'Make Europe great again'

Kongress der "Patrioten für Europa", Bildquelle: X (Vormals Twitter)
Wie Musk, Likud und Europas neue Rechte Demokratie, Sozialstaat und den freien Handel demontieren wollen.
Madrid, Februar 2025: Der Kongress der Patrioten für Europa versammelt eine illustre Mischung aus Europas extremen Rechten, libertären US-Tech-Kapitalisten und Israels regierender Partei,dem Likud. Was klingt wie das Drehbuch einer Polit-Farce, ist in Wahrheit der jüngste Angriff auf die Demokratie und den Sozialstaat. Im Zentrum: Elon Musk, Tech-Milliardär, selbsterklärter libertärer Freiheitskämpfer und nun Pate der europäischen Rechten.
„Make Europe Great Again“ lautet der neue Slogan – direkt vom Vorbild „MAGA“ abgeschaut. Es ist kein Zufall, dass Musk sich genau diesen Moment aussucht, um Europa als neues Labor seiner Experimente zu nutzen. Während die EU ihn für seine Plattform X ins Visier nimmt, reicht ihm die extreme Rechte die Hand. Gemeinsam träumen sie von einem Europa, das von Regulierung „befreit“ wird – allerdings nur in Bereichen, die ihre eigene Macht und den Sozialstaat betreffen. Polizei und Grenzschutz? Die sollen natürlich ausgebaut werden.
Die historische Abkehr vom Freihandel
Um zu begreifen, was hier wirklich geschieht, hilft ein Blick zurück in die Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte ein wirtschaftspolitischer Konsens: Das Bretton-Woods-System mit seinen festen Wechselkursen und stabilisierenden Mechanismen sollte den Wiederaufbau fördern und den Kapitalismus als Bollwerk gegen den Kommunismus stärken.
Doch seit den 1970er-Jahren geriet das System ins Wanken. Die USA, einst uneingeschränkter wirtschaftlicher Dominator, mussten feststellen, dass sie ihre Vorherrschaft nicht mehr halten konnten. China stieg zur Produktionsmacht auf, während die USA mit Stagnation kämpften. Der liberale Freihandel, einst Instrument der Dominanz, wurde plötzlich zur Bedrohung.
Mit Donald Trump kam der endgültige Bruch: „America First“ bedeutete Protektionismus in Reinkultur. Exporte in die USA wurden behindert, internationale Handelsströme verzerrt – und Europa geriet unter enormen Druck.
Die neuen europäischen Rechten übernehmen nun diese Logik: Innerhalb der EU fordern sie Freihandel, während sie gleichzeitig äußere Protektionismus-Mauern errichten wollen. Was sie anstreben, ist kein liberaler Markt mehr, sondern eine extrem kontrollierte Wirtschaft, die sich ihrer politischen Macht unterwirft.
Musk und die extremen Rechten: Eine Allianz für die Kontrolle
Musk, Orbán, Salvini und Le Pen – diese bizarre Allianz verfolgt kein spontanes Interesse, sondern eine strategische Agenda. Musk verkauft sich als Innovator und Retter der Meinungsfreiheit, doch in Wahrheit träumt er von einem Europa, das für seine Tech-Monopole die perfekte Spielwiese wird. Die Kontrolle über digitale Räume wird zum zentralen Machtinstrument.
Seine Plattform X dient längst als Bühne für rechte Propaganda und Desinformation. Während die europäischen Patrioten für nationale Souveränität trommeln, schafft Musk supranationale Strukturen, die jede Kontrolle umgehen. Der Widerspruch? Keiner, solange sich beide Seiten gegenseitig nützen. Die Patrioten zerlegen den Staat, Musk baut sein digitales Imperium.
Likud: Feigenblatt und Komplize
Inmitten dieser Szenerie taucht Likud auf – Israels regierende Partei und der erste nicht-europäische Partner des Bündnisses. Ein symbolischer Coup, der weniger mit Überzeugung als mit strategischem Kalkül zu tun hat. Die pro-israelische Rhetorik der europäischen Rechten dient vor allem einem Zweck: sich vom Verdacht des Antisemitismus zu befreien.
Orbán, Le Pen und Co. präsentieren sich als Israelfreunde, während jüdische Gemeinden in Europa weiterhin angefeindet und an den Rand gedrängt werden. Die „Kellernazis“ der FPÖ stehen exemplarisch für diese Doppelmoral. Likud scheint das wenig zu stören. Warum auch? Man profitiert von der symbolischen Umarmung – und verschließt die Augen vor den hässlichen Seiten der neuen Partner.
Ein Akteur bleibt außen vor: die AfD. So gern sie dazugehören möchte, sie ist einfach zu ungeschickt. Während Orbán und Salvini gelernt haben, ihre autoritären Ambitionen hinter patriotischen Phrasen zu verstecken, tritt die AfD weiterhin wie ein Elefant im Porzellanladen auf. Dass selbst Le Pen und Meloni die AfD meiden, spricht Bände.
Doch die AfD bleibt hartnäckig: Bilaterale Treffen mit Orbán und der FPÖ sollen die Türen öffnen. Die Hoffnung: beim nächsten Kongress endlich dazugehören. Ob der Club der Patrioten sie reinlässt, bleibt abzuwarten.
„Freiheit“ als Euphemismus für Macht
Die Patrioten für Europa sprechen viel von Freiheit – doch ihre Definition hat wenig mit individueller Emanzipation zu tun. Ihre Forderungen sind klar: Weg mit dem Green Deal, soziale Standards abschaffen, LGTBIQ-Rechte zurückdrängen. Alles im Namen der „Freiheit“. Doch diese Freiheit betrifft allein die Märkte, nicht die Menschen. Musk ist der perfekte Verbündete in diesem Spiel.
Seine Agenda: Weniger Regulierung dort, wo sie ihn stört, mehr Kontrolle überall sonst. Seine Unternehmen leben von staatlicher Unterstützung – Tesla und SpaceX wären ohne Subventionen längst Geschichte. Gleichzeitig inszeniert er sich als Kämpfer gegen die „Bürokratie“. Die Ironie könnte kaum größer sein.
Was sich in Madrid abspielte, war kein harmloser Austausch politischer Außenseiter, sondern ein gezielter Angriff auf die Grundpfeiler Europas. Die Patrioten für Europa, Elon Musk und Likud eint der Traum von einem neuen autoritären Kapitalismus – einer Welt, in der Demokratie nur noch eine nostalgische Erinnerung ist.