In Pakistan bereichert sich die Armee. Sie bereitet aber auch den USA Sorgen

Immer Ärger mit der Armee

In Pakistan kauft die Armee mit Staatsgeld Land auf, um damit Geschäfte zu machen. Im Kampf gegen islamistische Terroristen hat sie versagt, weswegen die USA ihre Militärhilfe aussetzen wollen. Nun verstärkt China sein Engagement in Pakistan.

»Man darf sich unsere Armee nicht als große Einheit vorstellen. Sie besteht aus Tausenden selbständigen Teilen, und jedem geht es nur um eines: sich so viel Land zu greifen wie möglich«, sagt ein ehemaliger Oberst der pakistanischen Streitkräfte, der anonym bleiben will. Sein Lebensweg als patriotisch erzogenes Kind der Mittelschicht ist nicht die Regel in Pakistan, aber auch keine Seltenheit. Ständig mit Hass auf Indien gefüttert, wollte er vor 25 Jahren Inder töten und schloss sich kaschmirischen Kämpfern im Punjab an. Doch nach dem Training in einigen Lagern nahe der Grenze zum von Indien kontrollierten Teil von Kaschmir entschied er sich, lieber Soldat zu werden. »Die ›Freiheitskämpfer‹ waren mir zu religiös und uns verwöhnte Angehörige der Mittelschicht ließ man nicht an die Front.« Doch schnell sah er, dass es bei der Armee wenig patriotisch zuging: »Überall, wo ich stationiert wurde, war das Hauptthema, wer wie viele Grundstücke bekommt. Mit den Jahren verstand ich, dass nicht Indien der größte Feind Pakistans ist, sondern unsere eigene Armee.«

Im Dezember vergangenen Jahres bestätigte sich dies wieder einmal. Die pakistanischen Journalisten Fahim ­Zaman und Naziha Syed Ali machten öffentlich, was der ehemalige Oberst aus Angst um sein Leben niemals unter Nennung seines Namens sagen würde: Wie die Armee das Land beklaut. In Karachi hat die Baubehörde der Armee, die Defence Housing Authority (DHA), 8 000 Hek­tar Land weit unter Wert gekauft, um dort Apartments zu errichten. Das ist schon deshalb rechtswidrig, weil die Armee in Karachi Land besitzt, das brachliegt. Sie hätte erst dieses nutzen müssen, bevor sie weiteres Land dazukauft. Als Grund für den Landkauf gaben die Generäle an, dass sie damit die Hinterbliebenen der etwa 6 000 Soldaten entschädigen wollten, die seit 2001 im »Kampf gegen den Terror« gefallen sind. In der Regel werden die ­Familien gefallener Soldaten mit Grundstücken zwischen 100 und 400 Quadratmetern entschädigt; bei 6 000 benötigten Grundstücken wären das also maximal 240 Hektar, nicht 8 000.

Dass die pakistanische Armee weiterhin in Afghanistan und Indien Konflikte schürt, läuft den chinesischen Plänen zuwider.

Ein Blick in den Bezirk Clifton in ­Karachi zeigt, was die Armee mit dem Land tatsächlich macht. In Clifton ­besitzt die Armee knapp 4 000 Hektar Land, von dem sie nur etwa 23 Hektar militärisch nutzt. Auf dem restlichen Grund und Boden wurden und werden Apartmentblocks, Hotels und Geschäftstürme gebaut. Die Armee kauft also mit Steuermitteln, die für die Verteidigung des Landes gedacht sind, Land vom Staat und verkauft dieses dann zu Höchstpreisen weiter. Die Armeeangehörigen – oder ihre Familienmitglieder, damit es schwerer nachzuverfolgen ist – sind später auch an den Firmen beteiligt, die diese smart cities und Wohnkomplexe bauen, oder haben sich Anteile in Form von Wohnungen gesichert, und verdienen so noch einmal daran. Die Kosten werden verstaatlicht, die Gewinne privatisiert. Die sogenannten Panama Papers enthüllten denn auch 2016, dass der ehemalige General und Präsident Pervez Mus­harraf allein auf Offshore-Konten 56 Millionen US-Dollar besitzt.

Offiziell sind zwölf Prozent des kultivierbaren Bodens Pakistans im Besitz der Armee – in Wirklichkeit dürften es weit mehr sein. Fast täglich werden überall in Pakistan Menschen von ihrem Land vertrieben, damit Armeeange­hörige daran verdienen können. Weil die Armee so viel Geld ausgibt und derzeit 1,5 Millionen in ihr dienende sowie zahlreiche aus dem Dienst aus­geschiedene Männer und Frauen unterhalten muss, fehlen dem klammen und korrupten pakistanischen Staatsapparat dann die Mittel für Bildung und Infrastruktur.

Diese Mängel machen es den Islamisten einfacher, Nachwuchs zu rekrutieren. Davon profitiert wiederum die Armee doppelt: Zum einen kann sie die Extremisten benutzen, um in Afghanistan und im indischen Teil von Kaschmir Unruhe zu stiften und in Pakistan zivilen Widerstand im Keim zu er­sticken. Zum anderen kann sie dem Ausland vorgaukeln, dass einzig sie die Machtübernahme der Islamisten im Atomwaffenland Pakistan verhindern könne. »Die Armee hielt sich ja selbst innerhalb Islamabads ein kleines afghanisches Flüchtlingslager, damit aus­ländische Gäste schneller hingeführt werden konnten, um ihnen Pakistans Hilfsbereitschaft vorzuführen und mehr Geld zu fordern. Gleichzeitig rekrutierten wir (die Armee, Anm. d. Red.) aus diesem Lager Kämpfer für die Taliban in Afghanistan«, so der ehemalige Oberst.

 

China in Pakistan wichtiger als die USA

Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid hat in seinem Buch »Sturz ins Chaos« detailliert beschrieben, wie die pakistanische Armee die Taliban seit 1994 benutzte und deren Reihen mit Kämpfern aus den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan aufstockte. Auch die Rolle der USA in der Region und beim Entstehen des islamistischen Terrors beschrieb er.

Die USA haben nun vorvergangene Woche angekündigt, bis zu zwei Milliarden US-Dollar (1,7 Milliarden Euro) an Finanzhilfen für Pakistan auszusetzen. Es geht um direkte Militärhilfen sowie Geld für die logistische Unterstützung der US- und Nato-Truppen in Pakistan. Pakistan tue nicht genug gegen die ­afghanischen Taliban und das Terrornetzwerk Haqqani und wirke daher ­destabilisierend auf die Region, hieß es. US-Präsident Donald Trump warf der pakistanischen Regierung vor, Terroristen Zuflucht zu gewähren.

Eine wichtigere Rolle als die USA spielt mittlerweile China in Pakistan. Anfang des Jahres hat die pakistanische Zentralbank angekündigt, dass bilate­raler Handel und Investitionen nun in der chinesischen Währung Yuan abgewickelt werden dürfen. Bislang wurde für Transaktionen im Rahmen des China-Pakistan-Wirtschaftskorridors (CPEC) der US-Dollar genutzt. 2017 exportierte Pakistan Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,62 Milliarden US-Dollar nach China, während die ­Importe von dort 10,57 Milliarden US-Dollar ausmachten. China hat im ­Rahmen des CPEC Pakistan Kredite von mehr als 62 Milliarden US-Dollar gewährt, meist zu höheren Zinssätzen als die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Hinter den vielen neuen Energieprojekten in Pakistan stecken chinesische Firmen, denen vertraglich Strompreise garantiert wurden, die oft bis zu vier Mal höher sind als im Nachbarland Indien. Der Hafen von Gwadar wurde China überlassen, Land für Wirtschaftsprojekte vertraglich ­zugesichert. Zudem hat China Tausende Hektar Land in Pakistan gepachtet, um dort landwirtschaftliche Produkte für den heimischen Markt zu pro­duzieren.

China will auch Afghanistan in den CPEC einbinden. Dass die pakistanische Armee weiterhin in Afghanistan und Indien Konflikte schürt, läuft den chinesischen Plänen zuwider. China hat kein Interesse an einem eskalierenden Konflikt mit Indien, es braucht den ­indischen Markt für seine Exporte. Derzeit gibt es Konflikte um Grenzregionen wie Aksai Chin. Indien betrachtet sie als Teil des autonomen Bundesstaats Jammu und Kashmir, nach chinesischer Auffassung gehört sie zum ­Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang. Für Indien ist die abgelegene ­Himalayaregion strategisch bedeutungslos, doch China braucht sie für eine Straße im Rahmen des CPEC, was wiederum Indien nicht gefällt.

Zudem engagiert sich Indien seit Jahren mit Milliarden US-Dollar in Afghanistan, um den von Pakistan gesponserten Extremisten das Land nicht völlig zu überlassen – auch wenn dies nicht aus­reichen wird, um in Afghanistan den Ton angeben zu können. China braucht ein gutes wirtschaftliches Verhältnis zu Indien, aber das wird es nicht geben, solange die pakistanische Armee Islamisten unterstützt. Sollte sich die Armee aber offen gegen die Islamisten stellen, würden diese Pakistan mit Anschlägen überziehen.

Um seine wirtschaftlichen Interessen in der konfliktreichen Region zu schützen, ist China auf militärische Partner angewiesen. Während die USA drohen, die Militärhilfen für Pakistan auszusetzen, will China die bereits be­stehende militärische Zusammenarbeit mit Pakistan vertiefen.