Samstag, 15.05.2021 / 12:18 Uhr

Hilfe für Gaza

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Ob NGOs oder Friedensbewegte, wenn es um Gaza geht, gelten die üblichen Standards nicht mehr

Ich bekomme seit einiger Zeit regelmäßig die neuesten bezahlten Aufrufe zum Spenden von allerlei NGOs in meine Facebook-Timeline gespült. War es bis vor vier Tagen noch Indien, ist es jetzt Gaza.

Und ja, bitte, helft den Menschen in Gaza, die medizinische Versorgung ist katastrophal und in den letzten Tagen wurden viele verletzt und/oder obdachlos.

Nur: Eine Frage hätte ich dann doch. In den letzten Tagen wurden einige tausend Raketen aus Gaza abgeschossen. Die Dinger sind nun auch nicht für 3,50 Euro das Stück zu haben. Die den Gaza Streifen regierende Hamas hatte also das Geld, sich in den letzten Jahren ein riesiges Arsenal zuzulegen, aber offenbar kein Geld, in ein besseres Gesundheitssystem zu investieren. Vielleicht hängt das eine ja auch mit dem anderen zusammen.

 

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Bildquelle: DRK

Da reicht als Beispiel dieses Bild, mit dem das deutsche Rote Kreuz wirbt: Wo sonst ist gleich ein ganzes Fernsehteam zur Stelle, wenn jemand verletzt abtransportiert wird? Jeder weiß: Medien in Gaza sind nicht frei, es herrscht Zensur. Wofür wohl werden diese Bilder später gebraucht? Richtig: Für Propaganda. Wir alle wissen, dass es so funktioniert, in diesem Konflikt ist das alles so selbstverständlich, dass man es nicht einmal zu verbergen versucht

Man könnte dagegen vielleicht ja, während man Geld sammelt, zugleich eine Petition auf Change.org starten, in der man zumindest fordert, dass fortan in Gesundheit, Bildung etc. und nicht Raketen investiert wird. Solche Petitionen lieben NGOs, denn man bekommt Namen und Adressen, die man später wieder wegen weiterer Spendenwerbung kontaktieren kann.

Geschieht nicht. Ich weiß. Ebenso wenig wie je irgendwer auf die Idee kommt, dass, wenn man ein Ende des Krieges will, weil einem das Leben der Zivilbevölkerung am Herzen liegt, man ja auch die Hamas und den Islamischen Jihad auffordern könnte, einfach aufzuhören, mit Raketen zu schießen. Israel hat angekündigt, in diesem Fall sofort alle Bombardements einzustellen. Selbst wenn man die israelische Regierung nun für ein ganz sinistre Angelegenheit hielte, hätte man, sollte Israel seine Ankündigung nicht halten, gute Argumente, die man momentan nicht hat. Denn mit dem Raketenbeschuss hat nun einmal die Hamas begonnen und selbst mit ganz viel Kasuistik lässt sich dieser Fakt nicht aus der Welt diskutieren.

Könnte es also sein, dass es gar nicht so sehr um Frieden, bessere Gesundheitsversorgung etc. geht? Sondern um etwas ganz anderes?

Eben stieß ich auf einer so genannten Palästinasolidaritäts-Seite auf ein Bild von getöteten Kindern in Gaza, die als "kleine Engel" und "Märtyrer für Jerusalem" bezeichnet wurden (leider finde ich es nicht wieder). Nun ist dieser ganze Märtyrerkult schon widerwärtig, aber wenn man nun schon aus Kindern Märtyrer macht, hat man das Ende der Fahnenstange erreicht. Schließlich liegt der Idee des Märtyrertums immerhin zugrunde, dass die Betreffenden eine freie Entscheidung treffen, ihrem Leben für eine höhere Idee zu beenden.

Es sind dies Beobachtungen, die nicht neu sind, sondern Invarianten in diesem Konflikt. Da wird viel von Frieden geredet, aber man kann des Eindruckes sich seit Jahrzehnten nicht erwehren, dass es so vielen in dieser Szenerie so gar nicht um Frieden geht und sie dann jedesmal fast enttäuscht sind, wenn ein Waffenstillstand vereinbart wird.

Danach ist meist auch wenig zu hören über die Lage in Gaza und der Westbank. Leute, die in den letzten Tagen einen Post nach dem anderen zu Gaza veröffentlichen und tun, als könnten sie nicht mehr schlafen, weil das Schicksal palästinensischer Zivilisten ihnen so am Herzen liegt, pflegen oft sehr schnell zu verstummen, wenn der Krieg vorbei ist. Bis zum nächsten Mal.

Und dabei täte es mich wirklich interessieren, was passieren würde, man behandelte diesen Konflikt so wie andere auch und ja, es würden einmal wirklich ein paar Millionen Unterschriften gesammelt und an die Hamas-Führung geschickt, unterstützt von der ganzen üblichen Friedens-Prominenz.  Und aus der NGO-Welt käme die klare Forderung, fortan keine Gelder mehr für Raketen auszugeben. Würde das nicht auch ganz maßgeblich jene Kräfte in Gaza selbst stärken, denen es um etwas anderes geht, als dass ihr Leben, ob sie es nun wollen oder nicht, für Al Aqsa oder was auch immer, aufs Spiel gesetzt wird?

Könnte es sein, dass es auch darum gar nicht wirklich geht? Gestern schickte mir ein Bekannter, der vor einiger Zeit vor der Hamas aus Gaza floh, die Nachricht, dass es zu Repressionen gegen Leute käme, die für ein Ende der Raketenangriffe demonstrieren wollten:

Im Original:

"There is a difficult security situation for people in Gaza. You cannot object to Hamas, because it is liquidating people it is shooting at in the public before the eyes of all the people. This is what makes the residents afraid to object to the continuation of the war."

Ich habe eben gegoogelt, ich fand keinerlei Aufruf zur Unterstützung solcher Kräfte. Dabei wäre es das doch, was eine genuine Friedensbewegung ausmachen sollte. Ebenso wie es die Aufgabe einer jeden kritischen NGO wäre, sich zu fragen, inwieweit sie garantieren kann, dass ihre Hilfe, für die sie jetzt aufruft, nicht dazu missbraucht wird, dass weitere Raketen angeschafft werden können.

Es mag naiv klingen, aber würde man so vorgehen, ich bin sicher sehr viele Menschen dort hätten sogar den Eindruck, man meinte es mit der ständig auf den Lippen geführten Solidarität sehr viel ernster, als dies jetzt der Fall ist. Nur: Seit Jahrzehnten ist relativ klar, dass es leider den meisten, die jetzt "Free Palestine" oder was auch immer auf ihre sozialen Medienseiten packen, um so etwas gar nicht wirklich geht.

Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, worum es ihnen in Wirklich gehen dürfte.