETÖ) und seiner Assoziierten unternommen. Einige Firmenkonglomerate, wie Koza Madencilik und Ipek Investment Ltd., die sich als Opfer einer politischen Intrige sehen, haben bereits das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington angerufen, um Regress und Wiedergutmachung vom türkischen Staat zu fordern. Das obige worst-case Szenario hat Erdoğan am heutigen Tag auf das Schärfste verurteilt und weitere Maßnahmen gegen das Streuen solcher “unhaltbarer Behauptungen” verkündet.

Es ist also nicht verwunderlich, weshalb  der Markt und Handel an diesem Montag panisch reagierte und die Istanbuler Börse einen deutlichen Kursabschlag von zeitweise sieben Prozent erlebte. Die größte Einbuße musste das türkische Bankwesen einstecken, das zum aktuellen Zeitpunkt, bis zu 15% an Wert verloren hat.

Es lohnt sich also doch, getreu dem Ausspruch “Reden ist Silber und Schweigen ist Gold”, einfach mal tief durchzuatmen, dem vermeintlich bedrängten Underdog-Image abzuschwören und auf die Kompetenzen seiner Ministerinnen und Minister und die internationale Gemeinschaft zu bauen. 

So “Allah” will!

Der Autor lebt als freier Publizist in Istanbul