Sekt und Sozialismus

Dann lieber Single

Kolumne Von Julia Schramm

SeSoZwar spielt er hierzulande keine große Rolle, aber diese Woche war es wieder einmal so weit: am Mittwoch war Valentinstag. Klar könnte ich viel zur Liebe im Allgemeinen und Speziellen sagen. Darüber, dass sie nur ehrlich funktioniert, nur, wenn wir wissen, was wir wollen, und uns selbst lieben. Glückskekssprüche sind oft so wahr, das fällt uns in unserer hyperironischen Welt gar nicht mehr auf. Richtige Sachen können häufig nicht einfach sein, weil sie etwas verändern würden. Und Menschen mögen Veränderung extrem ungern.

Deswegen dürfen wir in diesen Tagen, sozusagen als Valentinstagsgeschenk, beobachten, wie eine extrem dysfunktionale Beziehung in die nächste Runde geht: schwarz-rot. Die Scheidung stand ja eigentlich schon an, aber der junge, blonde Charmeur von den Liberalen hatte dann doch keine Courage, sich auf die neue Beziehung einzulassen. Also zurück zum Alten. Und so wie Paare in kaputten Beziehungen gerne ein Kind darauf werfen, in der aufrichtigen Hoffnung, dass dann doch noch alles gut wird (wird es natürlich nie), hat das letzte Aufgebot Angela Merkels ein neues Kind gemacht: »Ein Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land« heißt es. Es ist 8 370 Zeilen und 177 Seiten lang. Es hat viel sozialdemokratische Rhetorik, viele Ideen und sogar Visionen.

Zwar beschränken sich die Visionen darauf, dass der Reformstau der letzten zwei Jahrzehnte endlich beendet werden, dass es Investitionen in Bildung, in Armutsbekämpfung und Infrastruktur geben und Deutschland nicht mehr nur Durchlauferhitzer für das internationale Kapital sein soll – aber, hey, die Ansprüche sind schon lange äußerst gering. Da eine gerechte Besteuerung (also eine Steuererhöhung für Superreiche) kategorisch ausgeschlossen wird, sind es am Ende sowieso nur wieder leere Versprechungen. Sie hätten den Koalitionsvertrag auch auf eine Valentinstagskarte drucken können, die Paare einander schenken, damit keiner merkt, wie sehr sie sich eigentlich verabscheuen. Denn verabscheuen tun sich die Koalitionspartner. Einander und sich selbst. Was die SPD in den vergangenen Tagen und Wochen geboten hat, war entsprechend eine Art Nervenzusammenbruch. Dass dieser in regelmäßigen Abständen kommen wird, sollte die große Koalition wirklich zustande kommen, ist zu erwarten. Auch wenn es für die Beteiligten vielleicht immer wieder überraschend ist.

Und trotzdem: Ein neues Kind verändert ja auch immer etwas. Die schwarze Null, mit der Wolfgang Schäuble über die Verarmung Europas residierte, wird jetzt eine rote Null, über die Olaf ­Scholz wacht. Eine Null bleibt aber eben eine Null, egal welche Farbe sie hat. Da hilft später auch keine aufrichtige Entschuldigungskarte in einem Blumenstrauß von der Tankstelle mehr.