Donnerstag, 04.08.2022 / 12:50 Uhr

In Syrien erprobt: Russischer Kriegsführung gegen Zivilisten in der Ukraine

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Zerstörtes Wohnhaus nördlich von Kiev, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Russland setzt in der Ukraine auf dieselben mörderischen Methoden wie zuvor in Syrien. Oftmals im Visier: medizinische Einrichtungen und Rettungsmannschaften.

 

Schon sehr früh, nur Tage nachdem die russische Invasion in der Ukraine begonnen hatte, sahen sich angesichts des gezielten Bombardements ziviler Ziele in der Ukraine Beobachter an die russische Kriegsführung in Syrien erinnert. Jahrelang hatten dort russische und syrische Kampflugzeuge die zivile Infrastruktur zerstört.

Die Bilder des im März zerstörten Krankenhauses von Mariupol vor Augen, erklärten die Physicians for Human Rights im März 2022 zum gezielten Beschuss von Spitälern:

»Als Kriegsstrategie ist sie effektiv. Sie ist auch illegal. Syrien ist eines der schlimmsten Beispiele für die gezielte Zerstörung medizinischer Versorgung als Kriegswaffe: Seit 2011 wurden Hunderte von Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen angegriffen und fast 900 medizinische Mitarbeiter getötet.«

In Syrien, so der Verdacht, nutzte das russische Militär sogar von den Vereinten Nationen übermittelte Daten von Krankenhäusern in Gebieten unter Kontrolle der Opposition, die eigentlich dem Schutz der Einrichtungen vor Beschuss dienen sollten, um diese gezielt anzugreifen und zu zerstören. Des Weiteren fielen den russischen Bomben unzählige Schulen, Kindergärten und Bäckereien zum Opfer, mit dem Ziel, die Bevölkerung nicht bloß zu terrorisieren, sondern sie ihrer Lebensgrundlage zu berauben.

Da ihr keinerlei Konsequenzen drohte und sie mittels ihres Sitzes im UN-Sicherheitsrat auch nur verbale Verurteilungen durch ein Veto blockieren konnte, störte es die russische Regierung wenig, dass ihr von Menschenrechtsorganisationen und anderen Staaten vorgeworfen wurde, systematisch Kriegsverbrechen zu begehen – das Vorgehen erwies sich aus russischer Sicht als viel zu effektiv und außerdem recht kostengünstig, um sich von irgendwelchen moralischen Einwänden und Appellen an die Menschlichkeit bremsen zu lassen.

So erscheint es nur folgerichtig, dass, was in Syrien erprobt und sich als erfolgreich erwiesen hatte, nun auch in der Ukraine Anwendung findet:

»Oft folgen den russischen Bombenangriffen auf Wohngebiete noch Attacken auf Krankenhäuser. So war es jetzt auch in Mykolaiv. Nach dem Splitterbombenbeschuss vom 29. Juli erzitterte am 1. August das Unfallkrankenhaus unter russischem Beschuss: Zerstört wurden ein Lager für Medikamente sowie Rettungsfahrzeuge.

Ebenso wie zuvor in Syrien greifen die Russen in der Ukraine zu einer mörderischen Methode namens ›double tap‹. Dabei wird in einer ersten Angriffswelle etwa ein Einkaufszentrum in Flammen gesetzt. In einem gewissen Abstand folgt dann eine zweite Bombardierung, um auch die ›first responders‹ zu töten: Sanitäter, Notärzte, Feuerwehrleute, Polizisten, freiwillige Helferinnen und Helfer.

Die CNN-Journalistin Clarissa Ward dokumentierte dieses Muster der Russen bereits im April 2022 in einer Reportage aus Charkiw. Am 20. Juli 2022 legten Menschenrechtler des im Exil tätigen Syria Justice and Accountability Centers die weltweit bislang detaillierteste Studie zu Russlands ›double-Tap‹-Attacken auf humanitäre Helfer in Syrien vor. Titel: When the planes return. 58 menschenverachtende Attacken dieser Art sind detailliert dokumentiert.«