Nationale Sprachpolitik

Sog. Deutsch

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Diese Sprache da, die Schily und Schönbohm sprechen, das soll die deutsche sein. Wer sie nicht spricht, ist ein nicht integrierbarer Ausländer. Wer ein nicht integrierbarer Ausländer ist, wird abgeschoben. Und Lehrer Denk will dafür sorgen, daß niemand diese Sprache da so leicht erlernen kann. Ernste Sache.

Und gleichzeitig eine blutige Farce. In dem Moment, da das Deutsche überflüssig geworden ist, wird es der Reaktion unverzichtbar. Denn mit der Internationalisierung des Marktes verfällt auch kulturelles Kapital. Nicht, wer die deutschen Staatsverbrecher bis zurück zu Hermann dem Cherusker in paar Minuten runterbetet, wer die Vordenker und die Vordenker der Vordenker der "Endlösung" aus dem Eff-Eff beherrscht oder "Die Glocke" leiern kann, hat noch Anspruch auf Privilegien, sondern der Kenner des Wirtschaftsenglischen, von Business-Chinesisch und Programmoberflächen. Der Bildungsbürger wirft einen Blick auf die Stellenanzeigen und denkt: "Das ist ja nicht mehr Deutschland hier! Englisch wichtiger als Friedrich! Studium in Harvard statt in Stuttgart! Kein Hegel, kein Schlegel, bloß Flegel!"

Da ist das "ß" nur noch das Kopftuch der deutschen Sprache. Erst fällt es, dann sie. Und dann bleibt dem Bürgertum gar nichts mehr. Bevor es kulturell verarmt, hält es sich an die Armen. Die Ausländer müssen nun beim General die Genera pauken, Schily läßt nachsitzen, damit die Kinder seiner Freunde nicht von Ausländern behindert werden. Mit dem Deutschen, dessen die Leitartikler und Ghostwriter nicht mächtig sind, sollen die Ohnmächtigen aus dem Volkskörper exstirpiert werden.

Den hat man ohnehin auf seiner Seite. Wie die aufgeklärte Reaktion seit Fichte, führt auch das Fichtestübchen das Deutschtum auf die Sprache zurück: Det kann mir keener abkoofen, wa. Man soll ihnen nicht mehr mit den Todesurteilen kommen, die in dieser Sprache gesprochen wurden; aber verlernt haben sie auch nichts: Ausländer raus. Eine Etage höher heißt es dann: Kriminelle Ausländer raus. Von den eigenen Verbrechen zu sprechen, ist nicht mehr opportun und war es nie. Aber sie ahnen doch, was gemeint ist. Prof. Dr. Theodor Ickler in einem Leserbrief an die Berliner Zeitung: "Mein Vorwurf, daß die Rechtschreibreform zur Wortvernichtung führt, grenzt keineswegs ans Absurde, sondern ist eine schlichte Wahrheit." Gute alte Wörter, Wörter, mit denen man doch früher ganze Hörsäle in Entzücken versetzte, Wörter, mit denen man den Pöbel verblüffte und die Feinde in den Staub stieß, Wörter, mit denen man Länder eroberte und Massenmorde anordnete - sie sollen nun nichts mehr gelten, nein, sogar "vernichtet" sein? Ganz "alltägliche Wörter wie 'sogenannt'" - sog. Zwölftonmusik, sog. Bundesversammlung, sog. Judenstaat. "Sie sind gestrichen, beseitigt, getilgt, aus dem Verkehr gezogen, vernichtet - wie auch immer man es nennt, an der traurigen Tatsache ist nicht zu rütteln." Unter allen Möglichkeiten, der traurigen Tatsache einen Namen zu geben, hat der Professor aber doch instinktiv der deutschesten den Vorzug gegeben. "Wortausmerzung" wäre allenfalls noch passabel gewesen.

So bitter kommt sie der Verlust an, daß sie sich mit den Wörtern nun selbst hingeschlachtet sehen. Derart an die eigene Nichtswürdigkeit gemahnt, holen sie weit aus. Die ihre Sprache nicht sprechen können, sind ihre ersten Opfer, die sie nicht sprechen wollen, die nächsten. Und ist nicht auch der geschädigt, der, obschon von Abschiebung nicht bedroht, doch immerhin verstehen muß, was Schönbohm und Schily reden?