Bewaffneter Konflikt in Mazedonien

Operation Ethnosturm

Nach vier Monaten Provokation der UCK befindet sich Mazedonien kurz vor einer Spaltung. Und die Nato steht schon bereit, um das Kriegsergebnis abzusichern.

Seit Monaten ist es immer wieder das gleiche Bild. Wie am vergangenen Wochenende in den nordmazedonischen Städten Tetovo und Kumanovo, liefert sich die Separatistenorganisation UCK mit mazedonischen Armee- und Polizeieinheiten Schusswechsel, überfällt die Regierungstruppen auch im Westen des Landes aus dem Hinterhalt, besetzt Dörfer, rückt bis auf Schussweite an die Hauptstadt Skopje heran und droht mit Angriffen auf die nicht albanischsprachige Bevölkerung. Die Armee reagiert mit Gegenangriffen und versucht, verlorene Gebiete wieder unter Kontrolle zu bringen, meistens allerdings vergeblich. Denn sobald die Armee auftaucht, sind die UCK-Kämpfer verschwunden. Ziehen die Regierungstruppen ab, kommen sie zurück.

Die Provokationsstrategie der UCK ist offensichtlich erfolgreich. In den mehrheitlich von der albanischsprachigen Bevölkerung bewohnten Gebieten bewegt sich die außerordentlich gut ausgerüstete Truppe inzwischen wie der berühmte Fisch im Wasser. Je härter die militärischen Gegenschläge der mazedonischen Sicherheitskräfte, desto größer wird die Unterstützung für die nationalistischen Rebellen. Die Bevölkerung hat sich inzwischen so weit radikalisiert, dass Verhandlungslösungen kaum mehr möglich erscheinen.

Die im Mai auf Druck der Nato und der Europäischen Union gebildete Koalition aus den mazedonischen und den Parteien der albanischsprachigen Minderheit steckt in einer tiefen Krise. Während die mazedonischen Politiker auf eine Bekämpfung der UCK drängen, fungieren ihre Koalitionspartner offen als Sprecher der bewaffneten Separatisten. Und deren Forderungen laufen auf eine als »Föderalisierung« des kleinen Landes bemäntelte ethnische Teilung hinaus.

Präsident Boris Trajkovski und die bisherige Mehrheitspartei VMRO haben in den letzten Wochen rapide an Popularität eingebüßt. Aktuellen Meinungsumfragen zufolge würden nur noch acht Prozent der Bevölkerung der VMRO ihre Stimme geben. Immer mehr Mazedonier verlangen eine effektive Bekämpfung der UCK, die die Regierung aus Mangel an Waffen und wegen fehlender Unterstützung aus dem Westen nicht leisten kann. Auch eine Kriegssteuer, die seit dem letzten Sonntag erhoben wird, vermag das nicht zu ändern.

Das Verhalten der EU und der Nato trägt wesentlich zur Verschärfung der Regierungskrise bei. Während der Nato-Generalsekretär George Robertson in den ersten Wochen nach dem Beginn der Kämpfe die UCK noch als eine »Bande bewaffneter Schläger« bezeichnete, die eine »multi-ethnische Demokratie« zerstören wollen, wirft er der mazedonischen Regierung nun »kompletten Wahnsinn« vor, weil sie die Armee gegen die UCK einsetze. Der seit dem vergangenen Donnerstag in Mazedonien amtierende EU-Gesandte François Léotard ging noch weiter. Kurz nach seiner Ankunft forderte er die Regierung auf, direkte Verhandlungen mit der UCK zu beginnen. Nur so könne ein »Konsens und eine friedliche Lösung erreicht werden«. Erst nach heftigem Protest seitens der Trajkovski-Administration zog sich Léotard auf die bisherige Position der EU zurück und sagte einschränkend, dass nur mit den politischen und nicht mit den militärischen Funktionären der albanischsprachigen Bevölkerung verhandelt werden solle.

Doch bei der Mehrheit der Bevölkerung Mazedoniens hat sich längst der Eindruck gefestigt, dass der Westen sich die Sache der albanischsprachigen Nationalisten zu Eigen gemacht hat. Am Anfang letzter Woche brach die Wut schließlich hervor, als bekannt wurde, dass die Regierung unter dem Druck des Westens dem freien Abzug von 400 schwer bewaffneten Kämpfern der 113. UCK-Brigade aus Aracinovo zugestimmt hatte.

Zwei Wochen lang hatte die Brigade damit gedroht, Skopje aus diesem Vorort anzugreifen. Geschützt von 80 US-Soldaten durften die UCK-Kämpfer in 13 Bussen nach Nikustak, in eine ihrer Hochburgen, fahren. Dort erhielten sie ihre Waffen, darunter Mörsergranatwerfer und Boden-Luft-Raketen, von den Begleitern zurück.

Die Empörung bei den meisten Einwohnern Skopjes war groß. Mehr als 10 000 Menschen versammelten sich vor dem Parlamentssitz, durchbrachen einen Polizeikordon und drangen in das Gebäude ein. Trajkovski beschimpften die Demonstranten, denen sich zahlreiche Reservepolizisten und Armeeangehörige angeschlossen hatten, als »Verräter«, der Mazedonien den »albanischen Terroristen« ausliefere.

Hätten sie gewusst, was Journalisten einen Tag später in Erfahrung brachten, wäre ihr Wutausbruch wohl noch heftiger ausgefallen. Unter den 400 UCK-Kämpfern aus Aracinovo befanden sich nämlich auch 17 US-amerikanische Instrukteure, die den Rebellen offenbar eine militärische Ausbildung verpassten. Diese Berater sollen allesamt ehemalige amerikanische Offiziere gewesen sein, berichtete das Hamburger Abendblatt am 28. Juni. Schon seit 1998 sind US-Söldner in Mazedonien im Einatz. Offiziell sollten die Mitarbeiter der Military Professional Ressources Inc. (MPRI) die mazedonische Armee beraten. Die MPRI wurde 1988 von ehemaligen hochrangigen US-Militärs als privates Militärhilfeunternehmen gegründet. Präsident der nach eigenen Angaben 800 Mitarbeiter zählenden Firma ist General Carl E. Vouno, der 1991 die Operation Desert Storm gegen den Irak kommandierte. Im Leitungsstab der MPRI sitzt auch Ed Soyster, der ehemalige Chef des US-Militärgeheimdienstes DIA.

Die MPRI arbeitet eng mit dem Pentagon zusammen und übernimmt Aufträge, die die offiziellen US-Stellen nicht selbst ausführen können, weil sie politisch pikant sind. So hat unter anderem ein Stab von MPRI-Mitarbeitern die Operation Oluja der kroatischen Armee mit vorbereitet, bei der 1995 etwa 180 000 kroatische Serben aus der Krajina vertrieben wurden. Mit von der Partie war damals auch Agim Ceku. Der Kosovo-Albaner bekleidete bis zum Februar 1999 den Posten des Brigadegenerals der kroatischen Armee. Dann wurde er Generalstabschef der UCK im Kosovo. Heute ist Ceku der Kommandant des aus der UCK hervorgegangenen Kosovo-Schutzkorps (TMK), dem enge Verbindungen zur mazedonischen UCK nachgesagt werden.

Man muss keineswegs an Verschwörungstheorien glauben, um das bevorstehende militärische Eingreifen der Nato als eine direkte Unterstützung der UCK zu interpretieren. Nachdem die albanischsprachigen Nationalisten den Konflikt dank ihrer Povokationsstrategie haben internationalisieren können, ist ihnen nun an der Stationierung von Nato-Truppen in Mazedonien gelegen. Denn sind die »Peacekeeper« erst einmal vor Ort, könnten sie eine Situation herstellen, die der im Kosovo gleicht: ein Nato-Protektorat in den Landesteilen Mazedoniens, in denen die so genannte internationale Gemeinschaft auf die UCK als lokale Ordnungsmacht angewiesen ist. Damit hätte die UCK erreicht, was sie als Föderalisierung Mazedoniens bezeichnet.

Um die Vorbedingungen der Nato für ihren Einsatz - einen Waffenstillstand und eine Vereinbarung der mazedonischen Regierungsparteien - herzustellen, ließ das US-Außenministerium am vergangenen Sonntag seinen Berater für den Balkan, James Pardew, einfliegen. Er wird nun gemeinsam mit Léotard die Operation Essential Harvest auf den Weg bringen. 3 000 Nato-Soldaten sollen innerhalb von 30 Tagen die UCK »entwaffnen«. Das dürfte eine mission impossible werden.