Der analoge Mann

Hans-Jürgen und das Bett

Kolumne Von Andreas Michalke

Warum sind so viele Kerle unfähig, sich mit Frauen normal zu unterhalten?

»Halt mal fest«, sagt Hans-Jürgen und flucht. »Verdammt, Scheiße!« Wir bauen ein Bett auf. Hans-Jürgen schraubt, ich halte und Axel, der dritte Mann im Bunde, steht daneben und trägt Werkzeug an. Hans-Jürgen ist eigentlich Architekt, aber im ­Moment ist er Handwerksmeister und wir sind seine Lehrlinge. Er schwitzt und flucht. »Verdammt, Scheiße! Das geht ja gar nicht!«

Das Ikea-Bett war in der Garage in seine Einzelteile zerlegt. Der Inbus-Schrauber von Ikea ist nirgendwo zu finden. Hans-Jürgen muss sich mit einem kurzen, ähnlichen Schrauber behelfen. Wir haben uns gerade erst kennengelernt, aber jetzt finden wir uns scheinbar intuitiv in die Männerhierarchie. Der älteste und größte Mann gibt Anweisungen, wir schweigen und folgen.

Hans-Jürgen hat es eilig. Er stöhnt laut und schraubt. »Scheiße! Falsch rum! Das Brett muss andersrum. Okay, noch mal abschrauben.« Nach einer halben Stunde steht das erste Bett. Axel hat in der Garage endlich die Ikea-Schrauber gefunden. Jetzt geht es schneller und ich kann mitschrauben. Trotzdem hört Hans-Jürgen nicht auf zu fluchen, das gehört zu seiner Handwerksmeisterrolle dazu. »Wo sind die verdammten Schrauben für die Querstreben? Ohne die Querstreben bricht das alles zusammen!« Wir suchen. Axel findet sie. Wenig später steht das zweite Bett und Hans-Jürgens kurze Regentschaft ist abrupt beendet.

Wacken des Singtanzes

Meine Freundin und ich sind mal wieder in Herräng, dem größten Swingtanz-Camp der Welt – sozusagen dem Wacken des Swingtanzes. Für drei Wochen bewohnen wir mit sechs Frauen und vier Männern ein Haus. Die Frauen dominieren die Gespräche. Meist geht es ums Tanzen und die damit verbundenen Begegnungen.

Besonders wortstark ist eine quirlige Gruppe aus Hamburg. Manuela, Jenny und Aylin. Wir sitzen in der Küche und bereiten das Essen vor. Ich schneide Champignons in dünne Scheiben. Wie war’s denn gestern bei der Blues-Night?«, will meine Freundin von den Single-Frauen wissen. »Ich hatte echt schöne Tänze«, sagt Jenny, »aber es gab auch ein paar Typen, die sich an mich gedrückt haben, obwohl ich ganz klar Abstand signalisiert hatte. Was gibt es daran eigentlich nicht zu verstehen, wenn ich meine Arme anspanne und die Typen wegdrücke? Denken die dann: Na, wenn sie sich wehrt, muss ich wohl einfach mehr Kraft aufwenden?«

»Versteh ich auch nicht. Idioten«, sage ich. »Das ist nicht okay.« »Hast du mit dem getanzt, der mit der Erektion tanzt?«, hakt meine Freundin nach. »Wie? Wer tanzt mit einer Erektion?«, wollen jetzt alle wissen. »So ein hässlicher Typ vom Staff, der tagsüber im Camp immer in grau-beiger Handwerkermontur rumläuft. Abends tanzt der dann in grau-beigem T-Shirt und kurzer Arbeitshose. Den seh ich immer mit nem Dicken auf der Tanzfläche.« »Ist ja eklig! Darf doch nicht wahr sein!« Alle sind empört.

Ein neues Kleid

»Penis-Leading«, sagt meine Freundin lakonisch. Aylin brüllt vor Lachen. Manuela kommt in die Küche und führt ihr neues Kleid vor. »Ich bin ja zum ersten Mal in Herräng. Ist das was für heute Abend oder für die große Abschlussveranstaltung am Freitag?« »Steht dir sehr gut«, sage ich. Manuela ist noch nicht überzeugt: »Oder ist das zu bunt?« »Nö. Ist doch sehr elegant und hat einen schönen Ausschnitt. Was hast du denn noch zur Auswahl?«, frage ich. Ein paar Minuten später führt sie ein weiteres Kleid vor. »Ich würde sagen, das ist was für heute Abend«, meint Jenny. »Das neue Kleid ist schicker.«

Bild:
Andreas Michalke

Manuela will es genau wissen: »Aber ist das nicht irgendwie vintagemäßiger als das neue?« »Ist doch egal«, sage ich. Hans-Jürgen hat die ganze Zeit wortlos zugehört. Weil er nicht in das Gespräch reinkommt, versucht er mich in ein Zweiergespräch unter Männern zu ziehen. »Andi, du wolltest dir doch ein neues Laptop kaufen. Also ich hab ja...« »Lass mal später darüber reden«, antworte ich und signalisiere, dass ich dem Gespräch der Frauen folgen will. »Welches Kleid ist denn bequemer?« frage ich.

In Hans-Jürgens Blick sehe ich Enttäuschung. Nicht darüber, dass ich nicht mit ihm spreche, vielmehr über meine mühelose Angepasstheit, die ihm nicht gelingt. Seine behäbige Männlichkeit strengt mich dagegen an. Er steht auf und schmiert sich ein Knäckebrot. Übersprungshandlung. Es gibt ja offensichtlich gleich Essen. Er muss jetzt ein Käsebrot essen, weil er unfähig ist, sich an dem Gespräch der Frauen zu beteiligen. Typisch Mann, denke ich. Wenn es nicht um Technik oder Fußball geht, ist er raus.

Schlecht gegendert

Er könnte doch auch seine Meinung zu Manuelas Kleid abgeben. Er hat doch auch Augen im Kopf. Er weiß doch sonst auch alles besser. Dauernd erklärt er jedem, wie man irgendetwas, was man gerade macht, eigentlich noch besser machen könnte. »Wenn du das andere Messer nimmst, das mit dem schwarzen Griff, könntest du die Tomaten viel leichter schneiden.« »Bei dem neuen IPhone musst du aufpassen, dass man blahblahbla.« »Wenn man nicht mit dem Shuttle zum Flughafen fährt, sollte man das Busticket auf jeden Fall online kaufen, da dann …«

Jemand, der immer alles besser weiß, sollte doch auch wissen, welches von Manuelas Kleidern am schönsten aussieht. Meine Freundin ist schon längst auf der Terrasse und raucht. Sie trägt selten Kleider und langweilt sich schnell, wenn es um Äußerlichkeiten wie Mode oder Frisuren geht. Eigentlich wie Hans-Jürgen. Manuela ist wieder oben und zieht sich um. Ich gehe auf die Terrasse.

»Oh Mann, dieser Hans-Jürgen. Was ist das mit den Männern? Warum wollen die mich immer in so Privatgespräche verwickeln? Das machen die dauernd, dieser andere Typ, der gestern zum Essen hier war, doch auch. Immer wenn die Frauen was erzählen, beugen die sich zu mir, als wollten die mich aus irgendwas Schrecklichem befreien. Wie so Teenager – ach, lass die Weiber quatschen, ich erzähle dir jetzt mal was von Mann zu Mann. Meistens ist das ja auch noch so langweiliger Kram.«

Meine Freundin nickt. »Und dann wundern sie sich, dass sie Singles sind. Ich würde sagen: Mal wieder schlecht gegendert, Hans-Jürgen!«