Farc contra ELN

Vertreibung nach Plan

Im Süden Kolumbiens nimmt die Gewalt dank US-amerikanischer Militärhilfe zu. Auch Konflikte unter den Guerilla-Organisationen häufen sich.

Keine vier Monate nach der Verabschiedung des Plan Colombia wird immer deutlicher, wie sehr das US-amerikanische Militärhilfe-Paket den Krieg in Kolumbien eskalieren lassen wird. Gewerkschafter in Bogotá berichten von wachsender Repression durch die Geheimdienste; in der Erdölstadt Barrancabermeja, in der dieses Jahr bereits über 400 Menschen ermordet worden sind, herrscht Kriegszustand.

Am schlimmsten jedoch ist die Lage im Süden des Landes. Das an Ecuador angrenzende Departement Putumayo, das als wichtigstes Koka-Anbaugebiet Kolumbiens gilt, ist seit einem Monat fast vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Tausende von Bauern sind auf der Flucht, viele davon in Richtung Ecuador. In der hochmilitarisierten Provinzhauptstadt Mocoa werden die Lebensmittel knapp. Verantwortlich dafür sind nach Darstellung der Medien »Kämpfe zwischen Paramilitärs und Guerilla um die Kontrolle der Koka-Einnahmen«. Doch dies ist in der Regel nichts anderes als die offizielle Sprachregelung für gemeinsame Offensiven von Armee und Paramilitärs.

Dass der Süden Kolumbiens von den US-Plänen am stärksten betroffen sein würde, war abzusehen. Zwar haben sich in den letzten Jahren 80 Prozent der paramilitärischen Aktionen gegen die soziale Basis der ELN-Guerilla im Norden des Landes gerichtet, aber der Plan Colombia sollte sich auf das kolumbianische Amazonasbecken konzentrieren. So hatte der für die Washingtoner Kolumbien-Politik verantwortliche »Anti-Drogen-Zar« General Barry McCaffrey schon während der Debatten im Kongress die Militärhilfe damit gerechtfertigt, dass die Kontrolle des kolumbianischen Staates über den Süden des Landes wiederhergestellt werden müsse.

Folgerichtig haben die so genannten Anti-Drogenbataillone, für die ein Großteil der Militärhilfe bestimmt war, in der Region zu agieren begonnen, und auch die Sondereinheiten der US-Army mit mehreren wichtigen Stützpunkten auf der peruanischen und ecuadorianischen Seite der Grenze haben ihre Aktivitäten intensiviert. Diese Operationen haben zwei Ziele: Erstens soll die Farc-Guerilla von den Einnahmequellen aus dem Koka-Anbau abgeschnitten und zweitens sollen ihre Nachschubwege aus Ecuador und Peru unterbrochen werden.

Zu diesem Zweck werden die Truppen der Nachbarstaaten mobilisiert. Als willkommener Anlass gelten Grenzvorfälle, die sich in der letzten Zeit auffällig gehäuft haben. In den vergangenen 18 Monaten sind mehrmals Flugzeuge und Helikopter von Unbekannten aus Panama, Venezuela und Ecuador nach Kolumbien entführt worden - zuletzt Anfang vergangener Woche aus dem ost-ecuadorianischen Tivacuno, wo das spanisch-argentinische Konsortium Repsol-YPF eine Ölförderanlage betreibt. Die zehn Geiseln wurden mit dem Helikopter ins kolumbianische Putumayo verschleppt - in eben jenes Kriegsgebiet also, das zur Zeit als isoliert gilt. In Ecuador wurden diese Ereignisse als Beweis für eine drohende Expansion der Guerilla bezeichnet.

Doch ob tatsächlich Linke hinter der Aktion stehen, ist mehr als fraglich. Zwar gibt es Gerüchte über eine sich formierende ecuadorianische Guerillagruppe, die solche Entführungen zu ihrer Finanzierung durchführen könnte. Genauso denkbar ist es aber, dass der kolumbianische Armee-Geheimdienst hinter der Aktion steht. Immerhin wurde im Sommer in Panama ein Offizier der kolumbianischen Luftwaffe festgenommen, als er - nach eigenen Aussagen - »im Auftrag der Selbstverteidigungsgruppen der kolumbianischen Armee« einen Hubschrauber nach Kolumbien zu entführen versuchte.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der kolumbianischen Guerilla als Gegengewicht zur militärischen Rechten. Doch die linken Organisationen, allen voran die Farc, machen es selbst ihren SympathisantInnen schwer, sie als politische und soziale Alternative zu akzeptieren. Die Politik der aus den Bauernbewegungen hervorgegangenen, KP-nahen Farc ist im Augenblick alles andere als emanzipatorisch. Offensichtlich beansprucht die Farc, seitdem sie der Armee mehrere schwere Niederlagen zugefügt hat und in Südkolumbien die militärische Räumung eines Gebiets von der Größe der Schweiz durchsetzen konnte, einen Alleinvertretungsanspruch in der kolumbianischen Linken.

Deutlich wurde das im vergangenen Jahr, als die Farc drei Native Americans aus den USA entführte und erschoss. Die Guerilla-Organisation gab danach zwar zu, die Ermordung der drei MenschenrechtsaktivistInnen, die die Uwa-Indígenas bei ihrem Kampf gegen den Ölmulti Oxy unterstützten, sei ein Fehler gewesen. Um einen Irrtum kann es sich aber kaum gehandelt haben. Denn die Guerilleros nahmen die drei AktivistInnen fest, obwohl sich die Uwa vor ihren Augen für diese verbürgten und die US-BürgerInnen somit als Gegner des kolumbianischen Staates erkennbar waren.

Nach Darstellung von Uwa-Vertretern kassiert die örtliche Farc-Front sogar Schutzgeld von Oxy und wacht im Gegenzug über die Forscherteams, die das Ölvorkommen auf dem Indígena-Land erschließen wollen. Jedenfalls hat sich die Farc im Frühjahr öffentlich gegen einen von den sozialen Bewegungen ausgerufenen Solidaritätsstreik zur Unterstützung der Uwa ausgesprochen, weil im Aufruf die Guerilla-Organisationen vorsichtig kritisiert worden waren.

Nicht weniger autoritär gebärdet sich die größte Guerilla des Kontinents gegenüber anderen Rebellengruppen. So wurde die sich auf Ché Guevara berufende ELN, die mit 5 000 bis 8 000 KämpferInnen etwa ein Drittel der Stärke der Farc besitzt und deutlich schlechter ausgerüstet ist, seit Ende letzten Jahres mehrmals Opfer von Angriffen. Die Erschießung von drei Verantwortlichen verschiedener ELN-Fronten in der Nähe von Medellín durch Farc-Funktionäre konnte man noch für einen Einzelfall halten, doch Mitte Juni setzte die Guerilla in einem anderen Landesteil nach: Sie griff das Treffen einer ELN-Front mit Guerilleros der versprengten maoistischen EPL in der Karibik-Provinz Guajira an. Und wenig später sorgte die Farc in Südwestkolumbien für einen vorläufigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen, als sie 30 ELN-Kämpfer festsetzte, entwaffnete und 19 von ihnen der Polizei auslieferte.

Diese Operationen wurden mit verschiedenen Argumenten begründet. Zunächst wurde der ELN Diebstahl an Farc-Eigentum vorgeworfen, dann hieß es, die ehemals maoistische EPL sei als quasi-paramilitärischer Verband zum Gegner erklärt worden und werde überall angegriffen - auch in Begleitung der ELN. Und schließlich schob Farc-Kommandant Raúl Reyes die Erklärung nach, »die Zusammenstöße mit der ELN seien historischer Natur«. Die feindliche Haltung der ELN gegenüber der Kommunistischen Partei und anderen Farc-nahen Gruppierungen sei ja bekannt.

Tatsächlich steht die ELN der von der Farc unlängst gegründeten Klandestinen Bolivarianischen Bewegung skeptisch gegenüber und hat ihrer Anhängerschaft geraten, sich an der Bewegung nicht zu beteiligen. Die ELN hält den Koka-Anbau für eine Stärkung des Paramilitarismus und versucht, ihn zu unterbinden. In mehreren ihrer Stammregionen ist sie daher mit der Farc aneinander geraten, weil diese die Ausweitung des Anbaus propagiert und gefördert hat.

Außerdem hat die Organisation das Auftreten der Farc gegenüber den sozialen Bewegungen und den Indígenas als autoritär kritisiert. Die Farc hingegen, die sich auf der militärischen Gewinnerseite sieht, ist im Begriff, sich als Gegen-Staat zu etablieren. Sie erlässt Gesetze, baut eine eigene Justiz auf und will sich als einziger Akteur der Opposition profilieren. Dabei steht außer Frage, dass die Farc die wichtigste Gegenkraft zum Terror-Regime der kolumbianischen Eliten darstellt. Die auf Landreformen und soziale Grundversorgung ausgerichtete Politik in der von ihr kontrollierten Zone ist sicherlich ein Schritt nach vorn. Ihr Führungskonzept aber ist paternalistisch und autoritär.