Alternative Lebensformen

Konsum und nichts zu tun

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Jammerschade, daß derzeit die Preise so hoch sind. Sonst würde ich mich Tag für Tag ins Café setzen, Milchkaffee ordern und rauchen, lesen, gukken, reden und die Sonne genießen. Aber die Preise verderben einem jeden Anflug von Muße. Nun gut, wenn ich mich anstrenge, sind mir die Preise egal und das "Morena" schon okay, um dort den Tag zu verjubeln.

Morgen ist Love Parade. Der Laden ist schon mit Ravern gefüllt, die sonderbarerweise hier frühstücken, als hätte ihr Zug aus Sonstwo direkt auf der Wiener Straße gehalten. Ich hole mir also den Spiegel, lese sogar die Leserbriefe, schaue mich aber meistens um. Neben mir klingelt das Handy einer Sechzehnjährigen, die genauso aussieht wie ihre Freundin. Ihre Mutter ist dran. Ich höre, wie das Töchterchen genervt sagt: "Bin gerade in einem Straßencafé. Die Sonne scheint. Was gibt's denn?"

Ich blättere weiter, nehme dann den Rolling Stone und bestelle noch so einen Kaffee. Dann kommen zwei Zigeunerfrauen und ein Kind und halten mir ein Schild hin. Ich schüttel den Kopf, die Frau läßt aber nicht locker und guckt mich bestimmt eine Minute lang an, so, als hätte ich gerade ihren Sozialhilfebescheid verschluckt. Später kommen noch zwei Schnorrer, einer ohne Schuhe, der andere wünscht mir einen guten Tag, und das, obwohl ich ihm nichts gegeben habe. Im Rolling Stone schreiben Ebermann und Trampert über die Grünen. In der Spex soll ein Fischer-Interview sein. Ich denke noch kurz über mögliche Zusammenhänge und Konsequenzen nach, da kommt mein Kaffee. Die Bedienung ist ausgesprochen nett, leider habe ich nur noch soviel Geld, daß es für einen weiteren Kaffee reicht. Sie wird also kein Trinkgeld bekommen, nur: Das weiß sie noch nicht. Ein wunderbarer Tag.

Trampert und Ebermann dissen die Grünen, daß ich mir zur Feier Filterkippen ziehe. Jetzt kann ich mir zwar keinen Milchkaffee mehr leisten, aber egal, die Magazine sind umsonst.

Gestern abend war ich auch schon hier. Der Regen prasselte auf die Straße, und zusammen mit den verschiedenen Farben der Lichter auf der anderen Straßenseite ergab sich eine richtig kuschlige Atmosphäre. Wir redeten über Weine und Käse und daß man mal wieder Wild essen sollte. Trotz etlicher Biere kam ich günstig davon, weil Karl so eine Art Entschädigung für einen unverschuldeten Arbeitsunfall bekommen hatte und die Kosten übernahm. Gegen drei Uhr gingen wir nach Hause.

Ich mache die Magazine zu und überlege, was man heute noch Gutes tun könnte, und überhaupt, was man mit seinem Leben so anfangen soll, schließe die Augen, verschränke die Arme hinter dem Kopf und halte mein Gesicht in die Sonne. Tja, mal gucken, wie der Rubel rollen könnte.