Die preisgekrönte Reportage

Quasimodo tanzt noch

Kolumne Von Leo Fischer

Notre-Dame hat uns verändert, ein Stück Freiheit ist gestorben. Wie geht Frankreich mit dem Schock um? Starkolumnist Leo Fischer ist für uns in Paris.

Notre-Dame hat uns verändert. Uns, Europa, die Welt. Ein Stück Freiheit ist gestorben, ein Stück Kuchen für immer aufgegessen. Nie wieder werden wir Fotos von Paris ansehen oder welche in Paris machen können, ohne daran zu denken: Hier wurde der Westen ins Herz (sacre cœur) getroffen. Nie wieder werden wir unschuldige Lieder wie »Frère Jacques« singen können, denn angesichts des eingestürzten Daches macht einen das Klimbim der Glocken nur traurig.

Doch wie konnte es so weit kommen? Wie kann es sein, dass im Frankreich des 21. Jahrhunderts überhaupt noch Gebäude brennen? Waren Jahrzehnte europäischer Brandschutzverordnungen für die Katz (Macron: »pour le chat«)? Wenn ja: Was taugen EU-Normen, wenn sie nicht einmal die wichtigsten EU-Wahrzeichen ausreichend zu schützen vermögen? Warum kommen die Millionäre mit ihren Spendenmilliarden erst jetzt an? Welche Personen und Gebäude in Europa be­stehen noch aus Holz? Was wusste Greta Thunberg? Wie viel Kohlendioxid erzeugt ein Kirchenbrand? Ist Trauer legitim? Ist Gleichgültigkeit egal? Ist geteiltes Leid noch halbes Leid? Wo kriege ich für meine Trauer netto am meisten raus?

Ein Rechercheteam ihres Starkolumnisten der Jungle World befindet sich in Paris, um diesen und anderen Fragen nachzugehen. Wir waren in der Kirche, in der statt Weihrauch Rauch um den Altar zieht, haben mit Menschen gesprochen, die live dabei waren, als der Kirchenbrand im Fernsehen zu sehen war. Wir waren in Euro-Disneyland Paris – wo immer noch der Glöckner und Isabelle pünktlich um zwölf Uhr bei der ­großen Parade tanzen, als sei nichts geschehen, und heile Welt für ein zahlungskräftiges Publikum spielen. Wir sprachen mit der letzten noch lebenden Nachfahrin von Victor Hugo, die auch keine Antwort weiß. Und wir fanden einen Experten, der es uns erlaubt, ein klitzekleines bisschen so zu tun, als sei es doch ein Terroranschlag gewesen, obwohl derzeit leider alles dagegen spricht. Dies alles nächste Woche hier in der jetzt schon preisgekrönten Repor­tage!