Rechter Terror in der Schweiz

»Mir rotten alles us«

In der Schweiz ist eine rechtsextreme Terrorzelle aufgeflogen. Nach Deutschland pflegen die Schweizer Neonazis enge Kontakte.

Die Worte waren eindeutig: »Sobald mir formiert sind, wärde mr schweizweit Terror verbreite. Die Wesißen kommen.« – »NSU-Style.« – »Mir rotten alles us.« – »Mir jage die Drecksäu durch d’Stroße.« So äußerten sich Schweizer Neonazis in einer Chat-Gruppe auf ­Facebook, zu der etwa zwei Dutzend Mitglieder gehörten. Beim Chat blieb es nicht. Mitte April kamen Mitglieder der Gruppe, deren Kern aus drei Männern und einer Frau bestand, zu einem Treffen in Basel zusammen.

Der Attentäter von Christchurch und der NSU als Vorbild.

Was die Nazis nicht wussten: Der Schweizer Journalist Fabian Eberhard von der Züricher Zeitung Blick hatte sich in die Chat-Gruppe eingeschlichen. Seine Recherchen führten dazu, dass die Schweizer Behörden tätig wurden. Im Juni nahm die Basler Polizei mehrere Mitglieder der Gruppe »White Resistance« fest. Deren Vorbild war nicht nur der NSU, sondern auch der Attentäter von Christchurch, der im März in der neuseeländischen Stadt 51 Menschen erschossen hatte. Angesichts der Vorgänge rief der sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Cédric Wermuth die Verteidigungsministerin Viola Amherd (Christlichdemokratische Volkspartei) öffentlich dazu auf, die »wachsende terroristische Bedrohung von rechts ernst zu nehmen«.

Dass Schweizer Neonazis Verbindungen ins rechtsterroristische Milieu auch außerhalb der Schweiz pflegen, zeigte sich im Zuge der Enthüllungen zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Auf Fotos von einem konspirativen Treffen von Nazis im sächsischen Mücka im März, an dem auch Stephan E., der mutmaßliche Mörder des CDU-Politikers, teilnahm, identifizierte die Antifa Bern den bekannten Schweizer Nazi Peter S. aus Schänis im Kanton St. Gallen. Blick berichtete, es hätten sich weitere Neonazis aus der Schweiz an dem Treffen beteiligt.

Peter S. war zuletzt im Sommer 2015 in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte er in Zürich auf offener Straße einen orthodoxen Juden bedroht, ihm den Hitlergruß gezeigt und »Heil Hitler« geschrien. Nach Angaben von Blick ­bewegt sich S. im Umfeld des Schweizer Ablegers des Nazinetzwerks »Blood & Honour«.

Personen aus diesem Milieu veranstalten in der Schweiz eher selten öffentliche Aufmärsche. In den vergangenen Jahren blieb es der »Partei national orientierter Schweizer« (PNOS) vorbehalten, rechtsextreme Demonstrationen zu organisieren. Zur jüngsten Kundgebung der PNOS im November 2018 in Basel kamen nur einige Dutzend Teilnehmer. Dennoch zeigte sich die Partei gut vernetzt. Als Redner trat unter anderem der Münchner Stadtrat Karl Richter (NPD/Bürgerinitiative Ausländerstopp) auf. An der Kundgebung nahmen auch Personen teil, die T-Shirts mit einem Aufdruck von Blood & Honour trugen.

Neonazismus und Parlamentarismus

Seit Jahren bewegt sich die PNOS zwischen militantem Neonazismus und Parlamentarismus – beides jedoch ohne größeren Erfolg. Um ausreichend für den Marsch auf das Rütli zu mobilisieren, den Nazis alljährlich am Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August, im Kanton Uri unternehmen, benötigte die Partei in den vergangenen Jahren stets die Unterstützung von Blood & Honour. Die Verbindung zu dem Netzwerk bestand anfangs auch auf personeller Ebene durch ­Jonas Gysin und Sascha Kunz. Letzterer ist der Gründer der Schweizer Sektion von Blood & Honour, Gysin war dort Mitglied. Im Jahr 2000 riefen die beiden Männer die PNOS ins Leben. Kunz trat 2003 aus der Partei aus, Gysin 2005.

Seit einigen Jahren versucht die PNOS, am Erfolg des Rechtspopulismus teilzuhaben. So hatte sie zu ihrem Parteitag 2017 in Solothurn den Berliner AfD-Politiker Lutz Urbanczyk als Gastredner eingeladen. Ignaz Bearth, der sich zuvor auch in der PNOS betätigt hatte, war kurzzeitig Sprecher der Anfang 2015 gegründeten »Pegida Schweiz« und trat auf Pegida-Veranstaltungen in Linz, Wien, Weil am Rhein und Dresden sowie auf einer Demonstration unter dem Motto »Merkel muss weg« in Berlin als Redner auf.

Die PNOS und ihr Umfeld fallen aber auch bei gewaltsamen Zwischenfällen auf. Als im Frühjahr 2019 in der Gemeinde Schwyz mehrere Hundert Menschen gegen Rassismus und Neonazismus auf die Straße gingen, zeigten sich am Rand der Demonstration mehrere Neonazis, darunter auch Mitglieder der PNOS. Bereits Tage zuvor hatten Nazis dazu aufgerufen, die Demonstration zu stören. Kurz nach ­deren Beginn kam es dann zu Auseinandersetzungen. Die Nazis zeigten den Hitlergruß und warfen Flaschen, Demonstrationsteilnehmer erwiderten dies mit Flaschenwürfen. Anlass der Demonstration war ein Video gewesen, in dem Mitglieder des Schweizer Ku-Klux-Klan bei einem nächtlichen Marsch in Schwyz zu sehen sind.

Beste Kontakte nach Deutschland

Etwa zwei Wochen nach der Kundgebung veröffentlichte die »Kameradschaft Heimattreu« ein Video, in dem Mitglieder von Blood & Honour zu sehen sind, die den Hitlergruß zeigen und ein Transparent des »Bündnisses buntes Schwyz« verbrennen, das während der antifaschistischen Demonstration entwendet worden war. Im Video wird auch das Logo von Combat 18, dem bewaffneten Arm von Blood & Honour, gezeigt, den Soundtrack liefert die Rechtsrock-Band Oidoxie aus Dortmund, die zum Umfeld von Blood & Honour gehört. Das Video wurde auch in der Chat-Gruppe der »White Resistance« gepostet.

Ein bekannter deutscher Neonazi lebt zurzeit in der Schweiz: Nordulf Heise, der Sohn des thüringischen NDP-Landes­vorsitzenden Thorsten Heise. Er absolviert Recherchen der Zeitung Woz zufolge in Visp im Oberwallis eine Ausbildung zum Heizungsinstallateur. Nordulf Heise gilt als ein mutmaßlicher Täter bei einem Angriff auf zwei Journalisten im thüringischen Frettenrode im April 2018, die zuständige Staatsanwaltschaft hat wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Anklage gegen ihn erhoben. Ein Prozesstermin ist allerdings noch nicht angesetzt.

Der Betrieb, in dem Nordulf Heise ausgebildet wird, wirbt auf seiner Homepage mit »einer familiären Mitarbeiterkultur«. Politisch dürfte sich Heise bei der Firma jedenfalls wohlfühlen, denn dort arbeitet auch Silvan Gex-Collet, ein Schweizer Neonazi und alter Bekannter von Thorsten Heise, ehemaliges Mitglied einer Rechtsrock-Band und Veranstalter von Konzerten mit Bands aus dem Umfeld von Blood & Honour. Gex-Collet veranstaltete 2016 ein Konzert in der Ortschaft Unterwasser im Kanton St. Gallen, zu dem zwischen 5 000 und 6 000 Neonazis kamen. Die internationale Bankkontonummer, an die Interessierte das Geld für Vorverkaufskarten überweisen mussten, gehörte dem Neonazi David Heinlein aus Saalfeld in Thüringen. Berechnungen des antifaschistischen Informationsportals »Thüringen rechtsaußen« zufolge landeten ungefähr 150 000 Euro auf dem Konto. Die Bankverbindung ließ sich identifizieren, weil Heinlein bereits zuvor bei einem in Thüringen stattfindendem Konzert sein Konto für die Abwicklung des Vorverkaufs zur Verfügung gestellt hatte.