Rechte Pseudogewerkschaften tragen die Politik der AfD in die Betriebe

Vom Parlament in die Betriebe

Bei den Betriebsratswahlen in diesem Frühling versuchen AfD-nahe Pseudogewerkschaften mit sogenannten alternativen Listen zu punkten. Besonders erfolgreich waren sie damit bislang zwar nicht, die Gefahr sollte dennoch nicht unterschätzt werden.

Nach den Erfolgen der AfD bei den zurückliegenden Landtagswahlen und dem Einzug in den Bundestag setzten sich extrem rechte Akteure in diesem Jahr das Ziel, auch die Betriebe zu erobern. Bei den seit März stattfindenden Betriebsratswahlen sehen sich die ­Gewerkschaften des DGB einer abgestimmten Kampagne ausgesetzt. ­Gemeinsam mit der Initiative »Ein Prozent«, dem Magazin Compact und ­Teilen der AfD tritt der Verein »Zentrum Automobil« in mehreren Betrieben mit eigenen »alternativen« Betriebsratslisten zur Wahl der Interessen­vertretungen an.

Auf einer Konferenz von Compact in Leipzig wurden die Pläne Ende November der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dabei waren einige extreme Rechte wie Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Anführer der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, und Björn Höcke (Jungle World 1/2018). Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht jedoch nicht der Osten der Republik. Vielmehr zielen die rechten Möchtegern-Arbeiterführer vor allem auf im Westen verankerte Automobilindustrie und damit den Organisationsbereich der größten DGB-Gewerkschaft IG Metall. Dort können sie auf bereits bestehende Strukturen aufbauen. Schon 2009 gründete Oliver Hilburger, ehemals Gitarrist der Neonaziband »Noie Werte«, im Daimler-Werk Untertürkheim die Liste »Zentrum Automobil« und vertritt diese seit 2010 im Betriebsrat. Zuvor war er bereits in der gelben, also arbeitgebernahen Gewerkschaft »Christliche Gewerkschaft Metall« (CGM) aktiv. Bei der letzten Betriebsratswahl errang »Zentrum Automobil« in Untertürkheim vier Sitze.

In diesem Jahr versuchte der Verein nicht nur, an anderen Daimler-Stand­orten Fuß zu fassen, mit Unterstützung seiner Bündnispartner rief er zudem auch in anderen Betrieben zur Wahl rechter Listen auf. Inzwischen sind die Betriebsratswahlen vielerorts abgeschlossen, und tatsächlich gelang es vereinzelt rechten Kandidaten, in die ­betrieblichen Interessenvertretungen gewählt zu werden. »Zentrum Auto­mobil« spricht in diesem Zusammenhang von einem »gigantischen Erfolg«, und »Ein Prozent« feiert die Ergebnisse gar als »Generalangriff auf das Monopol der großen Gewerkschaften«. Die Zahl rechter Betriebsräte habe sich ­verfünffacht und man sei inzwischen »in zahlreichen Betrieben quer durch alle Branchen vertreten«.

Angesichts der hohen Zustimmungs­werte, die die AfD im klassischen Arbeitermilieu genießt, könnte die Strategie langfristig durchaus Wirkung entfalten.

Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass der großspurig propagierte rechte Durchmarsch ausgeblieben ist. Insgesamt gelang es rechten Kandidaten, ­gerade einmal 19 von 78 000 Betriebsratsmandaten im Organisationsbereich der IG Metall für sich zu gewinnen; diese jedoch meist nicht zu Lasten der IG Metall, sondern vor allem anderer, häufig arbeitgebernaher Listen, wie der CGM. In Untertürkheim konnte »Zentrum Automobil« sich von vier auf sechs Sitze im 47köpfigen Betriebsrat verbessern. Allerdings konnte auch die IG Metall zulegen und ist künftig mit drei Betriebsräten mehr als bisher in dem Gremium vertreten. Am Daimler-Standort Sindelfingen ist »Zentrum Automobil« dank 3,4 Prozent der Stimmen künftig mit zwei, in Raststatt mit drei Betriebsräten vertreten.

Sowohl in der Daimler-Zentrale Stuttgart als auch am Standort Wörth verpassten die Kandidaten von »Zentrum Automobil« den Einzug in den Betriebsrat. Bei der Daimler-Tochter AMG in Affalterbach gelang es dem Verein trotzt intensiver Bemühungen noch nicht einmal, eine Liste aufzustellen. Bei BMW in Leipzig stellt die rechte Liste »Interessengemeinschaft Beruf und Familie« um den Zwickauer AfD-Funktionär Frank Neu­fert hingegen künftig vier Betriebsräte, im Leipziger Porsche-Werk sind es zwei.

 

17 der 19 Mandate für rechte Betriebsräte entfallen auf die Automobilindustrie. Hinzu kommen zwei Mandate beim Motorsägenhersteller Stihl in Waiblingen. Dort gelang es der rechten Liste »Mut zur Veränderung«, in den Betriebsrat einzuziehen. Die ­Behauptung, »quer durch alle Branchen« vertreten zu sein, scheint also eher Wunschdenken der Rechten zu sein. Um ihre Ergebnisse aufzupeppen, scheuen sie auch vor Falschmeldungen nicht zurück. So behauptet »Ein Prozent«, im von Schließung bedrohten Görlitzer Siemens-Turbinenwerk ­seien zwei rechte Kandidaten in den Betriebsrat gewählt worden. Die IG ­Metall widerspricht: »In Wahrheit gab es dort gar keine rechtspopulistische Liste«, sämtliche Mandate seien an die IG Metall gegangen, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Gewerkschaften geben sich angesichts des begrenzten Erfolgs der ­extrem rechten Listen betont gelassen. Diese hätten zwar »hohe Aufmerk­samkeit in den Medien erreicht – aber keine nennenswerten Erfolge in den Betrieben«, heißt es etwa in einer Stellungnahme der IG Metall zu den Betriebsratswahlen. Auch der DGB-­Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann warnt davor, die gegenwärtigen Ver­suche einzelner rechter Gruppierungen in die Betriebsräte einzuziehen, auf­zubauschen. »Die werden sonst dadurch aufgewertet«, so Hoffmann.

Dass es jedoch ein Fehler wäre, die betrieblichen Aktivitäten von rechts­außen zu unterschätzen, zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel des Daimler-Werks Untertürkheim. Gelang es ­»Zentrum Automobil« dort 2010 mit zwei Kan­didaten in den Betriebsrat einzuziehen, waren es bei der darauf­folgenden Wahl bereits vier. Diesmal konnte Hilburgers Liste 13,2 Prozent der Stimmen gewinnen. Immer mehr kristallisiert sich eine Arbeitsteilung in der extremen Rechten heraus. Während die AfD als parlamentarischer Arm agiert, sollen »Zentrum Automobil« und dessen Bündnispartner derjenige im Betrieb sein. ­Angesichts der hohen Zustimmungswerte, die die AfD gerade im klassischen Arbeitermilieu ­genießt, könnte diese Strategie langfristig durchaus Wirkung entfalten. ­Immerhin fällt die Agitation der AfD auch unter Gewerkschaftern auf fruchtbaren Boden – bei der Bundestagswahl im September gaben 15 Prozent der Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen der AfD ihre Stimme, in den ostdeutschen Bundesländern waren es sogar 22 Prozent.

Bei der diesjährigen Betriebsratswahl konzentrierten sich die Aktivitäten der extrem rechten Listen zwar noch auf die Automobilindustrie. Bei den nächsten Wahlen könnten jedoch auch andere Branchen in den Fokus rücken. So gründete sich kurz vor den ­Betriebsratswahlen bei der für die Sicherheit am Hamburger Flughafen ­zuständigen Firma Isec die »Dienstleistungsgewerkschaft Luft Verkehr ­Sicherheit« (DGLVS). Initiiert wurde die Gründung vom AfD-Politiker ­Robert Buck, der auch als stellvertretender Bundessprecher der AfD-Arbeitnehmerorganisation »Arbeitnehmer in der AfD« (AIDA) fungiert. Zur Teilnahme an den Betriebsratswahlen wurde sie ­jedoch gar nicht erst zugelassen. Der für die An­nahme zuständige Wahlvorstand lehnte die Vorschlagsliste der DGLVS mit der Begründung ab, die DGLVS sei keine Gewerkschaft nach den Kriterien des Betriebsverfassungsgesetzes und dürfe deshalb ­keinen Wahlvorschlag einreichen. Dieses Vorgehen wurde auch von der für den Bereich zuständigen Gewerkschaft Verdi unterstützt. »Wir begrüßen die Entscheidung des Wahlvorstandes ausdrücklich«, so Peter Bremme von ­Verdi Hamburg. »Zu einer Gewerkschaft gehören mehr als eine Satzung und ein paar Parolen. Der Wahlvorstand hat das erkannt und wir hoffen, dass der Spuk damit bei dieser Betriebsratswahl ein Ende hat. Darüber hinaus ist für uns klar, dass Gewerkschaft nur funktioniert, wenn es ein Miteinander der Beschäftigten gibt. Rassistische und ausländerfeindliche Inhalte haben da nichts zu suchen.«