Quinn Slobodian, US-amerikanischer Historiker, im Gespräch über das Verhältnis von Rechtspopulisten zu Neoliberalen

»Ende der Neunziger kamen Neoliberale auf die Idee, die EU sei von Sozialisten übernommen worden«

Interview Von Bernd Beier Pavlos Roufos

Quinn Slobodian ist außerordentlicher Professor für moderne deutsche und internationale Geschichte mit Schwerpunkt auf den Nord-Süd-Beziehungen, sozialen Bewegungen und der Ideengeschichte des Neoliberalismus am Wellesley College in Massachusetts. Die »Jungle World« sprach mit ihm über das Verhältnis von Rechtspopulisten und Neoliberalen zu Nationalstaat und supranationalen Institutionen wie der EU.

Sie weisen die verbreitete Ansicht, dass die heutigen Rechtspopulisten in einem Gegensatz zu »globalis­tischen« Neoliberalen stehen, als historisch falsch zurück. Wie de­finieren Sie überhaupt Neoliberalismus?
Ich beziehe mich auf die Arbeiten erklärter Neoliberaler. Der Begriff wurde 1938 geprägt, als sich eine Gruppe von Ökonomen, Journalisten und Politikern in Paris traf, darunter Friedrich Hayek, Ludwig von Mises, Wilhelm Röpke, Walter Lippmann und Louis Rougier. Mit Blick auf die Große Depression fragten sie sich, wie der Kapitalismus trotz seiner inneren Tendenz zur Selbstzerstörung überleben kann. Für sie war klar, dass eine unumschränkte Herrschaft kapitalistischer Interessen, ein gänzlich unregulierter und ungezähmter Kapitalismus, zu einer Gegenreaktion der Bevölkerung führen muss – zu einer zwangsläufig kommunistischen oder sozialistischen Opposition, die ihn stürzen würde. Sie erkannten, dass man neu über den Staat nachdenken musste, um dies zu verhindern: Das Überleben des Kapitalismus erfordere einen starken Staat.

»Kaum waren supranationale Institutionen entstanden, kam bei einigen Neoliberalen die Sorge auf, jene könnten zu neuen Mitteln werden, um den Sozialismus auf die nächsthöhere Ebene zu bringen.«

Was bedeutet das auf internationaler Ebene?
Ausgehend von dieser Gruppe gab es von den dreißiger Jahren bis in die Neunziger Debatten über geeignete Institutionen, die souveräne Staaten an Maßnahmen hindern könnten, die nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Weltwirtschaft liegen. Wenn man sich ansieht, wie Nationalstaaten in neue Struk­turen wie das Zollabkommen GATT, das 1995 zur Welthandelsorganisation (WTO) wurde, den Internationalen Währungsfonds (IWF) oder die Europäische Union eingebettet wurden, dann zeigt sich, dass diese Institutionen zwar verschiedenen Zwecken dienen, eine der wichtigsten gemeinsamen Zielsetzungen aber darin besteht, die Einschränkung von Handel und Kapitalverkehr zwischen Nationalstaaten zu verhindern.

In den neunziger Jahren schien das neoliberale Projekt vollständig zu triumphieren. Binnen weniger Jahre entstanden die Euro-Zone, die nordamerikanische Freihandelszone Nafta und die WTO. Nach dem Ende des Kalten Kriegs sah es so aus, als habe eine Interpretation des Kapitalismus, der die freie Bewegung von Gütern und Geld als zu schützender Grundwert gilt, den Sieg errungen.
Doch genau in diesem Moment in den neunziger Jahren, als es so schien, dass der Neoliberalismus alle seine Gegner bezwungen habe und supranationale Institutionen entstanden ­waren, die den Kapitalismus schützen, kam bei einigen Neoliberalen die Sorge auf, diese Institutionen könnten zu neuen Mitteln werden, um den Sozialismus auf die nächsthöhere Ebene zu bringen. Das gilt für bestimmte Figuren im Umkreis der Mont Pèlerin Society, darunter Hayek, der bis 1992 lebte, Ralph Harris, Pascal Salin, Antonio Mar­tino, Roland Vaubel und Gerard Radnitzky.

Was dachten sie über die EU?
Ironischerweise erschien ihnen Europa nicht als neoliberal, sondern als ein »soziales Europa«, das sozialen Forderungen durch Transfers und Strukturfonds entgegenkommt, anstatt sie einzudämmen. Einige wichtige Neoliberale begannen daher zu argumentieren, dass solche supranationalen Institutionen keine verlässlichen Hüter der ökonomischen Verfassung seien und es eine andere Grundlage für den Schutz des Kapitalismus brauche. In diesem Kontext kam die Überzeugung auf, der Nationalstaat sei vertrauenswürdiger als größere Gebilde wie die EU, die WTO oder Nafta.

Was war die Position dieser Neoliberalen zur Einführung des Euro?
Einige Neoliberale, auch hier in Deutschland, sprachen sich öffentlich dagegen aus. Die AfD zum Beispiel entstand bekanntlich als eine Anti-Euro-Partei. Eine solche Mobilisierung fing bereits Mitte der neunziger Jahre an: Es entstanden Splitterparteien wie der Bund Freier Bürger, während der Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty – später Mitglied der Mont Pèlerin Society – vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro klagte. Europa galt nun als das Problem, nicht als die Lösung; es wurde befürchtet, dass Zentralbanker mit linken Neigungen – besonders französische – den Euro übernehmen könnten, der somit kein Hebel zur Durchsetzung von Aus­teritätspolitik mehr wäre. So wurde der Nationalismus als positive Kraft wiederentdeckt. Anfangs wurde diese Kritik aus der Perspektive der Geldpolitik formuliert, aber sehr schnell kam der Gedanke auf, dass monetäre Souveränität nur dort funktioniert, wo bestimmte kulturelle Eigenschaften und Tugenden gegeben sind – die sich, so der nächste Schritt, vielleicht nur bei bestimmten Menschen finden. Die Deutschen hätten zwar nicht unbedingt ein Monopol auf solche Tugenden, hieß es, aber Umsicht, langfristiges Denken und Disziplin ­seien bei ihnen stark verwurzelt.

Das erhellt die Beziehung der AfD zum neoliberalen Projekt. Aber kann man mit Blick auf Donald Trump oder das Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU eine ähnliche Beziehung nachzeichnen?
Zunächst muss man erwähnen, dass die AfD im vergangenen Juni ein neues Programm angekündigt hat, mit dem sie zu vielen eindeutig neoliberalen Punkten im vorherigen Programm explizit auf Abstand gehen will. Ihre derzeitige Taktik besteht darin, die angebliche Kriminalität von Migranten anhand von einzelnen Fällen noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken, schnellere Abschiebeverfahren zu fordern und sich zugleich für die Stärkung des Sozialstaats auszusprechen. Ob das eine langfristige Position ist, wird sich zeigen. Die wiederholten Rufe der AfD nach Haushaltsdisziplin und Ausgabenkürzungen bei gleich­zeitiger Ablehnung neuer Steuern sprechen dafür, dass sie viele »soziale« Versprechen opfern würde, sollte sie eine gewisse Macht bekommen. An­dererseits haben sich manche rechte, nationalistische Parteien mit neoliberalen Ursprüngen, etwa der französische Front National, im Lauf der Zeit durchaus ein stärker national-»soziales« Profil zugelegt, auch das ist also nicht ausgeschlossen.

Was die geistigen Ursprünge des »Brexit« betrifft, gilt in der Tat dasselbe wie für den Aufstieg der AfD oder der FPÖ. Margaret Thatcher sagte 1988 in Brügge in einer berühmten Rede: »Wir haben in Großbritannien die Grenzen staatlicher Einmischung nicht erfolgreich zurückgedrängt, um dann feststellen zu müssen, dass diese auf europäischer Ebene wiederhergestellt ­werden, unter einem Superstaat mit neuer Vormachtstellung in Brüssel.« Unmittelbar danach rief Ralph Harris, der mit dem Institute of Economic ­Affairs den ersten britischen neoliberalen Think Tank gegründet hatte, die Bruges Group ins Leben, aus der der erste euroskeptische Think Tank hervorging. Daraus entstand wiederum das Center for the New Europe mit Sitz in Brüssel. Gesteuert wurden diese Einrichtungen durchweg von Neoliberalen der Mont Pèlerin Society. Und die hatten genau dieselbe Befürchtung wie die kleinen euroskeptischen Parteien, die in den neunziger Jahren entstanden, nämlich dass sich Europa in eine falsche Richtung bewege.

Wie kamen diese Leute zu dem Schluss, dass man – wie mit dem »Brexit«-Votum  beschlossen – aus der EU austreten sollte?
Der erste, der für eine Verankerung des Rechts auf Loslösung im Maastrichter Vertrag eintrat, war der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger James M. Buchanan. In den neunziger Jahren scharten sich die Neoliberalen um die in Berlin angesiedelte European Constitutional Group, die durchgängig dieselbe Position vertreten hat. Am Ende der Dekade forderten einige ihrer Mitglieder sogar die Auflösung der EU – nicht nur des Euro, sondern der EU! Wie sie auf die Idee kamen, die EU sei von Sozialisten übernommen worden, ist schwer erklärlich, aber tatsächlich glaubten sie das. Das Londoner Institute of Economic Affairs erklärte in einem Kommentar drei Monate vor der Abstimmung über den EU-Austritt: »Hayek wäre ein Brexit-Befürworter gewesen«. Nigel Farage (von der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party, Ukip, Anm. d. Red.) hatte selbst mit der Bruges Group zu tun, 2001 verurteilte er gemeinsam mit ihr in einem Papier die »Volksrepublik Europa«. Heute rühmt sich die Gruppe, sie sei »die Speerspitze im geistigen Kampf dafür gewesen, ein Votum für den Austritt aus der Europäischen Union zu gewinnen«.

Einige führende Vertreter des euro­skeptischen Flügels der Tories, der schon immer Hayek nahestand, sowie die Ukip mit ihren auf Souveränität geeichten Argumenten folgten einer ähnlichen national-antieuropäischen Linie. Das ausdrücklich formulierte Programm der »Brexit«-Befürworter zielt aber nicht auf ökonomischen Isolationismus und auch nicht wirklich auf Wirtschaftsnationalismus, sondern auf eine Abkehr vom regulierten europäischen Markt, zurück zum Weltmarkt – das war mit dem ganzen Gerede über ein global Britain gemeint.

 

Wie fügt sich Donald Trump mit seiner Politik in dieses Bild ein?
Das ist aus meiner Sicht etwas ganz anderes. Wenn es um Handelspolitik geht, sollte man nicht auf Trump selbst schauen, sondern auf den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, der über enorme Macht verfügt, aber aus irgendeinem Grund wenig beachtet wird. Er war bereits unter Reagan stellvertretender Handelsbeauftragter, was insofern bezeichnend ist, als der US-amerikanische Präsident Ronald Rea­gan Mitte der achtziger Jahre gegenüber Japan teilweise ganz ähnlich agierte wie heute Trump gegenüber China. Damals hieß das »aggressiver Unilateralismus« – stark vereinfacht: Die USA forderten zum Beispiel Japan auf, doch bitteschön nicht so viele Autos auszuführen, sich also in freiwilliger Exporteinschränkung zu üben. Und Japan leistete dem Folge, um Amerika bei Laune zu halten. Ebenso griffen die USA auf Paragraph 301 ihres Handelsgesetzes zurück, um sich per Exekutivgewalt über das damals noch bestehende GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) hinwegzusetzen und US-amerikanische Produkte vor »unfairen« Handelspraktiken zu schützen. Man muss also nicht bis in die dreißiger Jahre zurückgehen, um in den USA Parallelen zu Trumps Vorgehen zu finden, die gab es auch in den achtziger Jahren unter Reagan. Das sollte man als Erstes festhalten.

Zweitens verfolgt Trump eine Politik des Sowohl-als-auch, nicht des Entweder-oder. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht die WTO als Institution in Frage stellt und zugleich seine Regierung eine Beschwerde bei ihr einlegt. Dass Trump die WTO rundweg ablehnt, stimmt einfach nicht. Er nutzt sie zum eigenen Vorteil, während er gleichzeitig ihre Legitimität in Zweifel zieht.

Worin besteht der Unterschied zwischen rechten Euroskeptikern und Trump?
Ihre schiere Größe ermöglicht den USA politische Maßnahmen gegen den Status quo, die anderen Ländern schlichtweg nicht offenstehen. Trump wird sein erratisches Verhalten nicht nur deshalb gestattet, weil es der US-Ökonomie zurzeit so gut geht, dass er viel Spielraum für destruktive wirtschaftspolitische Eingriffe hat, sondern auch wegen der Abhängigkeit eines Landes wie China von den USA, das sich entsprechend viel gefallen lässt, bevor ein reales Problem entsteht. Bei einem Treffen mit europäischen Vertretern meinten die Chinesen kürzlich sinngemäß: »Vielleicht hat Amerika recht, wir sollten die WTO reformieren und die geistigen Eigentumsrechte stärken.« Reagan verfolgte einen harten Kurs gegenüber Japan, um aus dem GATT die WTO zu machen, was damals den USA zugutekam. Vermutlich zielt Trumps harter Kurs gegenüber China heute auf eine neue WTO, die ebenfalls den USA zugutekommt. In diesem Fall würden wir nicht die Zerstörung des internationalen Systems erleben, sondern lediglich seine Reform zugunsten US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen, was kaum überraschen könnte.

Manche Beobachter argumentieren, Trumps zum Handelskrieg treibende Politik sei weniger irrwitzig, als es scheint, wenn man sie als Präventivmaßnahme gegen eine absehbare Entwicklung versteht: Da die USA ihre hegemoniale Rolle in der Weltordnung mehr und mehr verlören und China ihren Platz einnehmen wolle, bereite sich die Trump-Regierung – auch wenn es im Moment nicht so scheinen mag – in Wirklichkeit auf eine Situation vor, die sich ihrer Kontrolle entzieht, und versuche, die USA entsprechend zu positionieren.
Genau so sieht es meines Erachtens jemand wie Trumps Handelsbeauftragter Lighthizer. Er führte damals den Kampf gegen Japan, und ­Japan kapitulierte, weil es nicht groß genug ist, um auf irgendeiner Ebene wirtschaftlich eigenständig zu sein – es kann keine ausreichende Nachfrage für seine eigenen Produkte schaffen. China dagegen kann das. Eben diese Angst hat es mit seiner Vision »China 2025« heraufbeschworen – dass es ­seine eigenen Verbraucher schaffen kann und folglich nicht mehr auf die US-amerikanischen angewiesen wäre, wie es bis heute der Fall ist. In dieser Hinsicht bin ich fest davon überzeugt, dass der aggressive Kurs der US-Re­gierung auf einer bestimmten realistischen Ebene durchaus Sinn ergibt, denn sie will verhindern, dass China diesen Weg verfolgt – ein Versuch der Eindämmung. Unternehmen wie Foxconn, die gewöhnlich in China produzieren, sollen nach Wisconsin geholt werden, um die chinesische und die US-amerikanische Produktion zu verzahnen. Gelingt eine solche Rückver­lagerung von Produktionsketten in die USA, dann lässt sich vielleicht eine Art von wechselseitiger Abhängigkeit herstellen, die schwer zu umgehen ist. Darin bestünde die größte Ironie: Der aggressive Wirtschaftsnationalismus würde dann in Wirklichkeit dazu dienen, eine stärkere Verflechtung zu erzeugen.

Würden Sie Trumps Politik als neoliberal bezeichnen?
Es empfiehlt sich vermutlich, die Diskussion über Trump von der Diskussion über die Entwicklungslinien des Neoliberalismus zu trennen, denn meines Erachtens agiert Trump in einem anderen Vorstellungshorizont. Wenn wir von Hayek und Co. seit den dreißiger Jahren bis heute ausgehen, dann haben neoliberale Intellektuelle – zumindest ihrem Selbstverständnis nach – das Ziel von Wirtschaftspolitik immer in einer Entpolitisierung gesehen. Das unterscheidet sich deutlich von Trumps Taktik, die gerade auf Politisierung zielt. Er sagt ausdrücklich, dass ökonomische Entscheidungen immer politisch sind, dass es so etwas wie »die Weltwirtschaft« oder »die Globalisierung«, die uns dazu zwingen würde, dies oder jenes zu tun, gar nicht gibt: Amerika hat bestimmte Interessen und Amerika wird sich über das, was »die Weltwirtschaft« sagt, hinwegsetzen. Trump führt in die politische Ökonomie wieder die Politik ein, und zwar in einer Weise, die der Hauptlinie des globalen neoliberalen Projekts zuwiderläuft.

Darin besteht eine seltsame Übereinstimmung mit linken Kritiken. Denn auch Linke erklären seit Jahrzehnten, dass wir die Politik in die politische Ökonomie (wirtschaftliche Fragen, Entscheidungen) zurückbringen müssen. Auch sie meinen, es gebe gar keine Entpolitisierung, alles, was apolitisch scheint, sei in Wirklichkeit politisch.

Wie hat sich diese »seltsame Übereinstimmung« im US-Wahlkampf gezeigt?
2016 stand Amerika an einem Scheideweg: Die Politik konnte durch das Programm von Bernie Sanders oder durch das von Donald Trump wieder Eingang in die politische Ökonomie finden. Beide standen für eine Repolitisierung der Wirtschaft, wenn auch natürlich mit unterschiedlichen Vorstellungen über gesellschaftliche Ziele, die menschliche Natur, das gute Leben und so weiter. Es war dann zwar leider Trump, der die bisherige Entpolitisierung erfolgreich in Frage gestellt hat, aber das hat eine Öffnung bewirkt, die auch Anhängern einer anderen Politik die Möglichkeit bietet, ihre Vorstellungen überzeugend zu präsentieren. Darin besteht nun die Herausforderung.

Und wie könnte eine gesellschaftliche Veränderung in dieser Situation aussehen?
Was ist heute die umfassendste Ebene, auf der man über Politik nachdenken kann? Das Jahr 2016 war so elektrisierend, weil der Wahlkampf von Bernie Sanders mit sehr großen Begriffen gearbeitet hat. Was immer man über die Frage der Machbarkeit denkt, die Größenordnung, in der über eine mögliche Veränderung der USA nachgedacht wurde, war enorm. Und aus diesen traumartigen Hoffnungen sind wir in die ständige Panik herabgestürzt, die die Hektik der Schlagzeilen erzeugt. Gerade jetzt kommt es darauf an, aus dieser Hektik herauszutreten und grundsätzlicher zu denken. Wir müssen historisch denken. Wir müssen uns darüber klar werden, aus welchen Traditionen wir schöpfen, welche Ziele und Werte aus den letzten 100 oder 200 Jahren uns etwas bedeuten.

Und darüber, was einer neuen Bewegung Orientierung geben könnte. Dabei kann es kein Einlenken gegenüber der Rechten geben, keine Sündenbockkampagnen gegen Migranten und keine Übernahme einer Sprache der ethnischen Ausgrenzung, wie wir es bei manchen Versuchen, sogenannte linkspopulistische Bewegungen aufzubauen, beobachten konnten. Der demos hat sich erweitert, und zwar in einer vormals undenkbaren Weise. Unsere Lehre aus der Geschichte muss lauten, dass nichts unvermeidbar, aber fast alles möglich ist. Die Geschichte der Demokratie ist noch nicht zu Ende.
 

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch:
Felix Kurz