Die AfD befindet sich vor ihrem Bundesparteitag in einer günstigen Lage

Völkisch bleibt dynamisch

Der Konflikt der Unionsparteien versetzt die AfD vor ihrem Bundesparteitag und vor den Landtagswahlen im Herbst in eine günstige Lage. Es ist zu erwarten, dass die Partei sich weiterer Restbestände bürgerlicher Politik entledigt.

Der derzeitige Streit in den Unionsparteien stärkt eine andere Partei: die »Alternative für Deutschland« (AfD). Während CDU und CSU einander in den vergangenen Wochen wegen der Flüchtlingspolitik heftig attackierten, kletterte in Umfragen der Institute Emnid und Forsa der Anteil der Befragten, die der AfD bei einer Bundestagswahl ihre Stimme geben würden, erstmals auf 16 Prozent.

Am kommenden Wochenende trifft sich die AfD zum Bundesparteitag im Augsburger Messezentrum. Der Ort wurde wegen der anstehenden Landtagswahl in Bayern gewählt. Angekündigt sind mehrere Reden von Funktionären aus dem bayerischen Landesverband, der eine absolute Mehrheit für die CSU verhindern will. Auch der hessische Spitzenkandidat Rainer Rahn ist als Redner vorgesehen. Die Landtagswahl in Hessen soll am 28. Oktober stattfinden, also kurz nach der bayerischen, die für den 14.

Jörg Meuthen hat angekündigt, die soziale Frage auf dem Bundesparteitag der AfD anzusprechen. Der völkische Flügel will sie mit einer Art nationalem Sozialismus beantworten.

Oktober angesetzt ist. Doch die Wahl in Bayern ist symbolisch viel wichtiger. Wegen der Konkurrenz der AfD rückt die CSU weiter nach rechts – und übt ihrerseits steigenden Druck auf die CDU aus. Für die Merkel-muss-weg-Partei ist der Wahlausgang in Bayern also enorm wichtig.

Abgesehen von politischen Reden wird die Tagesordnung von Routinevorgängen dominiert: Änderungen an Satzung, Statuten und Ordnungen, die die Arbeitsweise der Organisation regeln. Doch was bei jeder anderen Partei dröge wäre, kann bei der AfD zu ernsten Konflikten führen. Personelle und inhaltliche Auseinandersetzungen werden oftmals über Fragen zur Struktur der Partei ausgetragen. So kam es beispielsweise im Januar zur Amtsenthebung des niedersächsischen Landesvorstands – auf der Grundlage eines Berichts eines Bundesrechnungsprüfers. Die Unterlegenen nennen den Bericht »tendenziös und einseitig gegen den ehemaligen Landesvorsitzenden gerichtet«. Der Parteitag soll nicht nur endgültig über diese Amtsenthebung entscheiden, sondern auch über die Finanz- und Beitragsordnung. Auch die Wahl des Schiedsgerichts und die Verabschiedung der entsprechenden Ordnung könnten konfliktträchtig werden. Bislang wurden parteiinterne Machtkämpfe gelegentlich auch über Parteiausschlussverfahren geführt. Der gescheiterte Versuch, Björn Höcke nach seiner berüchtigten

 

»Dresdner Rede« aus der Partei zu werfen, ist dafür nur das prominenteste Beispiel.
Vermutlich wird eine Debatte über die Anerkennung einer parteinahen Stiftung den Parteitag bestimmen. Eigentlich will die AfD die parteinahen Stiftungen abschaffen – sie gelten ihr als illegitimes Instrument der »Altparteien«. Solange dieses Ziel aber nicht erreicht werden kann, müsse die AfD Waffengleichheit mit ihren Konkurrentinnen herstellen, heißt es in einem Antrag zum Thema. Eine parteinahe Stiftung könnte einerseits Bundesmittel erhalten, andererseits aber auch Spenden von Privatpersonen, die dann nicht im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchen würden. So könnte viel Geld zur Unterstützung der AfD zusammenkommen. Eine Weile buhlten zwei Stiftungsvereine um die Stellung: die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), der die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach vorsitzt, und die Gustav-Stresemann-Stiftung (GSS). Der GSS-Verein war eigentlich gegründet worden, um eine Stiftung für die rechtsextreme Partei »Die Freiheit« aufzubauen, wurde aber nach deren Auflösung nicht mehr gebraucht – und von AfD-Mitgliedern übernommen. Die beiden Stiftungsvereine haben unterschiedliche personelle und inhaltliche Schwerpunkte. Mittlerweile haben sie jedoch ein Einigungspapier vorgelegt. Nach Wunsch der Vereine und des Bundesvorstands soll auf dieser Grundlage die DES anerkannt werden und einige Funktionäre der GSS aufnehmen. Doch es gibt auch Anträge, vorerst keine Stiftung anzuerkennen.

Auf den zurückliegenden Parteitagen gewann der völkische Flügel der Partei immer mehr Einfluss. Im April vergangenen Jahres sah sich die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry gezwungen, Anträge gegen den völkischen Flügel um Björn Höcke zurückzuziehen. Auf dem darauffolgenden Parteitag im Dezember fiel der Berliner Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski durch, der für einen Posten als Bundesvorsitzender kandidiert hatte. Pazderski hatte sich zuvor für einen Parteiausschluss von Höcke ausgesprochen und galt als heimlicher Anhänger Petrys, die im September aus der Partei ausgetreten war. Statt Pazderski übernahm Alexander Gauland den Parteivorsitz, zusätzlich zu seiner Funktion als Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Gauland verzichtet auf jede Abgrenzung vom Rechtsextremismus, hat sich nie gegen Höcke gewendet und fällt selbst regelmäßig mit stramm rechten Äußerungen auf. So sagte er etwa, man könne stolz auf die »Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen« sein, und bezeichnete Hitler und die Nazis als einen »Vogelschiss in über 1 000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte«.

Ob sich die personelle und inhaltliche Radikalisierung der Partei auch am Wochenende fortsetzt, wird an den Reden gemessen werden müssen, da voraussichtlich nicht viele Anträge von inhaltlicher Relevanz behandelt werden. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen hat bereits angekündigt, die Sozialpolitik in seiner Eröffnungsrede anzusprechen. Der völkische Flügel dringt schon lange darauf, die soziale Frage offensiv zu stellen – und mit einer Art nationalem Sozialismus zu beantworten. Eine entsprechende Rede Meuthens käme diesem Anliegen entgegen.

Jan Riebe, ein Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung, geht davon aus, dass die extreme Rechte ihren Einfluss in der Partei weiterhin kontinuierlich ausbauen wird. Er sagte der Jungle World: »Nur durch Provokation kann die AfD demonstrieren, dass sie außerhalb des verhassten Establishments steht, und so dafür sorgen, dass sie als einzige Alternative zu diesem wahrgenommen wird und im Gespräch bleibt. Verbunden ist damit eine verbale wie auch inhaltliche Radikalisierung.« Doch nicht nur die AfD entledige sich der Reste bürgerlicher Politik, sondern auch in der deutschen Gesellschaft sei eine Verschiebung nach rechts festzustellen, sowohl was die Sprache als auch die politischen Inhalte betreffe. Um weiter wahrgenommen zu werden, sei deshalb »eine weitere Radikalisierung für die AfD unerlässlich«. Riebe nennt dies einen »sich bedingenden Kreislauf«.

Demnach hat der völkische Flügel gute Aussichten. Als vergleichsweise moderat geltende Arbeitsgruppen der AfD wie die »Alternative Mitte« sieht Riebe abgeschlagen, die extreme Rechte sei innerhalb der Partei viel besser organisiert. Auch der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung konstatierte im Gespräch mit der Jungle World eine Erweiterung der rechtsextremen Dominanz. Einen »moderaten« oder »gemäßigten« Flügel gibt es seiner Ansicht nach in der AfD nicht mehr. »Streit gibt es in der Partei nur um das Wie, jeder vermeintliche Flügelkampf ist nur ein Kampf um persönliche Eitelkeiten, bei dem es nicht um wirkliche inhaltliche Differenzen geht, sondern um selbstverliebten Egoismus und die Frage, wer mehr Macht hat«, so Salzborn.