Kartoffeln als Auslöser einer nationalen Krise im Iran

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Während Krisen in vielen Ländern mit Krieg, Erdbeben oder Finanzmarktcrashs einhergehen, geht es im Iran um den Kartoffelpreis.
Die einfache Kartoffel, die einst ein Grundnahrungsmittel für die einkommensschwache Schicht des Irans war, ist nun zu einem weiteren Symbol für das katastrophale Missmanagement der Islamischen Republik und des Mullah-Regimes geworden.
Noch vor Kurzem hätte jemand zur Beschreibung der verheerenden Wirtschaftslage Fleisch und Geflügel als Beispiele angeführt, denn »Fleisch ist zu einem Luxusartikel geworden. Aber jetzt sind die Dinge an einem Punkt angelangt, an dem wir sagen müssen: Sogar Kartoffeln sind zu einem Luxusgut geworden.« Dank des Wirtschaftsgebarens des Regimes ist der Preis für Kartoffeln auf 70.000 Toman pro Kilo in die Höhe geschossen. Mit anderen Worten: Will jemand ein Kilo Kartoffeln kaufen, muss er demnächst möglicherweise zuerst einen Hypothekarkredit beantragen.
Sündenbock-Politik
Die Regierung, die immer ein erstaunliches Krisenmanagement an den Tag legt, hat wieder einmal eine brillante Lösung gefunden: den Import von 50.000 Tonnen Kartoffeln. Anstatt also die örtlichen Landwirte zu unterstützen und ihre Produkte zu einem fairen Preis anzukaufen, importiert man lieber das gleiche Produkt aus dem Ausland – genau dieselbe Logik, die zuvor man bei Hühnerfleisch, Reis und sogar Eiern angewendet hat.
Natürlich beschränkt sich diese tiefgreifende Managementphilosophie nicht nur auf Kartoffeln. Das Regime kann kein Öl exportieren, also importiert es stattdessen Kartoffeln. Und wenn die Menschen gegen die explodierenden Kartoffelpreise protestieren, lautet die Antwort der Regierung: »Weil ihr zu viel kauft!«
Im Iran werden immer die Menschen beschuldigt. Luftverschmutzung? – Weil ihr zu viel heizt und eure Wohnung warm haben wollt. Stromausfälle? – Weil ihr euren Kühlschrank und Fernseher zu lange laufen lasst. Internetzensur? – Weil ihr zu viel Interesse an Informationen habt. Und jetzt die Kartoffelkrise. Warum gibt es die wohl? Weil die Menschen angeblich zu viele Kartoffeln essen. Wir sollen glauben, dass die Bürger zu Hause Säcke voller Kartoffeln horten – eine Art nationaler Sparplan mit knusprigem, frittiertem Geschmack.
Kartoffel-Konferenzen
Die Lage ist so ernst geworden, dass sogar die Leiter der drei Regierungszweige eine Sitzung abgehalten haben, um sie in den Griff zu bekommen. Gab es wirklich kein dringenderes Problem im Land als Kartoffeln, welches das direkte Eingreifen von Spitzenbeamten erforderte? Plant die Regierung die Einführung eines »umfassenden Kartoffel- und Gurkensystems«, wie bereits auf Devisen und Geflügel angewendet? Muss bald auch mit Warteschlangen für den Erhalt staatlich subventionierter Kartoffeln gerechnet werden?
Der Landwirtschaftsminister hatte zugesagt, die Zufuhr von siebenhundert Tonnen Kartoffeln in den Markt würde die Preise senken. Doch je mehr die Regierung bisher eingegriffen hatte, umso höher stiegen die Preise.
Vielleicht, aber nur vielleicht, sollte die Regierung einen Tag lang versuchen, absolut nichts zu tun. Vielleicht würde sich die Lage dann tatsächlich verbessern. Schließlich sind im Iran aufgrund von Managementkrisen Schulen, Universitäten und Regierungsbüros häufig geschlossen und das Verwaltungs- und Regierungssystem ist so dysfunktional, dass es kaum einen Unterschied zwischen Werk- und Feiertagen gibt.
Im heutigen Iran sind Kartoffeln nicht mehr nur ein Lebensmittel, sie sind zu einem Symbol geworden. Ein Symbol für eine Regierung, die nicht einmal die einfachsten Probleme lösen kann und immer nach jemand sucht, dem sie die Schuld zuschieben kann. Die Kartoffelkrise erinnert schmerzhaft daran, dass alles, selbst das grundlegendste und erschwinglichste Grundnahrungsmittel, zum Auslöser einer nationalen Katastrophe werden kann – in einem Land, das reich an Öl und Gas ist und in dem die Menschen jetzt für ein Kilo Kartoffeln und ein Stück Brot Schlange stehen müssen.
Einst als das Essen der Armen angesehen, sind die Kartoffeln selbst nun Opfer der Armut. In einem Land voll fruchtbarer Felder sind die Bauern gezwungen, ihre Ernte entweder zu vernichten, weil sie ihnen niemand abkaufen kann, oder sie zu Spottpreisen zu verkaufen, damit Zwischenhändler davon profitieren – während dieselben Produkte zu einem überhöhten Preis importiert werden. Dies ist nicht nur ein wirtschaftliches Versagen, es ist das Zeichen eines völlig gestörten und funktionsuntüchtigen Systems.
Galaktischer Gipfel
Aber der vielleicht tragischste Aspekt dieser Krise ist die Reaktion der Regierung. Anstatt echte Lösungen anzubieten, liefert sie Ausreden, gibt den Menschen die Schuld und hält endlose Sitzungen ab, ohne tatsächliche Verbesserung umzusetzen. Die Situation ist so absurd geworden, dass die Leiter aller drei Regierungszweige eine Dringlichkeitssitzung über die Kartoffelpreise abgehalten haben. Hätten sie dieses Maß an Dringlichkeit und Kompetenz bei der Lösung echter nationaler Probleme gezeigt, vielleicht würde der Iran Technologie und Innovation exportieren, anstatt Kartoffeln zu importieren.
Dies ist nicht nur eine düstere und bewusst ironische Reflexion der Tätigkeit einer zutiefst korrupten und inkompetenten Führung, es ist eine ernsthafte Warnung: Armut und Hunger sind keine versteckten Bedrohungen mehr, sie sind für die Menschen zur alltäglichen Realität geworden.
Eine Regierung, die nicht einmal die grundlegendsten Bedürfnisse ihrer Bevölkerung befriedigen kann, hat kein Recht zu behaupten, sich für Fortschritt und Gerechtigkeit einzusetzen. Wer kann ernsthaft glauben, dass ein solches System ein Land voranbringen kann? Wenn die Spitzenbeamten eine Dringlichkeitssitzung einberufen müssen, nur um über die Kartoffelpreise zu verhandeln, können sie für Themen wie Korruption, Armut, Braindrain und Umweltkrisen doch gleich einen »Galaktischen Gipfel« einberufen.
Gehen die Dinge so weiter wie bisher, werden die Iraner in naher Zukunft nicht mehr davon träumen, ein Haus oder ein Auto zu besitzen, sondern einfach davon, sich ein Kilo Kartoffeln leisten zu können.
Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch