Die Methoden der Landshuter Kinder- und Jugendpsychiatrie werden kritisiert

Überwachen und fixieren

In der Landshuter Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden Patienten ungewöhnlich häufig fixiert. Die bayerischen Behörden beschwichtigen, der Träger will die Vorwürfe prüfen.

Patientinnen und Patienten der Psychiatrie finden wenig Gehör – mit teils gravierenden Folgen. Dass aber selbst ein Chefarzt erst auf taube Ohren, dann auf Gegenwehr stößt, ist ungewöhnlich.

»Das sind Bootcamp-Methoden und keine zeitgemäßen Therapieformen.«

Eigentlich war Dietmar Eglinsky als neuer Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) am Bezirkskrankenhaus Landshut (BKH) angetreten, die Behandlungsmethoden für die jungen Patientinnen und Patienten zu modernisieren. Zuvor war das Haus, dessen Träger der Bezirk Niederbayern ist, 25 Jahre lang von Matthias von Aster geleitet worden. Dieser führte ein strenges Regiment. Das Krankenhaus wendet Medienberichten zufolge für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einen sogenannten Stufenplan an. Dieser tritt in Kraft, wenn junge Patienten wegen akuter Suizid­absicht oder selbstverletzendem Verhalten untergebracht sind. Wer sich beispielsweise ritzt, kommt in die geschlossene Abteilung der KJP und muss fast ununterbrochen in seinem Zimmer bleiben – ohne jeglichen Kontakt zu Mitpatienten. Die derzeit ausgesetzte »Stufe null« bedeutet: Gegessen wird nur mit dem Löffel, im Zimmer sind Malen, Lesen und Musikhören verboten. Nur wer sich ohne Widerspruch kooperativ zeigt, kann die nächsthöhere Stufe erreichen.

Auch würden Patienten in Landshut zu niedrigschwellig, also zu häufig, ­fixiert, kritisierte Eglinsky nach seinem Amtsantritt. Eine Fixierung – die Fesselung am Bett – bedarf einer richterlichen Anordnung. Allgemein gilt die Methode als ultima ratio. Zuvor sollten also alle anderen Möglichkeiten zur Beruhigung der Patienten ausgeschöpft werden. 2018 wurden in Landshut an 28 Patienten 63 Fixierungen vorgenommen. Das sind sechs Prozent der 470 Patienten. Im Jahr 2017 wurden 4,6 Prozent der jungen Menschen in der KJP ­fixiert. Vergleichbare Einrichtungen kamen 2018 auf Fixierungsquoten von 1,2 Prozent (Nürnberg mit 13 Fixierungen bei 1 100 Patienten) oder 0,9 Prozent (München). Solche freiheitsentziehenden Maßnahmen wurden in Landshut auch bei sehr jungen Kindern durchgeführt, etwa bei einem siebenjährigen Jungen, und das für die Dauer von fünf Stunden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.

 

Intern kam der neue Chefarzt mit seiner Kritik nicht weiter. Stattdessen warfen ihm Mitglieder des Kollegiums und einige Pflegende Inkompetenz vor. Eglinsky machte daraufhin seine Vorwürfe öffentlich und wurde zunächst freigestellt. Die verlängerte ­Probezeit lief Ende Juli aus. Inzwischen hat er an eine andere Klinik gewechselt.

Am Bezirkskrankenhaus in Landshut ist man indes um Aufklärung bemüht. Ein externer Gutachter, Romuald Brunner von der Universität Regensburg, soll das Therapiekonzept bewerten. Im Oktober sollen die Ergebnisse vorliegen, verspricht der Bezirk Niederbayern. Baldmöglichst werde man die Ergebnisse auch den Medien zur Verfügung stellen. Selbstverständlich sei die ­Behandlung im BKH gesetzeskonform, antwortete die Behörde auf Anfrage der Jungle World. Alle Zwangsbehandlungsmaßnahmen seien familien­gerichtlich genehmigt. Der Bezirk habe seine Pflicht als Träger erfüllt. Bei der derzeitigen Diskussion gebe es hinsichtlich der gebotenen therapeutischen Maßnahmen allerdings unterschiedliche Auffassungen bei Experten, so der Bezirk.

Renate Schepker vom Zentrum für Psychiatrie Baden-Württemberg ist Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Weissenau-Ravensburg. »Das sind Bootcamp-Methoden, die Konditionierung zur Unterwerfung, und keine zeitgemäßen Therapie­formen«, bewertet sie den Stufenplan auf Nachfrage der Jungle World.

Das bayerische Gesundheitsministerium, das Kliniken beaufsichtigt, wollte Fragen, die seine Rolle betreffen, nicht beantworten. Das Justizministe­rium sieht sich nur bei richterlichen Anordnungen zuständig – an denen in diesem Fall nichts zu beanstanden sei. Das Sozialministerium wäre für Zwangsmaßnahmen im Maßregelvollzug zuständig, doch solche kamen am BKH Landshut bislang nicht vor.

Ist also alleshalb so wild in Landshut? Eglinskys Aussagen legen anderes nahe. »Wenn ihr von Kindern oder ­Jugendlichen aus der Landshuter Klinik über Missstände hört, dann tut das nicht einfach ab. Schaut bitte kritisch hin«, sagte er kürzlich vor anderen Experten bei einem Treffen in Regen.