Deutschland sitzt wieder im UN-Sicherheitsrat, die Konflikte mit den USA verschärfen sich derweil

Deutschland darf sitzen

Seit Anfang des Jahres hat die Bundesrepublik Deutschland wieder einen der nichtständigen Sitze im UN-Sicherheitsrat inne, zum sechsten Mal in ihrer Geschichte. Die zweijährige Amtsperiode dürfte von neuen geopolitischen Konflikten geprägt sein.

Für die Bundesrepublik ist es fast schon Routine: Alle acht Jahre bewirbt sie sich auf einen der nichtständigen Sitze im UN-Sicherheitsrat. Im mächtigsten Gremium des Staatenbundes üben zwar immer noch die ständigen Mitglieder, die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und China, die eigentliche Kontrolle aus, doch haben auch zehn weitere Mitglieder – aus jeder Weltregion jeweils zwei – die Möglichkeit, die Politik mitzuprägen. Aus der von Westeuropa, Australien, Neuseeland, Kanada und Israel gebildeten Staatengruppe sind das seit Jahresbeginn Deutschland und Belgien.

Als einer der reichsten und größten Staaten der Welt leistet die Bundesrepublik den viertgrößten finanziellen Beitrag zum UN-Budget und entsendet etwa 3 500 Soldaten, Polizisten und ­zivile Experten zu UN-Missionen – vom Nordirak über Mali, Kosovo und den Kongo bis Afghanistan. »Wir rücken durch die Mitgliedschaft noch näher an die Krisen und Konflikte heran«, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Ende des Jahres. »Ich glaube, dass unsere Verantwortung wächst.«

Ein Konkurrent hatte der deutschen Bewerbung auf einen Sitz im Sicherheitsrat zunächst noch im Weg gestanden: Israel, das wie kein anderer Staat der Welt seit Jahrzehnten Objekt der UN-Beschlüsse ist (...) Geographisch würde Israel eigentlich zur asiatischen Staatengruppe in der Uno gehören. Doch die darin bestimmenden arabischen Staaten verweigerten Israel jahrzehntelang die Aufnahme. Von vielen UN-Gremien war Israel deshalb ausgeschlossen – so auch vom Sicherheitsrat.

Ein Konkurrent hatte der deutschen Bewerbung auf einen Sitz im Sicherheitsrat zunächst noch im Weg gestanden: Israel, das wie kein anderer Staat der Welt seit Jahrzehnten Objekt der UN-Beschlüsse ist, seien es die zahlreichen Resolutionen des Sicherheitsrats zur Regelung des Palästina-Konflikts oder die Beschlüsse der israelfeindlichen Mehrheit in der Generalversammlung. Geographisch würde Israel eigentlich zur asiatischen Staatengruppe in der Uno gehören. Doch die darin bestimmenden arabischen Staaten verweigerten Israel jahrzehntelang die Aufnahme. Von vielen UN-Gremien war Israel deshalb ausgeschlossen – so auch vom Sicherheitsrat.

Erst im Jahr 2000 wurde Israel in die westeuropäische Staatengruppe aufgenommen. 2019 wollte das Land zum ersten Mal einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat erhalten. Dass Deutschland angesichts dessen nicht auf eine Kandidatur verzichtete, rief ­international auch Kritik hervor. Besonders die USA unterstützten die ­israelische Kandidatur. Richard Grenell, der US-amerikanische Botschafter in Deutschland, sagte im März letzten Jahres sogar, dass vor 20 Jahren auf Betreiben der USA eine Abmachung getroffen worden sei, der zufolge Israel im Jahr 2018 ohne Gegenkandidaten für einen Sitz kandidieren sollte. Die deutsche Regierung dementierte, dass es eine solche Absprache je gegeben habe. »Wir kandidieren gegen niemanden. Sondern wir kandidieren für einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen«, sagte Maas. Damit überließ er die Entscheidung formell dem Wahlver­halten der UN-Generalversammlung, die über jede Kandidatur mit Mehrheitsentscheid abstimmt. Dass dort trotz sich verändernder Bündniskonstellationen im Nahen Osten eine Abstimmungsmehrheit für Israel kaum vorstellbar ist, dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass Israel seine Kandidatur im Mai schließlich zurückzog und so den Weg für Deutschland endgültig freimachte.

Die offene Konkurrenz der beiden Bewerber Deutschland und Israel warf ein Schlaglicht auf die zuletzt wieder gewachsenen Interessengegensätze zwischen Deutschland und den USA vor allem in der Frage des Atomabkommens mit dem Iran. Bei einer Sicherheitsratssitzung Anfang Dezember bekräftigte die EU-Delegation, trotz des wachsenden Drucks seitens der Regierung Trump am Abkommen mit dem Iran festhalten zu wollen. Wenige Tage zuvor hatte der Iran eine ballistische Rakete getestet, die Fachleuten zufolge in der Lage ist, einen Atomsprengkopf zu transportieren. Während die US-Regierung darin eine klare Verletzung der UN-Resolution sah, mit der der Sicherheitsrat dem Nuklearabkommen zu­gestimmt hatte, hielt sich die EU zurück. Sie kritisierte zwar ebenfalls das iranische Raketenprogramm, doch griff der deutsche Delegierte zugleich die USA an: Sie nähmen die iranische Raketenrüstung zum Vorwand, um das Abkommen insgesamt in Frage zu stellen, und schütteten damit »das Kind mit dem Bade aus«. Serge Christiane, Vertreter der EU-Delegation bei der Uno, sagte, man sei der iranischen Regierung »für ihre standhafte Unterstützung des Nuklearabkommens ernsthaft dankbar«.

So steht die beginnende zweijährige Amtsperiode Deutschlands als Mitglied des Sicherheitsrats im Zeichen der wachsenden Spannungen mit den USA, die sich auch ideologisch ausdrücken. Während Präsident Trump in einer Rede vor der UN-Vollversammlung im September seine Ablehnung der »Ideologie des Globalismus« und des multilateralen Prinzips der global governance ausdrückte, propagiert Deutschland internationale Institutionen und Abkommen. Das Pariser Klimaschutzabkommen, das Atomabkommen mit dem Iran, der Internationale Strafgerichtshof, auch nichtbindende Abkommen wie der »Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration«, werden von den USA ab­gelehnt und von Deutschland unterstützt.

Schwerpunkte der deutschen Arbeit im Sicherheitsrat sollen dem Auswär­tigen Amt zufolge Konfliktprävention, humanitäre Organisationen, Frauenrechte, Abrüstung sowie das Thema Klima und Sicherheit sein. Bereits seit 2011 fordert die Bundesrepublik, dass die Uno die bevorstehenden Verwerfungen durch den Klimawandel auch als ­Sicherheitsproblem betrachten müsse. »Die durch den Klimawandel ausgelöste Zunahme an Extremwetterereignissen und deren Folgen für Nahrungsmittel- und Trinkwasserressourcen können ganze Regionen destabilisieren«, hieß es kürzlich vom Auswärtigen Amt. Ressourcenknappheit und Migration könnten zu mehr Konflikten führen. Bereits jetzt werde auf Initiative der Bundesregierung in internationalen Gremien untersucht, »welche Auswirkungen der Klimawandel auf fra­gile Staaten und Regionen haben wird«; die EU bereite sich darauf vor, »systemische Risiken, die aus dem Klimawandel resultieren, zu minimieren, bevor Krisen ausgelöst werden«.

Die Bundesregierung will in den nächsten zwei Jahren auch weiter auf ein lang gehegtes Ziel hinarbeiten: einen ­eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Die sogenannten G4-Länder Brasilien, Indien, Japan und Deutschland unterstützen gegenseitig ihre Forderung nach einem permanenten Sitz sowie einer Vertretung Afrikas. Realistisch ist eine solche Reform, über die seit Ende des Kalten Krieges immer wieder diskutiert wird, jedoch nicht. Sowohl die Interessengegensätze der Großmächte wie auch die verschiedenen regionalen Ungleichgewichte – so ist etwa Italien ein Gegner eines stän­digen deutschen Sitzes – stehen dem im Wege.

Die Bundesregierung will deshalb in Zukunft in der Uno das Gewicht der ­gesamten EU einbringen. »Wir werden unseren Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen europäisch interpre­tieren«, hatte Außenminister Maas im Sommer in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland angekündigt. »Wir wollen zeigen, dass wir es ernst meinen mit dem gemeinsamen europäischen Sitz. Denn das bleibt das Ziel.« Wie viel Gewicht die EU mittlerweile überhaupt noch in die Waagschale werfen kann, ist angesichts des bevorstehenden Austritts des Vereinigten Königreichs und des Erstarkens euroskeptischer und antieuropäischer Bewegungen in zahlreichen EU-Ländern jedoch fraglich.