Eine neue Heldin in roten Glitzerleggings

Heldin in Leggings

Sekt und Sozialismus Von Julia Schramm

Sekt soz»Wonder Woman!« ist mein erster Gedanke, als ich die junge Frau in roten Glitzerleggings auf dem grünen Räumpanzer sehe. Sie steht in einem Strahl aus Pfefferspray – oder auch Bärenabwehrspray, wie es bei Wikipedia heißt –, den die Polizei auf sie abfeuert. Sie ist unfassbar mutig, finde ich. Wäre ich auf den Räumpanzer gestiegen? Naja. Die Frau in roten Glitzerleggings steht ja nun darauf und es ist befriedigend, das zu sehen. Diese Unerschrockenheit. »Heldin« nennt sie ein Magazin.

Um Leggings wird gerne gestritten. Das angeblich zu dicke Mädchen in Leggings ist immer wieder einen schlechten Scherz wert. Sie liegen eng an und sie entlarven den Körper der Trägerin, ohne ihn zu enthüllen. Aber vor allem sind sie bequem und auf einen Räumpanzer lässt es sich damit auch noch klettern. Leggings sind so gesehen der pure Albtraum für all die Menschen, die Frauen verhüllen und unbeweglich halten wollen, die ihnen vorschreiben wollen, was zu tun und was zu tragen ist. Und auch wenn das keine populäre Meinung ist, so ist es doch eine Tatsache, dass es von diesen Menschen immer noch sehr viele gibt. Sie kommentieren zum Beispiel das Bild von der Frau in roten Glitzerleggings. Sie wüten, schimpfen, machen sexualisierte Witze. Den Männern, die oben ohne Selfies vor angezündeten Mülltonnen machen, wird nicht hundertfach Vergewaltigung angedroht.

Während es auf den Straßen Hamburgs und in den sozialen Medien nicht nur verbal eskaliert, tagen die Präsidenten und Regierungschefinnen der G20 in den Edelbuden der Stadt Hamburg. Sie essen und trinken fein und sprechen darüber, wie die Welt sich verändert, verändern muss oder gar nicht verändern darf. Die Demonstrierenden, die friedlich von den Regierenden der Welt mehr Gerechtigkeit fordern, werden von der Polizei geräumt. Mit Pfefferspray, das ein gefährlicher Kampfstoff ist. Dann brennen in Hamburg Autos, Mülltonnen und es werden Läden geplündert. Es sind Szenen, die nicht zu dem Bild passen, das Angela Merkel gerne von Deutschland zeichnet. Brennende Autos? Militante Linke? Unfähige Polizei? Zum Glück überschlagen sich viele andere mit Distanzierungen und Linkenbeschimpfung. Merkel braucht keine Fragen zu beantworten.

Auf dem Abschlussfoto des Gipfels leuchtet Merkel in der Mitte eines blau-schwarzen Stoffmeers aus Demokraten und Demokratinnen und Männern, die Probleme haben, einer Frau die Hand zu geben. Sie trägt einen knallroten Blazer und lächelt. Alle scheinen zufrieden zu sein. War es das Pfefferspray am Ende doch noch wert – und die Frau in roten Glitzerleggings vielleicht tatsächlich eine Heldin?