Dienstag, 14.03.2023 / 21:45 Uhr

'Es geht um die Freiheit'

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Bildquelle: Twitter

Iran muss boykottiert werden wie einst Südafrika

Auszüge aus einem Artikel, den Oliver M. Piecha und ich über den Iran im Jahr 2010 schreiben:

Spätestens seit den Wahlprotesten vom Juni 2010 hat es jeder wissen können, dessen Wahrnehmung nicht durch ideologische Filter vollends entstellt war: Die Mehrheit der Menschen im Iran wollen auch nichts anderes als demokratische Wahlen und demokratische Verhältnisse in ihrem Land. Sie wollen die Freiheit, zu sagen was sie denken, und sich zu kleiden, wie sie wünschen. Sie wollen frei sein. So einfach ist das. (...)

Was in den 80er Jahren noch gegenüber dem südafrikanischen Regime eine Selbstverständlichkeit war, nämlich Boykott und Delegitimierung der einen und solidarische Aufwertung der anderen Seite, soll heute illegitime Einmischung sein? Wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Pretoria, die damals als selbstverständliche, geradezu hochmoralische Forderung erachtet wurden, werden nun plötzlich ebenso heftig verworfen, wo es um die Machthaber in Teheran geht. (...)

Die konkreten Maßnahmen, die gegenüber dem Regime in Teheran schnell umgesetzt werden müssten, liegen eigentlich klar auf der Hand: gezielte, verschärfte Sanktionen im finanziellen und wirtschaftlichen Bereich wie im Energiesektor – der Iran ist aufgrund der Misswirtschaft des Regimes bizarrerweise auf Benzinimporte angewiesen. Die Sanktionen sollten sich dabei sehr gezielt gegen das Wirtschaftsimperium der die wie ein mafiöser Parallelstaat operierenden „Revolutionsgarden“ richten. Daneben gilt es, die politischen Kontakte zum Regime – so eine Grundforderung vieler iranischer Oppositioneller – auf ein Minimum zu beschränken.

Der Wandel im Iran ist eine so moralisch wie politisch unumgängliche Forderung. Ohne den großen Bruder in Teheran müsste sich die Hisbollah des Libanon zur normalen Partei wandeln, die Assads könnten in Damaskus endlich ihre Luxuskoffer packen, und ob sich die Hamas dann immer noch so beharrlich einer gewissen Pluralisierung ihres Weltbildes verweigern würde, ist eher unwahrscheinlich. Es geht um nicht weniger als die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens und einen zentralen Baustein zur Befriedung der gesamten Region. Vom iranischen Atomprogramm ganz zu schweigen.

Und der Wandel im Iran wird nicht nur kommen – er hat längst angefangen. Die Agenda jener „grünen Bewegung“, die sich hinter den Galionsfiguren Mussawi und Karrubi angestaut hat, und von säkularen Studentinnen bis hinein ins religiöse Establishment von Qom reicht, ist nicht mehr dieselbe wie direkt nach den Wahlen. Ging es damals um den „Betrug“ und die Forderung nach Neuauszählung oder Neuwahlen, stellt sich mit der Etablierung der Protestbewegung seit dem Herbst zunehmend die Systemfrage.

Die historischen Modelle gibt es

Wieso nicht einfach Hoffnungen auf einen glücklichen Wandel setzen? So bekannt, wie die Forderungen nach Souveränität der Volksvertretung oder nach Gewaltenteilung klingen, so nahe liegen auch die historischen Modelle für den Wandel, den die Menschen im Iran fordern.

Etwa Spanien: Dort ist nach Francos Tod die Macht der katholischen Kirche schnell zurückgedrängt und eine stabile Demokratie unter einem König als repräsentativem Staatsoberhaupt errichtet worden. Was ist mit Südkorea oder Taiwan? Sie alle sind Modelle von Diktaturen, die sich in ihren Weltregionen durch Transformationsprozesse zu vorbildlichen Spitzenreitern in Sachen Menschenrechte, Freiheit und nicht zufällig wohl auch Prosperität entwickelt haben. Und das in vergleichsweise kurzer Zeit.

Und nun betrachten europäische Beobachter erneut staunend, wie sich im Irak, den man längst zum Debakel erklärt hatte, die Verhältnisse zum Besseren wandeln. Warum also immer auf diejenigen hören, die erklären, in diesem oder jenem Teil der Welt seien demokratische, ja freie Verhältnisse nun wirklich nicht denkbar? Was im Irak möglich ist, müsste im Iran mit seiner ganz anderen Geschichte doch um einiges leichter zu bewerkstelligen sein – wenn man es nur will.

Eine Roadmap zur Demokratie

Was allerdings noch fehlt, ist eine Art Roadmap, wie eine Transformation der Islamischen Republik Iran im besten Falle aussehen könnte. Was im Falle Südafrikas mit Hilfe auch westlicher Experten möglich gewesen ist, sollte auch für den Iran in Angriff genommen werden.

Wenn es denn so schwierig geworden sein sollte, Grundlagen und Ziele der protestierenden Menschen im Iran zu verstehen, sollten Europäer vielleicht doch öfter mal wieder in die eigene Geschichte blicken. Auch um die Geschehnisse im Iran aus dem exotischen Nimbus kulturalisierender Fremdwahrnehmung zu befreien. Es geht um die Freiheit, nichts anderes. Und die ist unteilbar, weltweit