Iranisches Atomprogramm

Unter Beschuss

Kommentar Von Jörn Schulz

Bei den Verhandlungen über Atomabkommen wird die militärische Aggressionspolitik des Iran ignoriert.

Sie kamen, um zu verhandeln. Es war Geheimhaltung vereinbart worden, deshalb traf man sich in einer Privatwohnung in Wien. Doch dort wurden Abdul Rahman Ghassemlou, der Vorsitzende der Demokratischen Partei des Iranischen Kurdistan (DPKI), sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar und Fadel Rasoul am 13. Juli 1989 ermordet – im Auftrag ihres Verhandlungspartners, des iranischen Regimes. Die Tatverdächtigen flohen in die iranische Botschaft, die österreichische Regierung ließ sie dann unbehelligt ausreisen und einen von ihnen sogar mit Polizeischutz zum Flughafen fahren. Am 30. Jahrestag des islamistischen Terroranschlags forderten kurdische Demonstrierende in Wien und andere Gegner des iranischen Regimes, dass der Fall endlich juristisch aufgearbeitet wird.

Drei Jahre später wurden Ghassemlous Nachfolger Sadegh Sharafkandi und drei weitere kurdische Oppositionelle in Berlin ermordet. Diesmal wurden die Täter verurteilt; dass die Verantwortung des iranischen Regimes 1997 im Gerichtsurteil festgestellt wurde, war allerdings nur dem Richter Frithjof Kubsch zu verdanken, der sich dem Druck der Bundesregierung widersetzt hatte, dies zu verschweigen. Der politische Preis wurde zu hoch, das iranische Regime verzichtete auf spektakuläre Attentate im westlichen Ausland – allerdings wurde in jüngster Zeit bekannt, dass die Ayatollahs wieder potentielle Zielpersonen ausspähen und offenbar ein Attentat vorbereiten ließen.

In den Nachbarländern des Iran war die Zurückhaltung immer geringer, und hier hat der Iran seine Position stärken können. Die Revolutionsgarden und proiranische Milizen sind in Syrien und im Irak aktiv, die kurdische Autonomieregion im Nordirak wird zudem immer wieder mit Artillerie beschossen. So auch am 10. und 11. Juli, das mehrstündige Bombardement mehrerer Dörfer und ihrer Umgebung tötete eine 18jährige und verletzte zwei ihrer Brüder. Als Vergeltung für einen Anschlag auf Revolutionsgardisten habe man Basen der DPKI beschossen, gab das iranische Regime an. Die DPKI bestreitet, Stützpunkte in der beschossenen Region zu unterhalten und für den Anschlag verantwortlich zu sein.

»Ausbreitung des Gottesgesetzes auf Erden«

Das ist nicht überprüfbar. Sicher ist, dass Artilleriebeschuss nur gezielt sein kann, wenn das Ziel in Sicht ist und die Ausrichtung des Geschützes korrigiert werden kann. Dies war hier nicht der Fall, der Streubeschuss war Terror gegen die Zivilbevölkerung. Die kurdische Autonomieregion mit ihren halbwegs demokratischen Verhältnissen und eigenen Streitkräften ist ein Hindernis für die iranische Expansion. Die Regierung in Bagdad hingegen hat am 1. Juli die proiranischen Milizen als Streitmacht mit eigener Kommandostruktur in die irakische Armee integriert.

Zumindest dies kann den Regierungen der EU-Staaten kaum entgangen sein, die jedoch unverdrossen an dem Versuch festhalten, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. Wie bereits bei den Ver­handlungen vor dessen Abschluss wird die aggressive iranische Außenpolitik allenfalls als Ärgernis betrachtet, über das man vielleicht ein anderes Mal reden könne. Doch das Streben nach Atomwaffen und die militärische Expansion sind untrennbar miteinander verbunden. Die »wertebewusste Armee«, so ist es in der Verfassung festgeschrieben, dient dem »Einsatz zur Ausbreitung der Herrschaft des Gottesgesetzes auf Erden«. Die kostspieligen Auslands­interventionen belegen, dass dies nicht nur Rhetorik ist.

Die »Ausbreitung der Herrschaft des Gottesgesetzes« kann nur auf­gehalten werden, wenn in Verhandlungen über ein neues Abkommen die iranische Expansionspolitik einbezogen wird. Worauf US-Präsident Donald Trump nach der Kündigung des Atomabkommens hinaus will, bleibt unklar. Weder EU noch USA zeigen Interesse daran, jene zu unterstützen, die als einzige dauerhaft Nuklearrüstung und militärische Aggression beenden können: die iranischen Oppositionellen. Die Expansionspolitik des Regimes ist im Iran sehr unpopulär, das kam bei Protesten immer wieder zum Ausdruck. Gelänge es, die Ayatollahs zum Rückzug zu zwingen, wäre das eine Blamage, die die Opposition stärken könnte.