Das neue Album von Audio88 und Yassin

Wo Ronny auf Murats Kopf tritt

Die Berliner Rapper Audio88 und Yassin geben sich auf ihrem jüngsten Album religionskritisch.

Sie sind zurück: »Der Möchtegern-Kanacke und die Glatze mit der Zahl«, wie sich Audio88 und Yassin auf ihrem vierten Album, das im vergangenen Jahr erschienen ist, noch nannten. Und sie geben sich als Heilige. Auf dem Cover von »Halleluja« sind sie in langen Roben als Figuren in der Mitte eines bunten Kirchenfensters zu sehen – umgeben von Affen, Aliens und Biergläsern. Das ­titelgebende Stück kommt im Gewand einer religiösen Offenbarung daher und verkündet clevere Gebote wie »Erhebe niemals die Hand gegen deinen Nächsten, es sei denn, er bewegt sich zu langsam auf dem Gehweg«.
Das Berliner Rap-Duo liefert Punchlines in der Manier des Battle-Rap – gegen andere Rapper ­genauso wie gegen Leute etwa, die »als Abziehbild von vielen« modische Turnbeutel tragen oder »Tribals von Ikea an den Wänden« haben. Wenn sie andere Rapper kritisieren, wird zwar ausgeteilt, doch man gibt sich konstruktiv. Zum Beispiel in »Gnade«, gemeinsam mit Nico von K.I.Z: »Und glaub’ mir, jeder Diss ist eigentlich nichts als ein freundschaftlicher Tipp, dass da noch Luft nach oben ist.« Obwohl: »Da wo ich herkomm’, nennt man dich immer noch Spast, ganz egal, was so ein Spast von der Taz dazu sagt.«
Die Gegner, an denen sich Audio88 und Yassin abarbeiten, werden zielsicher und oftmals nur in einer einzigen Textzeile vorgeführt. Dass sie dabei auch vor sich selbst nicht haltmachen, zeigt ­Yassin in »Jammerlappen«, einem selbstkritischen Battle-Track, der sich gegen das Erfolgsrezept ­ihrer vergangenen Veröffentlichungen richtet. Mit dem Stück »Weshalb ich Menschen nicht mag« wird es politisch, es geht um Patrioten und Rassisten: »Und dann redet ihr von Stolz, aber meint damit nur Goethe, aber niemals Sachsenhausen.« Und selbstverständlich geht es um »unsere Autos. Aber was hab ich damit zu tun, was Klaus bei VW schrauben muss? Ist Klaus bestimmt genau so Latte. Klaus ist auf Zeitarbeit nach 20 Jahren Schrauben stapeln.« Deutschland sei dort, »wo man Verständnis zeigt, wenn Ronny Murats Kopf eintritt. Aber Murat soll nach Hause gehen, wird er mal nachts im Park gesehen.«
»Schellen« heißt der letzte Song des Albums, der auch die erste Single-Auskopplung ist. Die Strophen klingen, als wären sie aus Online-Kommentaren von Wutbürgern zusammengesetzt, erst der Refrain löst das Spiel auf: »Bevor man etwas Dummes tut, muss man dumm denken. Unter ihrem Aluhut sind sie auch so was wie Menschen. Willst du ihnen helfen, dann erinner’ sie an ihre Worte: Manchmal helfen Schellen!«
Das Thema Religion spiegelt sich auch in der musikalischen Umsetzung wider. Die Beats sind nicht nur eine konsequente stilistische Weiterentwicklung der beiden Berliner Rapper, sie wurden angereichert durch mantraartige Wiederholungen und den großzügigen Einsatz von Klavier und Streichern. Vor diesem Hintergrund langsamer und verspielter Instrumentierung entfalten die kraftvollen Stimmen ihre Geltung. Auch in den Videos zu »Halleluja« und »Gnade« bedienen sich die Rapper christlicher Symbolik, die sie stark überzeichnen: Mal schlüpfen sie in die Rolle von ­Engeln, mal in die von Pfarrern. Man kommt nicht umhin, das Album als religionskritisch zu interpretieren, gerade auch bei blasphemisch anmutenden Zeilen wie »Nenn’ mich Jesus!«. Kanye West lässt grüßen.

Audio88 & Yassin: Halleluja (Normale Musik/Groove ­Attack)