Kulturkampf von rechts

Ariernachweis für die Staatsoper

Die AfD betreibt völkische Kulturpolitik. Linke, nichtdeutsche und liberale Künstler sollen aus dem Kulturleben verschwinden.

Bemerkt man einen Unterschied bei der Aufführung von Mozarts »Zauberflöte«, je nach Staatsangehörigkeit der Sänger? Tanzt ein Ballett unterschiedlich, je nach Staatsangehörigkeit der Tänzerinnen? Die AfD-Landtagsabgeordneten Klaus Dürr und Rainer Balzer scheinen dieswer Auffassung zu sein. In ihrer Kleinen Anfrage im Landtag von Baden-Württemberg fragen sie nach den Ausbildungsorten und explizit nach der Staatsangehörigkeit der Künstler in Staatsdiensten. Die offizielle Erklärung der AfD für die umstrittene Anfrage lautet, es gehe ihr um eine »Einschätzung der Qualität der eigenen Nachwuchskünstler im internationalen Vergleich«.

AfD-Parteiphilosoph Marc Jongen kündigte bereits 2017 an: Es sei ihm »Ehre und Freude«, »die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen«.

Näher liegt allerdings, dass die AfD in die Schlagzeilen zurückkehren will. Angesichts des Erfolgs der Grünen und der immer größer werdenden Sorgen wegen der Folgen des Klimawandels zieht das Thema Flüchtlinge in den Medien nur noch begrenzt. Die AfD betreibt eine deutschnationale Kunst- und Kulturpolitik, in der Kultur von völkischen Kriterien und deutschen Tugenden geprägt sein soll. Der als AfD-Hausphilosoph geltende Bundestagsabgeordnete Marc Jongen kündigte bereits 2017 großspurig an: Es werde ihm »eine Ehre und Freude« sein, »die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen«. Dass damit vor allem linke, nichtdeutsche und liberale Künstler und Werke ­gemeint sind, die zugunsten eines völkisch-national gesinnten Kulturbetriebs entfernt werden sollen, liegt auf der Hand.

Das Unterfangen ist ein weiterer Beleg für den von der AfD propagierten »Kulturkampf« von rechts, der sich bereits im Jahr 2015 einmal zuspitzte, als die Oper stellvertretend für den gesamten Stuttgarter Kulturbetrieb gegen die aus dem AfD-Umfeld initiierte »Demo für alle« auf vielfältige Art und Weise Stellung bezog und sich an den Gegenprotesten beteiligten. Damals wurden Pressemitteilungen versandt und an der Stuttgarter Staatsoper mehrfach Transparente angebracht, die sich eindeutig gegen die Kundgebung richteten. Die »Demo für alle« war nach dem Vorbild der 2012 gegründeten französischen Bewegung »Manif pour tous« entstanden, die sich vor allem gegen die gleichgeschlechtliche Ehe richtete. Die »Demo für alle« wandte sich besonders ­gegen neue Bildungsinhalte an Schulen , die sie als »Frühsexualisierung« und »Genderwahn« diffa­mierte. Die Proteste von 2015 dürften die Initiatoren der »Demo für alle«, unter ihnen die führende AfD-­Politikerin Beatrix von Storch sowie AfD-nahe evangelikale und russlanddeutsche Gruppen und die AfD insgesamt, nicht vergessen haben.
Während das baden-württembergische Kultusministerium der Anfrage – wenn auch betont langsam – nachkommen will, regt sich im Land breiter Protest. Die Staatsoper Stuttgart betont, dass »Kunst keine Grenzen kennt«, und fragt in einer Stellungnahme im Namen der Staatstheater Stuttgart zu den Auskunftswünschen der AfD, »was überhaupt der künstlerische oder kunstpolitische Erkenntnisgewinn aus ihrer Beantwortung sein könnte«.

Am deutlichsten äußerte sich der Widerstand in Form einer Kundgebung unter dem Motto »Schützt die Kultur vor den Rechten« am vorvergangenen Samstag im Stuttgarter Schlossgarten, nahe der Oper – jenem Ort, an dem stets die »Demo für alle« endete. Joe Bauer, der Organisator der Kund­gebung, sagte zum Umgang mit dem rechten Kulturkampf, es sei naiv, »Rechten und Nazis generell Bildung und Kultur abzusprechen. Die haben sehr wohl eine Kultur – nämlich eine deutsch-nationalistische, menschen­verachtende.« Mit mehreren Hundert Teilnehmern zeigte die Kundgebung, dass die AfD ihren Kulturkampf nicht widerstandslos führen kann. Es gab ­Reden und musikalische Beiträge von Kunst- und Kulturschaffenden, sowohl von solchen, die in staatlichen Einrichtungen angestellt sind, als auch von freischaffenden. Wie schon 2015 anlässlich der »Demo für alle« bezog die Staatsoper Stellung mit einem großen Transparent in Regenbogenfarben und dem Schriftzug »Vielfalt«.

Eine weitere Gruppe, die sich äußerte, war die Initiative »Die Vielen«, ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Kunst- und Kulturschaffenden, der bereits seit längerem vor den Angriffen der AfD auf die Kunstfreiheit warnt. »Die Kunst bleibt vielfältig!« – Das forderten 329 Unterzeichner eines Aufrufs des baden-württembergischen Ablegers von »Die Vielen«. Eine satirische Reaktion gab es vom Theater Ulm. Dieses formulierte eine »Kleine Anfrage« an die AfD, in der es unter anderem fragte, wie viele AfD-Mitglieder wegen Gewaltverbrechen vorbestraft seien.

Antifaschistinnen und Antifaschisten äußerten sich ebenfalls. Das Bündnis »Mut gegen rechts«, das vor allem für das gleichnamige eintägige Festival in Ludwigsburg bei Stuttgart bekannt ist, schrieb, man sehe »in der Anfrage ­einen rassistischen Angriff auf Kulturbetriebe«. Dieser stehe in einer Reihe mit vorangegangenen Versuchen, »Veranstaltungen zu stören und unlieb­samen Kulturbetrieben Fördermittel zu streichen, um Kunst und Kultur ­wieder eine nationalistische, völkische Ausrichtung zu geben«. Auch das »Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region« (AABS) hatte dazu aufgerufen, sich an der Demonstration zu be­teiligen. Die extreme Rechte und ihre Veranstaltungen seien »meist importiert«, so stammten auch die AfD-Landtagsabgeordneten Balzer und Dürr nicht aus Stuttgart, sondern kämen aus ländlichen Regionen Baden-Württembergs. Ähnlich habe es sich bei der »Demo für alle« und beim einmaligen Pegida-Aufmarsch in der Landeshauptstadt verhalten, die ebenfalls aus dem deutlich konservativeren Hinterland nach Stuttgart getragen worden seien. In Erwartung weiterer Provokationen der AfD im Rahmen ihres Kulturkampfs kündigt das Bündnis an: »Wir bleiben dran, auch weil es um mehr geht, als unsere Stadt nazifrei zu halten!«