In Berlin hat eine Konferenz der Hamas nahestehender Gruppen stattgefunden, Proteste gab es kaum

Antisemitismus im Hochzeitssaal

Am Samstag fand in Berlin die »Konferenz der Palästinenser in Europa« statt. Die Organisatoren behaupteten, nichts mit der Hamas zu tun zu haben. Doch die politischen Ziele der Terrororganisation teilen sie durchaus.

»Wir distanzieren uns ausdrücklich von den politischen Inhalten dieser Veranstaltung und würden sie am liebsten in unserer Stadt verbieten«, sagte ein Sprecher des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD) vor der »Konferenz der Palästinenser in Europa«. Diese fand am Samstag in Berlin-Moabit statt. Dem aktuellen Jahresbericht des Berliner Landesamts für Verfassungsschutz zufolge handelt es sich bei der Konferenz, die seit 2003 jedes Jahr in einem anderen europäischen Land tagt, um die »wichtigste Propagandaveranstaltung der Hamas in Europa«.

Die islamistische Terrororganisation beherrscht seit 2007 den Gaza-Streifen und möchte den Staat Israel von der Landkarte tilgen. In ihrer 1988 erstmals veröffentlichten Charta nimmt die Hamas auf die antisemitische Hetzschrift »Die Protokolle der Weisen von Zion« Bezug. Sie ist für zahlreiche Raketenangriffe und andere Anschläge auf Israel verantwortlich.

Die Berliner Senatsinnenverwaltung sah keine Möglichkeit, die Veranstaltung zu verbieten, da diese nicht im Freien, sondern in einem geschlossenen Raum stattfand. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen im »Awa-Saal« zusammen. Vor dem Saal wurde gegen die Konferenz demonstriert. »Ist doch Kacke, dass in Berlin schon wieder sowas stattfindet«, sagte ein Demonstrant der Jungle World, und verwies auf den alljährlichen antisemitischen »al-Quds-Marsch«, der zuletzt im Juni stattfand. »Wir müssen dafür sorgen, dass solche Veranstaltungen nicht stattfinden, ohne dass die Berliner Zivilgesellschaft widerspricht«, sagte der Demonstrant.

Der Publizist Abraham Melzer machte keinen Hehl daraus, dass er Jüdinnen und Juden einen Anspruch auf den Staat Israel als nationale Heimat abspricht.

An der Demonstration gegen die Konferenz nahmen nur etwa zehn Personen teil – obwohl ein breites Bündnis aus Vereinen und Politikern den Senat aufgefordert hatte, die Veranstaltung zu verbieten. Zu den mehr als 20 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören unter anderem die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Deutsch-Israelische-Gesellschaft Berlin und Brandenburg, der Verein »Honestly Concerned«, das Internationale Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung, das Mideast Freedom Forum Berlin, die Werteinitiative, die Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Michaela Engelmeier, und Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen. Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, hatte ein Verbot der Veranstaltung gefordert.

Während die Demonstrierenden vor dem Saal zwei Israelfahnen hochhielten, hängten Frauen im Hijab drinnen Girlanden mit Luftballons in den palästinensischen Nationalfarben auf. Der Festsaal mit den verschnörkelten Säulen dürfte sonst eher für Hochzeiten gebucht werden. Neben der Bühne platzierten Mitarbeiter des »Palestinian European Media Center« Mischpulte und Mikrophone für die Simultanübersetzung der Vorträge. Diese wurden auf Arabisch, Deutsch und Englisch gehalten. Einer der prominentesten Redner war der Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz. Er brüstete sich damit, den Freispruch eines palästinensischen Demonstranten erwirkt zu haben, der bei einer Versammlung ein Bild präsentiert hatte, das ein Hakenkreuz neben einem Davidstern zeigte.

Organisiert wurde die Konferenz unter anderem vom in London ansässigen Palestinian Return Center (PRC) und der Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland (PGD). Verschiedene Landesämter für Verfassungsschutz bezeichnen in ihren Berichten die beiden Vereine als der Hamas ­nahestehend.

Die Veranstalter wiesen die Einschätzung der Inlandsgeheimdienste zurück. »Wir haben null Prozent irgendwas was mit der Hamas zu tun«, sagte Ali Chteiwia von der PGD, der die Redner ankündigte. Seine politischen Vorstellungen decken sich allerdings zumindest in einigen zentralen Punkten mit denen der Hamas. Die Frage, ob er bereit wäre, neben einem arabischen auch einen jüdischen Staat auf dem Territorium des ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina zu akzeptieren, verneinte der 26jährige.

 

Mit der Konferenz wolle man sich für den Fortbestand des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) einsetzen, sagte Majed al-Zeer vom PRC. Das UNRWA sah sich zuletzt häufig mit Korruptions- und Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. 2014 wurde ein von dem Hilfswerk verwaltetes Gebäude nach Angaben der Organisation von der Hamas als Waffenlager missbraucht. Kritisiert wird unter anderem, dass das UNRWA ausschließlich für palästinensische Flüchtlinge zuständig ist, während Flüchtlinge aus allen anderen Teilen der Welt vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten ­Nationen (UNHCR) betreut werden. Die USA stellten ihre Zahlungen an das UNRWA im August vorigen Jahres ein. Daraufhin erhöhte die Bundesregierung ihre Zahlungen an die Organisation.

Dafür bedankten sich einige Redner auf der Konferenz. Zudem machten sie deutlich, dass sie das UNRWA nicht nur aufgrund ihrer humanitären ­Unterstützung für die Palästinenserinnen und Palästinenser schätzen, sondern es auch als politisches Mittel sehen, um das sogenannte Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge durchzusetzen. Denn das UNRWA definiert den Status der palästinensischen Flüchtlinge (anders als das UNHCR den aller anderen Flüchtlinge) als vererbbar, so dass diese eine stetig wachsende Gruppe von derzeit mehr als fünf ­Millionen Menschen darstellen. Deren Groß- oder Urgroßeltern haben zwar auf dem Territorium des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästina gelebt. Sie selbst waren aber oft noch nie dort und sind größtenteils in ­Ländern wie dem Libanon, Syrien oder Deutschland aufgewachsen, deren Staatsbürger sie oft auch sind. Die Konferenzteilnehmer wollen, dass die Flüchtlinge das Recht erhalten, nach Israel einzuwandern. Das würde die demographische Grundlage des jüdischen Staates untergraben.

Auch Hasan Khraysha, der stellvertretende Sprecher des palästinensischen Legislativrates, in dem die Hamas die Mehrheit der Sitze hält, sprach auf der Konferenz. Er sagte, es sei Aufgabe des UNRWA, »den Schaden, der durch die Oslo-Verträge angerichtet wurde, wiedergutzumachen«. Das im September 1993 in Washington, D.C., von Israels damaligem Ministerpräsidenten, Yitzhak Rabin, und dem damaligen Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yassir Arafat, unterzeichnete Oslo-­Abkommen legte den Grundstein für die palästinensische Selbstverwaltung in der Westbank und im Gaza-Streifen. Viele sahen diese als Vorstufe zu einem unabhängigen, arabisch-palästinensischen Staat. Im Gegenzug sollte die PLO Israel als jüdischen Staat anerkennen. Doch genau das ist für Khraysha inakzeptabel.

Auch der Publizist Abraham Melzer sprach auf der Konferenz. Im Januar 2018 wies das Münchner Landgericht eine Unterlassungsklage Melzers gegen Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeine München und Oberbayern, zurück. Knobloch hatte Melzer als »für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt« bezeichnet.
In seiner Rede machte Melzer keinen Hehl daraus, dass er Jüdinnen und ­Juden einen Anspruch auf den Staat Israel als nationale Heimat abspricht. ­Juden, die in Israel leben, bezeichnete er als »Kolonialisten«; eine Bindung an das Land sprach er ihnen ab. Entgegen den Tatsachen behauptete Melzer, eine Vertreibung von Juden aus arabischen Ländern habe niemals statt­gefunden. Seine Ansprache war im Wesentlichen eine Wiedergabe der üblichen antizionistischen, die Realität verzerrenden und die Existenz des Staates Israel delegitimierenden Stereotype. »Wenn der weiße Staat in Südafrika Apartheid ist, dann ist auch ein jüdischer Staat in Palästina Apartheid«, sagte Melzer unter begeistertem Applaus des Publikums.

Schon die Idee eines jüdischen Staats, die sich Theodor Herzl noch vor dessen tatsächlicher Gründung erträumt habe, sei »ein Synonym für Apartheid«. Zionismus, also das Streben nach einer nationalen Heimstätte für Juden, sei Rassismus. Damit ließ der Publizist keinen Zweifel daran, dass es in seinen Augen nicht einfach eine bestimmte Politik ist, die den Staat Israel ins Unrecht setze, sondern schon dessen bloße Existenz als jüdischer Staat inakzeptabel sei.