In der Sahel-Zone kommt der EU-Militäreinsatz gegen Islamisten nicht voran

Neue Verbündete, alte Probleme

Der von Frankreich geführte Einsatz ausländischer Truppen in der Sahel-Zone konnte die Jihadisten bislang nicht vertreiben.

In Frankreich und anderen Staaten der EU wird intensiver über den Militär­einsatz gegen Jihadisten in der Sahel-Zone diskutiert, an dem auch Deutschland seit rund zwei Jahren mit Bundeswehrtruppen teilnimmt. Diese sind vor allem in Gao, im Norden Malis, stationiert. Die Strategie der Intervention bestimmt maßgeblich Frankreich, das militärisch wesentlich stärker in der Region vertreten ist. Die für Mali, Burkina Faso, Niger und den Tschad zuständige Streitmacht der »Operation Barkhane« zählt zwischen 4 000 und 5 000 Soldaten, die die 11 000 Soldaten der UN-Truppe Minusma sowie die aus regionalen Truppen bestehende »G5 Sahel« unterstützen. Bisher wurden 21 Franzosen und 150 Angehörige der Minusma bei den Einsätzen getötet.

Im französischen Senat, dem Oberhaus des Parlaments, wächst die Skepsis angesichts der Ergebnisse der vor mehr als fünf Jahren unter dem Codenamen »Serval« begonnenen Opera­tionen in Mali, die 2014 auf andere Sahel-Staaten ausgeweitet wurden. Bald wird ein unter Federführung von drei Senatoren der bürgerlichen Rechten erstellter Untersuchungsbericht erscheinen. Die investigative und satirische Wochenzeitung Le Canard ­enchaîné zitierte bereits vorige Woche aus dem Entwurf.

Im Bezirk Soum im Norden Burkina Fasos fliehen die Menschen nicht mehr nu vor jihadistischen Angriffen, sondern vor allem vor den Gewalttaten staatlicher Einsatzkräfte.

Trotz erheblichen Materialeinsatzes – die derzeit 4 500 Soldaten der »Ope­ration Barkhane« und die 300 Soldaten der Spezialeinsatzkräfte verfügen über 21 Helikopter, acht Kampfflugzeuge und acht Transportflugzeuge, fünf ­Aufklärungsdrohnen sowie 370 Panzerfahrzeuge – sehen die Senatoren die Truppe als unzureichend ausgestattet an. Immerhin ist das Einsatzgebiet ­ungefähr so groß wie die EU. Vor allem aber sehen sie politische Defizite. Die örtliche Staatsmacht sei in den Kampfgebieten inexistent, zumindest leiste sie nichts für die Bevölkerung. »Dort, wo eine Schule schließt, eröffnet eine Koranschule«, die oft der islamistischen Indoktrinierung diene, heißt es im ­parlamentarischen Bericht. Als mögliche Abhilfe schlagen seine Autoren vor, sich stärker auf die Regionalmacht Algerien zu stützen.

Einen inoffiziellen, jedoch politisch bedeutungsvollen Bündniswechsel scheint Frankreich unterdessen in Mali, dem Hauptkampfgebiet im Sahel, vollzogen zu haben. Bislang bekämpfte die ehemalige Kolonialmacht dort zwar die Jihadisten, hofierte jedoch deren frühere Verbündete, die separatis­tische Tuareg-Bewegung MNLA (Nationale Befreiungsbewegung für Azawad). Der MNLA, derzeit Teil der Koalition der Bewegungen von Azawad (CMA), hatte zunächst in einem taktischen Bündnis mit mehreren jihadistischen Bewegungen wie Ansar Dine, Mujao und al-Qaida im Land des islamischen Maghreb (Aqmi) im Frühjahr 2012 den gesamten Norden Malis erobert und als »Azawad« für unabhängig erklärt. ­Bereits im Juni 2012 kam es jedoch zu Kämpfen zwischen den Jihadisten und dem MNLA. Dessen Führung floh nach Burkina Faso und diente sich 2013 Frankreich als Hilfstruppe gegen die Jihadisten in Nordmali an.

 

Malische Kritiker warfen Frankreich deshalb immer wieder vor, durch die engen Beziehungen zum MNLA den ­Zentralstaat zu schwächen. Seit 2015 ­findet offiziell ein Friedensprozess zwischen dem MNLA und der CMA sowie dem Zentralstaat statt, Truppen der vormaligen Separatisten werden in Armee und Verwaltung eingebunden, zwei neue Regierungsbezirke im Norden geschaffen. Bislang gibt es jedoch nur wenig konkrete Ergebnisse.

Bei Kämpfen gegen Jihadisten im Raum Abakar nahe der Grenze zu ­Niger stützte die französische Armee sich seit dem 1. April erstmals nicht auf MNLA und CMA, sondern auf die mit ihnen verfeindete Miliz Gatia (Selbstverteidigungsgruppe der Imghad-Tuareg und Verbündete). Diese kämpfte bislang als loyalistische Truppe für den Verbleib im Zentralstaat. Die geringen militärischen Erfolge des MNLA bei der Bekämpfung jihadistischer Kräfte und die Effizienz, die der Gatia bei Kämpfen seit dem 17. Februar bewies, scheinen zu diesem Bündniswechsel beigetragen zu haben. Bis dahin hatte Frankreich sich geweigert, mit dem Gatia Gespräche zu führen.

Im Norden des kleineren Nachbarstaats Burkina Faso, an der Grenze zu Mali, hat sich unterdessen die Lage der Zivilbevölkerung dramatisch verschlechtert. Die Jihadisten töteten bei 80 Attentaten, die von 2015 bis Oktober 2017 gezählt wurden, in Burkina Faso insgesamt 133 Personen. Doch im Bezirk Soum, etwa 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Ouagadougou, fliehen die Menschen längst nicht mehr nur vor den jihadistischen Angriffen, sondern vor allem vor den ­Gewalttaten staatlicher Einsatzkräfte, die vorgeblich die Jihadisten bekämpfen. Insbesondere das GFAT, eine Antiterroreinheit, ist Gegenstand der Kritik.

25 000 Menschen flohen in den vergangenen Monaten aus dem Bezirk Soum, ungefähr 3 000 von ihnen ins Nachbarland Mali. Vor allem im ­Dezember kam es zu erheblichen Übergriffen von Soldaten gegen die Zivil­bevölkerung. Die zur Bekämpfung der Jihadisten entsandten Soldaten – oft schlecht ausgebildet und bezahlt – werfen den Zivilisten oftmals vor, den Feind zu unterstützen, weil diese nicht bereitwillig genug und nicht ausreichend Informationen lieferten. Eine interne E-Mail der Vereinten Nationen vom 5. Januar, die am vorigen Wochenende von der Pariser Abendzeitung Le Monde zitiert wurde, verzeichnete mindestens 70 Tote infolge solcher ­Attacken von Soldaten Ende Dezember 2017. Eine Delegation der UN soll die Vorwürfe in naher Zukunft an Ort und Stelle untersuchen.

Auch die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) begann eine Untersuchung und formuliert ähnliche Kritik. Ihre stellvertretende Direktorin für ­Afrika, Corinne Dufka, stellte fest: »Diese Übergriffe stellen nicht nur eine Verletzung nationalen und internationalen Rechts dar. Sie begünstigen zudem die Rekrutierung durch bewaffnete islamistische Gruppen, auch wenn diese ebenfalls ernsthafte Gewalttaten begingen.«

Tatsächlich nutzen die jihadistischen Gruppen die Übergriffe für ihre Propaganda bei der örtlichen Bevölkerung mit der Behauptung, sie bekämpften nur einen Feind, der auch den Einwohnern Schaden zufüge. So versammelten sie in Dörfern um die Stadt Djibo in Burkina Fasos Norden Einwohner und hielten moderat wirkende Ansprachen – statt, wie in früheren Fällen, von Tugendterror inspirierte Diktate zu verhängen. Die Probleme mit der örtlichen Staatsmacht sind also eher noch ­gravierender als im Bericht der französischen Senatoren dargestellt.