Die Unterbringung iranischer Volksmujahedin in Albanien

Totgesagte in Tirana

Mehr als 2 000 Mitglieder der Iranischen Volksmujahedin befinden sich mittlerweile in Albanien. In jüngster Zeit mehren sich hochrangige Besuche aus den Vereinigten Staaten.

Tirana ist immer eine Reise wert. In den vergangenen Monaten haben sich auch diverse hochrangige US-amerikanische Politiker und Delegationen in die albanische Hauptstadt begeben. Im April kam der republikanische Senator John McCain, im August eine Delegation mit den republikanischen Senatoren Roy Blunt, John Cornyn und Thom Tillis. Ihr jeweiliges Ziel: ein Treffen mit Mar­yam Rajavi, die aus Paris, ihrem Exilort, ebenfalls nach Tirana gereist war. Sie ist die Präsidentin des Nationalen Widerstandrats im Iran, einer politischen Vorfeldorganisation der Iranischen Volksmujahedin.

Warum treffen sich diese Politiker mit Mitgliedern der Volksmujahedin? Diese standen noch bis 2012 auf der Liste ausländischer Terrororganisationen des US-Außenministeriums, weil sie – so zumindest die offizielle Begründung – in den siebziger Jahren Anschläge auf US-Offiziere und US-Bürger, die als Militärberater für das damalige Schah-Regime fungierten, verübt hatten. Und warum finden die Treffen in Tirana statt?

Im Jahr 2013 schloss die Regierung Barack Obamas eine Vereinbarung mit der albanischen Regierung ab, der zufolge 250 Volksmujahedin Asyl in Albanien erhielten.

Ihren Anfang nahmen die Iranischen Volksmujahedin in den sechziger und siebziger Jahren als Widerstandsgruppe gegen den Schah, die islamische und antiimperialistische Ideologieelemente mischte. Nach dem Sturz des Schahs im Jahr 1979 gerieten sie immer mehr ins Visier von Ayatollah Khomeinis sich etablierendem islamistischem System und entwickelten sich unter der Führung Massoud Rajavis zu einer militanten Oppositionsgruppe. Nach einer Serie von Anschlägen und Straßenkämpfen floh Rajavi über Paris in den Irak; dort unterhielt er mit der Duldung – so die Volksmujahedin – oder mit der Unterstützung – so andere Quellen – Saddam Husseins militärische Lager für seine Anhängerschaft. Ihre Stärke entsprach nach weitgehend übereinstimmenden Einschätzungen der einer motorisierten Brigade mit Panzern und Artillerie. Die Volksmujahedin sollen nicht nur vom Irak aus Angriffe im Iran unternommen, sondern Saddam Hussein auch bei der Bekämpfung kurdischer Aufständischer unterstützt haben – was die Gruppe vehement bestreitet.

Bis heute behaupten die Volksmujahedin, über eine starke Anhängerschaft im Iran zu verfügen. Viele Experten bezweifeln das. Aus der angeblichen Unterstützung der Bevölkerung leiten die Volksmujahedin ab, die einzige legitime Opposition im Iran zu sein, der sich alle anderen Oppositionsgruppen anzuschließen hätten.

Nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 schlossen die Volksmujahedin mit den US-Amerikanern einen Waffenstillstand; bis zu 4 000 ihrer Mitglieder wurden in einer US-Militärbasis im Irak, Camp Ashraf, untergebracht und von den amerikanischen Truppen entwaffnet. Massoud Rajavi verschwand, sein Verbleib ist unbekannt; man weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Die Führung der Organisation übernahm seine Frau Maryam, die die Gruppe und ihren politischen Arm, den Nationalen Widerstandsrat, heute aus Paris leitet, wo sich alljährlich mehrere Tausend Anhängerinnen und Anhänger zu einer Großdemonstration einfinden.

Im Irak hingegen verschlechterte sich die Lage der Volksmujahedin nach und nach. Die iranische Führung forderte ihre Ausweisung in den Iran. Die mit ihr verbündete, schiitisch dominierte irakische Regierung ließ irakische Truppen Camp Ashraf überfallen. Außerdem duldete sie Angriffe meist schiitischer Milizen auf das Camp, später auch auf Camp Liberty, eine ehemalige US-Basis nahe dem Flughafen von Bagdad, wo nach dem Truppenabzug der Amerikaner aus dem Irak im Jahr 2011 ein Großteil der Volksmujahedin untergebracht wurde. Mehr als 150 Volks­mujahedin kamen bei den Angriffen ums Leben.

Die US-Regierung bemühte sich jahrelang vergeblich, die Gruppe in europäische Länder umzusiedeln. Obwohl die EU die Volksmujahedin bereits 2009 von ihrer Terrorliste genommen hatte, wollte zunächst keine europäische Regierung ihre Mitglieder aufnehmen. Im Jahr 2013 gelang es der Regierung Barack Obamas, eine Vereinbarung mit der albanischen Regierung zu treffen, der zufolge 250 Volksmujahedin Asyl in Albanien erhielten. Diese Vereinbarung wurde sukzessive ausgeweitet, zuletzt wurden im Sommer 2016 einem lokalen Medienbericht zufolge 1 900 Volksmujahedin nach Albanien gebracht.

In den USA hat die Organisation intensive Lobbyarbeit betrieben, sie wird seit langem von vorwiegend republikanischen US-Politikern unterstützt. Seit 2002 haben die Volksmujahedin immer wieder Details über das iranische Atomprogramm veröffentlicht, mal mehr, mal weniger präzise. Das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sie auch für die Regierung Donald Trumps von Interesse sind, die Obamas Nukleardeal mit dem Iran kritisiert. Zudem sorgt der ständig wachsende Einfluss des Iran im Irak und in Syrien international für Besorgnis. Im Juni forderte US-Außenminister Rex Tillerson einen regime change im Iran und sagte, die Regierung arbeite daran, »Elemente im Iran zu unterstützen«, die »einen friedlichen Wandel dieser Regierung« herbeiführen würden.

Die Volksmujahedin sind oft totgesagt worden, ihr tatsächlicher politischer Einfluss hat sich seit ihrer Zeit als Oppositionsgruppe gegen den Schah mehrfach gewandelt. Es sieht nicht so aus, als hätte ihr Umzug aus dem Irak nach Albanien ihre Bedeutungslosigkeit besiegelt. Im ständigen Kampf iranischer Oppositioneller um die Aufmerksamkeit der US-Politik haben die Volksmujahedin offenbar die Nase vorn. An den sogenannten Reformern im iranischen Regime hat die Regierung Trumps, anders als ihre Vorgängerin, kein großes Interesse, und auch Reza Pahlavi, der Sohn des Schahs, der 2013 in Paris ein eigenes Oppositionsbündnis aus der Taufe hob (Jungle World 20/2013), konnte bei ihr offenbar weniger Gehör finden. Deshalb dürfte Tirana ein beliebtes Reiseziel von US-Politikern bleiben.