Small Talk mit Joachim Brenner vom »Förderverein Roma« über die geplante Auflösung eines Wohnwagenplatzes in Frankfurt am Main

»Affinität zur NS-Ideologie«

Small Talk Von Philipp Idel

<p><em>Kürzlich protestierten Verbände und Einzelpersonen in einem offenen Brief gegen die geplante Auflösung der »Wohngemeinschaft Bonameser Straße« in Frankfurt am Main.</em></p>

Kürzlich protestierten Verbände und Einzelpersonen in einem offenen Brief gegen die geplante Auflösung der »Wohngemeinschaft Bonameser Straße« in Frankfurt am Main. Auf dem 1953 errichteten Wohnwagenplatz wurde das sogenannte fahrende Volk angesiedelt. Mittlerweile stehen überwiegend kleinere Häuser auf dem Platz. ­Joachim Brenner ist Geschäftsführer des »Förderverein Roma e. V.« und Unterzeichner des offenen Briefs an den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Die Jungle World hat mit ihm gesprochen.

Wie ist die »Wohngemeinschaft« entstanden?

In den Nachkriegsjahren wurden Roma, Sinti, Jenische, Reisende und Fahrende dorthin verwiesen. Man nahm keine Rücksicht auf die Erfahrungen und das Leid dieser Menschen in der NS-Zeit. Die Kommune brachte sie dort unter, wo es möglich war, ohne zu ­beachten, dass gerade diese Menschen besondere Unterstützung und Zuwendung hätten erhalten müssen. Das war ein Provisorium, aus dem über die Jahre ein fester Standplatz wurde.

Einer Stellungnahme des Magistrats zufolge muss die Nutzung des Platzes unter anderem deshalb beendet werden, weil die »Lagerung von Autowracks, Altreifen und Elektronikschrott«, die dort zuletzt 2014 festgestellt wurde, umweltrechtlich bedenklich sei. Warum sollte der Platz trotzdem weiter genutzt werden dürfen?

Weil es der Wunsch der Bewohner ist, die sich dort über die Jahrzehnte eingerichtet und dafür gesorgt haben, dass die Versorgung des Platzes gewährleistet ist. Weil es Leute sind, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Weil ihre Geschichte in den ­vergangenen 70 Jahren dort stattgefunden hat und weil sie sich für den Bestand, für den Ausbau und für die bessere Versorgung dieses Platzes eingesetzt haben. Es ist abwegig, sich in dieser Situation auf Formalien zu berufen und zu sagen, der Platz müsse geräumt werden. Seit es den Platz gibt, hat die Stadt immer wieder versucht, ihn zu räumen. Dagegen haben sich die Bewohner und ihre Unterstützer bisher erfolgreich gewehrt. Dass gerade ein Magistrat, in dem auch die Grünen vertreten sind, sich für eine Auflösung des Platzes ausspricht, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Vor allem die Grünen präsentieren sich ja gerne als Partei, die für Minder­heitenschutz und eine besondere Sensibilität gegenüber den Angehörigen von Gruppen steht, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.

Wie will der Magistrat die Nutzung des Platzes beenden?

Auf eine perfide Weise. Der Magistrat will das Problem generativ lösen. Das heißt, immer wenn jemand stirbt, auszieht oder den Platz verlassen muss, weil er zum Beispiel eine Leistung nicht bezahlt hat, soll niemand anderes einziehen dürfen. Sobald ein Haus leersteht, soll es nicht mehr versorgt werden dürfen.

Warum ist das aus Ihrer Sicht perfide?

Weil die Vorgehensweise des Magistrats eine Affinität zur NS-Ideologie aufweist. Der Platz wurde in den sechziger Jahren von Eva Justin betreut. Diese war eine der maßgeblichen NS-Rassen­forscherinnen. Sie wurde mit der Betreuung des Platzes betraut, nachdem durch den Protest einer Frankfurter Roma-Familie bekannt geworden war, was ihre Funktion im Nationalsozialismus gewesen war. Justin wurde aus dem Stadtgesundheitsamt auf einen Platz geschickt, auf dem damals noch Verfolgte des Naziregimes lebten. Im Nationalsozialismus hatte sie dafür plädiert, die sogenannte Zigeunerfrage generativ zu lösen, und zwar durch Zwangssterilisierungen von Sinti und Roma. Dass der Magistrat vor diesem geschichtlichen Hintergrund eine Argumentation vertritt, die darauf hinausläuft, die Nutzung des Platzes generativ zu beenden, ist skandalös.

Was sollte der Magistrat stattdessen tun?

Er sollte sich darum bemühen, die Situation auf dem Platz zu verbessern und den weiteren Verbleib der Bewohner auch perspektivisch zu sichern, anstatt dessen teilweise Nutzung als Schrottplatz zu instrumentalisieren, um den Standplatz letztlich zu räumen.